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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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fangsloser Zeit gewesen, ist nicht Spiel einer blinden Bildungskraft,
nicht Product einer starren Nothwendigkeit, eines Schicksals, sondern
es ist die freie That eines heiligen Urhebers, einer ewigen Liebe." In
diesem Sinne hat sich keiner der Menschenstämme je zu dem Begriffe
der Schöpfung erhoben, denn selbst die nahe anklingende und
offenbar verwandte Brahmasage ist, gegen diesen einfachen, klaren
Gedanken gehalten, phantastisch verworren und sinnlich unklar. --
Immer bis in die fernsten Zeiten wird es unverändert wiederhallen:
"Gott schuf die Welt;" aber weit hinaus sind wir schon über die
damit vermengten naturwissenschaftlichen Anfänge. Sie beziehen sich
nicht auf die Welt, sondern auf eines der kleinsten Stäubchen von Einem
der unzählbaren Staubhäufchen, die im Aethermeere ihren endlosen
Reigen tanzen. Von allen jenen Millionen andern größern, wunder-
baren Weltkörpern wissen wir über Entstehung und Entwicklung
nichts. Von der Welt wissen wir nur, sie ist da und gehorcht jetzt
einfachen, ausnahmslosen Naturgesetzen; jene mosaische Schöpfungs-
geschichte dagegen ist zusammengeschmolzen zu Einer Zeile in dem
Riesenbuche, welches die zeitlichen Veränderungen des schon Geschaf-
fenen erzählt, eine Zeile, von der wir zwar einige Buchstaben mehr
entziffert haben als die Menschheit zu Moses Zeit, aber ohne daß wir
sie schon vollständig lesen könnten. Wir wollen versuchen, wie wir
die entzifferten Buchstaben zu einem verständlichen Ganzen zusammen-
fassen können.

Der erste Zustand der Erde, auf dessen Kenntniß noch
mehr als bloße Träumereien, und wenigstens wohl geordnete
wissenschaftliche Analogieen hinführen, ist der einer geschmolzenen,
feurigflüssigen Masse, umgeben von einer dichten Atmosphäre, welche
sämmtliche jetzt auf der Erde fließende Gewässer als Dampf enthielt,
vielleicht eine beträchtlich größere Menge Sauerstoff, sicher aber einen
ungleich größeren Antheil an Kohlensäure als jetzt zu ihren Bestand-
theilen zählte. In dem nach ungefähren Schätzungen wenigstens
-- 40 Grad kalten Weltraum mußte die Erde sich allmälig abkühlen,
die geschmolzenen Massen mußten erstarren und so bildete sich eine

fangsloſer Zeit geweſen, iſt nicht Spiel einer blinden Bildungskraft,
nicht Product einer ſtarren Nothwendigkeit, eines Schickſals, ſondern
es iſt die freie That eines heiligen Urhebers, einer ewigen Liebe.“ In
dieſem Sinne hat ſich keiner der Menſchenſtämme je zu dem Begriffe
der Schöpfung erhoben, denn ſelbſt die nahe anklingende und
offenbar verwandte Brahmaſage iſt, gegen dieſen einfachen, klaren
Gedanken gehalten, phantaſtiſch verworren und ſinnlich unklar. —
Immer bis in die fernſten Zeiten wird es unverändert wiederhallen:
„Gott ſchuf die Welt;“ aber weit hinaus ſind wir ſchon über die
damit vermengten naturwiſſenſchaftlichen Anfänge. Sie beziehen ſich
nicht auf die Welt, ſondern auf eines der kleinſten Stäubchen von Einem
der unzählbaren Staubhäufchen, die im Aethermeere ihren endloſen
Reigen tanzen. Von allen jenen Millionen andern größern, wunder-
baren Weltkörpern wiſſen wir über Entſtehung und Entwicklung
nichts. Von der Welt wiſſen wir nur, ſie iſt da und gehorcht jetzt
einfachen, ausnahmsloſen Naturgeſetzen; jene moſaiſche Schöpfungs-
geſchichte dagegen iſt zuſammengeſchmolzen zu Einer Zeile in dem
Rieſenbuche, welches die zeitlichen Veränderungen des ſchon Geſchaf-
fenen erzählt, eine Zeile, von der wir zwar einige Buchſtaben mehr
entziffert haben als die Menſchheit zu Moſes Zeit, aber ohne daß wir
ſie ſchon vollſtändig leſen könnten. Wir wollen verſuchen, wie wir
die entzifferten Buchſtaben zu einem verſtändlichen Ganzen zuſammen-
faſſen können.

