wenige Arten einer einzigen Pflanzenfamilie den hauptsächlichsten Nahrungsstoff liefern, nämlich die sogenannten Getreidepflanzen oder Cerealien aus der Familie der Gräser. -- Die Familie um- faßt nahe an 4000 Arten und von diesen werden noch nicht 20 zur Nahrung für den Menschen cultivirt. Diese Culturgräser sind ihrer Natur nach zwar sämmtlich Sommergewächse, aber von einigen der wichtigsten hat sich der Mensch eigne Abarten gezogen, die in dem dazu geeigneten Clima im Herbst gesäet keinen und dann unter der wär- menden Decke des Schnees überwintern, so daß sie im Frühling schon kräftig fortwachsen können, während noch für die übrigen Sommer- gewächse der Boden zur Aufnahme des Saamens vorbereitet wird. Mit Berücksichtigung dieser Ausnahme kann man sagen, daß das Gedeihen sämmtlicher Cerealien von der Temperatur des Sommers oder der Vegetationszeit abhängig ist, und wenn wir ihre Verbrei- tung auf der Erde uns versinnlichen, so zeigen sie uns Gürtel, welche nicht so sehr wie manche andere Vegetationsverhältnisse von dem Ver- lauf der Isotheren abweichen.
Es lassen sich aber die Temperaturverhältnisse, unter denen die Getreidearten vegetiren, noch vielleicht genauer entwickeln als durch die Angabe der Isotheren möglich ist. In Aegypten, an den Ufern des Nils, säet man die Gerste Ende November und erndtet Ende Februar, die Vegetationszeit beträgt also 90 Tage und die mittlere Temperatur dieser Zeit ist 21°,0. In Tuqueres nahe bei Cumbal unter dem Aequator ist die Bestellzeit auf den Gebirgen für die Gerste etwa am 1. Juny, die Zeit der Erndte Mitte November, die mittlere Temperatur dieser Vegetationszeit von 168 Tagen ist 10°,7. Zu Sta. Fe de Bogota zählt man zwischen Aussaat und Erndte 122 Tage mit einer mittlern Temperatur von 14°,7. Wenn man nun die An- zahl der Tage mit der Zahl der mittleren Temperatur multiplicirt so erhält man für Aegypten 1890, für Tuqueres 1798, für Sta. Fe 1793, also so nahebei dieselbe Zahl als es die Unsicherheit in der Bestimmung der Tage, der genaueren mittleren Temperatur und die Ungewißheit ob überall dieselbe Gerstenart gebaut wird, nur
wenige Arten einer einzigen Pflanzenfamilie den hauptſächlichſten Nahrungsſtoff liefern, nämlich die ſogenannten Getreidepflanzen oder Cerealien aus der Familie der Gräſer. — Die Familie um- faßt nahe an 4000 Arten und von dieſen werden noch nicht 20 zur Nahrung für den Menſchen cultivirt. Dieſe Culturgräſer ſind ihrer Natur nach zwar ſämmtlich Sommergewächſe, aber von einigen der wichtigſten hat ſich der Menſch eigne Abarten gezogen, die in dem dazu geeigneten Clima im Herbſt geſäet keinen und dann unter der wär- menden Decke des Schnees überwintern, ſo daß ſie im Frühling ſchon kräftig fortwachſen können, während noch für die übrigen Sommer- gewächſe der Boden zur Aufnahme des Saamens vorbereitet wird. Mit Berückſichtigung dieſer Ausnahme kann man ſagen, daß das Gedeihen ſämmtlicher Cerealien von der Temperatur des Sommers oder der Vegetationszeit abhängig iſt, und wenn wir ihre Verbrei- tung auf der Erde uns verſinnlichen, ſo zeigen ſie uns Gürtel, welche nicht ſo ſehr wie manche andere Vegetationsverhältniſſe von dem Ver- lauf der Iſotheren abweichen.
