Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

gewissen Ruhe gemäßigt hatte. Diese Bildungsgeschichte unseres Erd-
körpers führt uns auf die Annahme zweier ihrem innersten Wesen
nach verschiedenen Gebirgsmassen, nämlich der ungeschichteten aus
geschmolzenem Zustande erkalteten und der geschichteten aus den Ab-
sätzen des Wassers entstandenen Gesteine.

Zu irgend einer Periode dieser allmäligen Gestaltung des
Landes entstanden durch Kräfte, die zwar noch vorhanden seyn
mögen, aber unter Bedingungen und einem Zusammenwirken
jener verschiedenen Kräfte wie es jetzt auf unserer Erde nicht
mehr möglich scheint, die ersten Keime organischer Wesen. Wahr-
scheinlich war das Meer die Geburtsstätte dieser Organismen und
waren die Formen derselben noch sehr einfach. Die absterbenden
Organismen wurden im Grunde des Meeres von den Absätzen be-
graben und erhielten sich ganz oder in ihren festeren Theilen (Schalen
oder Knochen), wenigstens ihrer äußern Form nach, wenn auch die
organische Substanz zum größten Theil zerstört und oft durch ein-
dringende unorganische Stoffe ersetzt wurde, als sogenannte Ver-
steinerungen
(Petrefacten). Schon aus dem über die Bil-
dungsgeschichte der Gebirge Gesagten geht hervor, daß solche Ver-
steinerungen nur in den geschichteten Steinen vorkommen können.
In späteren Perioden entstanden dann auch Organismen auf dem
trocknen Lande und auch von diesen gingen Reste als Versteine-
rungen in die Gebirge über und zwar auf doppelte Weise, entweder
wurden ihre Leichen durch Regengüsse und die größeren Ströme dem
Meere zugeführt, oder der ganze Boden, auf welchem sie lebten, ver-
sank, wie oben erwähnt, unter den Meeresspiegel und begrub sie so
in ganzen Massen unter den Absätzen der Gewässer. --

Das sorgfältige Studium der Gebirgssysteme, Gebirgsmassen
und Versteinerungen hat nun dahin geführt, daß man die allmälige
Bildung der Erde in bestimmte, zwar nicht der Zeit aber doch ihren
Producten nach begrenzte Perioden hat eintheilen können und man
nennt diese Producte Gebirgsformationen, die in bestimmter
Reihefolge geordnet sich so verhalten, daß nirgends auf der Erde sich

Schleiden, Pflanze. 17

gewiſſen Ruhe gemäßigt hatte. Dieſe Bildungsgeſchichte unſeres Erd-
körpers führt uns auf die Annahme zweier ihrem innerſten Weſen
nach verſchiedenen Gebirgsmaſſen, nämlich der ungeſchichteten aus
geſchmolzenem Zuſtande erkalteten und der geſchichteten aus den Ab-
ſätzen des Waſſers entſtandenen Geſteine.

Zu irgend einer Periode dieſer allmäligen Geſtaltung des
Landes entſtanden durch Kräfte, die zwar noch vorhanden ſeyn
mögen, aber unter Bedingungen und einem Zuſammenwirken
jener verſchiedenen Kräfte wie es jetzt auf unſerer Erde nicht
mehr möglich ſcheint, die erſten Keime organiſcher Weſen. Wahr-
ſcheinlich war das Meer die Geburtsſtätte dieſer Organismen und
waren die Formen derſelben noch ſehr einfach. Die abſterbenden
Organismen wurden im Grunde des Meeres von den Abſätzen be-
graben und erhielten ſich ganz oder in ihren feſteren Theilen (Schalen
oder Knochen), wenigſtens ihrer äußern Form nach, wenn auch die
organiſche Subſtanz zum größten Theil zerſtört und oft durch ein-
dringende unorganiſche Stoffe erſetzt wurde, als ſogenannte Ver-
ſteinerungen
(Petrefacten). Schon aus dem über die Bil-
dungsgeſchichte der Gebirge Geſagten geht hervor, daß ſolche Ver-
ſteinerungen nur in den geſchichteten Steinen vorkommen können.
In ſpäteren Perioden entſtanden dann auch Organismen auf dem
trocknen Lande und auch von dieſen gingen Reſte als Verſteine-
rungen in die Gebirge über und zwar auf doppelte Weiſe, entweder
wurden ihre Leichen durch Regengüſſe und die größeren Ströme dem
Meere zugeführt, oder der ganze Boden, auf welchem ſie lebten, ver-
ſank, wie oben erwähnt, unter den Meeresſpiegel und begrub ſie ſo
in ganzen Maſſen unter den Abſätzen der Gewäſſer. —

Das ſorgfältige Studium der Gebirgsſyſteme, Gebirgsmaſſen
und Verſteinerungen hat nun dahin geführt, daß man die allmälige
Bildung der Erde in beſtimmte, zwar nicht der Zeit aber doch ihren
Producten nach begrenzte Perioden hat eintheilen können und man
nennt dieſe Producte Gebirgsformationen, die in beſtimmter
Reihefolge geordnet ſich ſo verhalten, daß nirgends auf der Erde ſich