Der erſte Zuſtand der Erde, auf deſſen Kenntniß noch
mehr als bloße Träumereien, und wenigſtens wohl geordnete
wiſſenſchaftliche Analogieen hinführen, iſt der einer geſchmolzenen,
feurigflüſſigen Maſſe, umgeben von einer dichten Atmoſphäre, welche
ſämmtliche jetzt auf der Erde fließende Gewäſſer als Dampf enthielt,
vielleicht eine beträchtlich größere Menge Sauerſtoff, ſicher aber einen
ungleich größeren Antheil an Kohlenſäure als jetzt zu ihren Beſtand-
theilen zählte. In dem nach ungefähren Schätzungen wenigſtens
— 40 Grad kalten Weltraum mußte die Erde ſich allmälig abkühlen,
die geſchmolzenen Maſſen mußten erſtarren und ſo bildete ſich eine

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[254/0270] fangsloſer Zeit geweſen, iſt nicht Spiel einer blinden Bildungskraft, nicht Product einer ſtarren Nothwendigkeit, eines Schickſals, ſondern es iſt die freie That eines heiligen Urhebers, einer ewigen Liebe.“ In dieſem Sinne hat ſich keiner der Menſchenſtämme je zu dem Begriffe der Schöpfung erhoben, denn ſelbſt die nahe anklingende und offenbar verwandte Brahmaſage iſt, gegen dieſen einfachen, klaren Gedanken gehalten, phantaſtiſch verworren und ſinnlich unklar. — Immer bis in die fernſten Zeiten wird es unverändert wiederhallen: „Gott ſchuf die Welt;“ aber weit hinaus ſind wir ſchon über die damit vermengten naturwiſſenſchaftlichen Anfänge. Sie beziehen ſich nicht auf die Welt, ſondern auf eines der kleinſten Stäubchen von Einem der unzählbaren Staubhäufchen, die im Aethermeere ihren endloſen Reigen tanzen. Von allen jenen Millionen andern größern, wunder- baren Weltkörpern wiſſen wir über Entſtehung und Entwicklung nichts. Von der Welt wiſſen wir nur, ſie iſt da und gehorcht jetzt einfachen, ausnahmsloſen Naturgeſetzen; jene moſaiſche Schöpfungs- geſchichte dagegen iſt zuſammengeſchmolzen zu Einer Zeile in dem Rieſenbuche, welches die zeitlichen Veränderungen des ſchon Geſchaf- fenen erzählt, eine Zeile, von der wir zwar einige Buchſtaben mehr entziffert haben als die Menſchheit zu Moſes Zeit, aber ohne daß wir ſie ſchon vollſtändig leſen könnten. Wir wollen verſuchen, wie wir die entzifferten Buchſtaben zu einem verſtändlichen Ganzen zuſammen- faſſen können. Der erſte Zuſtand der Erde, auf deſſen Kenntniß noch mehr als bloße Träumereien, und wenigſtens wohl geordnete wiſſenſchaftliche Analogieen hinführen, iſt der einer geſchmolzenen, feurigflüſſigen Maſſe, umgeben von einer dichten Atmoſphäre, welche ſämmtliche jetzt auf der Erde fließende Gewäſſer als Dampf enthielt, vielleicht eine beträchtlich größere Menge Sauerſtoff, ſicher aber einen ungleich größeren Antheil an Kohlenſäure als jetzt zu ihren Beſtand- theilen zählte. In dem nach ungefähren Schätzungen wenigſtens — 40 Grad kalten Weltraum mußte die Erde ſich allmälig abkühlen, die geſchmolzenen Maſſen mußten erſtarren und ſo bildete ſich eine

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/270>, abgerufen am 21.11.2024.