Es laſſen ſich aber die Temperaturverhältniſſe, unter denen die Getreidearten vegetiren, noch vielleicht genauer entwickeln als durch die Angabe der Iſotheren möglich iſt. In Aegypten, an den Ufern des Nils, ſäet man die Gerſte Ende November und erndtet Ende Februar, die Vegetationszeit beträgt alſo 90 Tage und die mittlere Temperatur dieſer Zeit iſt 21°,0. In Tuquerés nahe bei Cumbal unter dem Aequator iſt die Beſtellzeit auf den Gebirgen für die Gerſte etwa am 1. Juny, die Zeit der Erndte Mitte November, die mittlere Temperatur dieſer Vegetationszeit von 168 Tagen iſt 10°,7. Zu Sta. Fé de Bogota zählt man zwiſchen Ausſaat und Erndte 122 Tage mit einer mittlern Temperatur von 14°,7. Wenn man nun die An- zahl der Tage mit der Zahl der mittleren Temperatur multiplicirt ſo erhält man für Aegypten 1890, für Tuquerés 1798, für Sta. Fé 1793, alſo ſo nahebei dieſelbe Zahl als es die Unſicherheit in der Beſtimmung der Tage, der genaueren mittleren Temperatur und die Ungewißheit ob überall dieſelbe Gerſtenart gebaut wird, nur
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wenige Arten einer einzigen Pflanzenfamilie den hauptſächlichſten
Nahrungsſtoff liefern, nämlich die ſogenannten Getreidepflanzen
oder Cerealien aus der Familie der Gräſer. — Die Familie um-
faßt nahe an 4000 Arten und von dieſen werden noch nicht 20 zur
Nahrung für den Menſchen cultivirt. Dieſe Culturgräſer ſind ihrer
Natur nach zwar ſämmtlich Sommergewächſe, aber von einigen der
wichtigſten hat ſich der Menſch eigne Abarten gezogen, die in dem dazu
geeigneten Clima im Herbſt geſäet keinen und dann unter der wär-
menden Decke des Schnees überwintern, ſo daß ſie im Frühling ſchon
kräftig fortwachſen können, während noch für die übrigen Sommer-
gewächſe der Boden zur Aufnahme des Saamens vorbereitet wird.
Mit Berückſichtigung dieſer Ausnahme kann man ſagen, daß das
Gedeihen ſämmtlicher Cerealien von der Temperatur des Sommers
oder der Vegetationszeit abhängig iſt, und wenn wir ihre Verbrei-
tung auf der Erde uns verſinnlichen, ſo zeigen ſie uns Gürtel, welche
nicht ſo ſehr wie manche andere Vegetationsverhältniſſe von dem Ver-
lauf der Iſotheren abweichen.
Es laſſen ſich aber die Temperaturverhältniſſe, unter denen die
Getreidearten vegetiren, noch vielleicht genauer entwickeln als durch
die Angabe der Iſotheren möglich iſt. In Aegypten, an den Ufern
des Nils, ſäet man die Gerſte Ende November und erndtet Ende
Februar, die Vegetationszeit beträgt alſo 90 Tage und die mittlere
Temperatur dieſer Zeit iſt 21°,0. In Tuquerés nahe bei Cumbal
unter dem Aequator iſt die Beſtellzeit auf den Gebirgen für die Gerſte
etwa am 1. Juny, die Zeit der Erndte Mitte November, die mittlere
Temperatur dieſer Vegetationszeit von 168 Tagen iſt 10°,7. Zu
Sta. Fé de Bogota zählt man zwiſchen Ausſaat und Erndte 122 Tage
mit einer mittlern Temperatur von 14°,7. Wenn man nun die An-
zahl der Tage mit der Zahl der mittleren Temperatur multiplicirt ſo
erhält man für Aegypten 1890, für Tuquerés 1798, für Sta.
Fé 1793, alſo ſo nahebei dieſelbe Zahl als es die Unſicherheit in
der Beſtimmung der Tage, der genaueren mittleren Temperatur und
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/261>, abgerufen am 21.11.2024.
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