Schleiden, Pflanze. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="257"/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Ruhe gemäßigt hatte. Die&#x017F;e Bildungsge&#x017F;chichte un&#x017F;eres Erd-<lb/>
körpers führt uns auf die Annahme zweier ihrem inner&#x017F;ten We&#x017F;en<lb/>
nach ver&#x017F;chiedenen Gebirgsma&#x017F;&#x017F;en, nämlich der unge&#x017F;chichteten aus<lb/>
ge&#x017F;chmolzenem Zu&#x017F;tande erkalteten und der ge&#x017F;chichteten aus den Ab-<lb/>
&#x017F;ätzen des Wa&#x017F;&#x017F;ers ent&#x017F;tandenen Ge&#x017F;teine.</p><lb/>
        <p>Zu irgend einer Periode die&#x017F;er allmäligen Ge&#x017F;taltung des<lb/>
Landes ent&#x017F;tanden durch Kräfte, die zwar noch vorhanden &#x017F;eyn<lb/>
mögen, aber unter Bedingungen und einem Zu&#x017F;ammenwirken<lb/>
jener ver&#x017F;chiedenen Kräfte wie es jetzt auf un&#x017F;erer Erde nicht<lb/>
mehr möglich &#x017F;cheint, die er&#x017F;ten Keime organi&#x017F;cher We&#x017F;en. Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich war das Meer die Geburts&#x017F;tätte die&#x017F;er Organismen und<lb/>
waren die Formen der&#x017F;elben noch &#x017F;ehr einfach. Die ab&#x017F;terbenden<lb/>
Organismen wurden im Grunde des Meeres von den Ab&#x017F;ätzen be-<lb/>
graben und erhielten &#x017F;ich ganz oder in ihren fe&#x017F;teren Theilen (Schalen<lb/>
oder Knochen), wenig&#x017F;tens ihrer äußern Form nach, wenn auch die<lb/>
organi&#x017F;che Sub&#x017F;tanz zum größten Theil zer&#x017F;tört und oft durch ein-<lb/>
dringende unorgani&#x017F;che Stoffe er&#x017F;etzt wurde, als &#x017F;ogenannte <hi rendition="#g">Ver-<lb/>
&#x017F;teinerungen</hi> (<hi rendition="#g">Petrefacten</hi>). Schon aus dem über die Bil-<lb/>
dungsge&#x017F;chichte der Gebirge Ge&#x017F;agten geht hervor, daß &#x017F;olche Ver-<lb/>
&#x017F;teinerungen nur in den ge&#x017F;chichteten Steinen vorkommen können.<lb/>
In &#x017F;päteren Perioden ent&#x017F;tanden dann auch Organismen auf dem<lb/>
trocknen Lande und auch von die&#x017F;en gingen Re&#x017F;te als Ver&#x017F;teine-<lb/>
rungen in die Gebirge über und zwar auf doppelte Wei&#x017F;e, entweder<lb/>
wurden ihre Leichen durch Regengü&#x017F;&#x017F;e und die größeren Ströme dem<lb/>
Meere zugeführt, oder der ganze Boden, auf welchem &#x017F;ie lebten, ver-<lb/>
&#x017F;ank, wie oben erwähnt, unter den Meeres&#x017F;piegel und begrub &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
in ganzen Ma&#x017F;&#x017F;en unter den Ab&#x017F;ätzen der Gewä&#x017F;&#x017F;er. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;orgfältige Studium der Gebirgs&#x017F;y&#x017F;teme, Gebirgsma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Ver&#x017F;teinerungen hat nun dahin geführt, daß man die allmälige<lb/>
Bildung der Erde in be&#x017F;timmte, zwar nicht der Zeit aber doch ihren<lb/>
Producten nach begrenzte Perioden hat eintheilen können und man<lb/>
nennt die&#x017F;e Producte <hi rendition="#g">Gebirgsformationen</hi>, die in be&#x017F;timmter<lb/>
Reihefolge geordnet &#x017F;ich &#x017F;o verhalten, daß nirgends auf der Erde &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Schleiden</hi>, Pflanze. 17</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0273] gewiſſen Ruhe gemäßigt hatte. Dieſe Bildungsgeſchichte unſeres Erd- körpers führt uns auf die Annahme zweier ihrem innerſten Weſen nach verſchiedenen Gebirgsmaſſen, nämlich der ungeſchichteten aus geſchmolzenem Zuſtande erkalteten und der geſchichteten aus den Ab- ſätzen des Waſſers entſtandenen Geſteine. Zu irgend einer Periode dieſer allmäligen Geſtaltung des Landes entſtanden durch Kräfte, die zwar noch vorhanden ſeyn mögen, aber unter Bedingungen und einem Zuſammenwirken jener verſchiedenen Kräfte wie es jetzt auf unſerer Erde nicht mehr möglich ſcheint, die erſten Keime organiſcher Weſen. Wahr- ſcheinlich war das Meer die Geburtsſtätte dieſer Organismen und waren die Formen derſelben noch ſehr einfach. Die abſterbenden Organismen wurden im Grunde des Meeres von den Abſätzen be- graben und erhielten ſich ganz oder in ihren feſteren Theilen (Schalen oder Knochen), wenigſtens ihrer äußern Form nach, wenn auch die organiſche Subſtanz zum größten Theil zerſtört und oft durch ein- dringende unorganiſche Stoffe erſetzt wurde, als ſogenannte Ver- ſteinerungen (Petrefacten). Schon aus dem über die Bil- dungsgeſchichte der Gebirge Geſagten geht hervor, daß ſolche Ver- ſteinerungen nur in den geſchichteten Steinen vorkommen können. In ſpäteren Perioden entſtanden dann auch Organismen auf dem trocknen Lande und auch von dieſen gingen Reſte als Verſteine- rungen in die Gebirge über und zwar auf doppelte Weiſe, entweder wurden ihre Leichen durch Regengüſſe und die größeren Ströme dem Meere zugeführt, oder der ganze Boden, auf welchem ſie lebten, ver- ſank, wie oben erwähnt, unter den Meeresſpiegel und begrub ſie ſo in ganzen Maſſen unter den Abſätzen der Gewäſſer. — Das ſorgfältige Studium der Gebirgsſyſteme, Gebirgsmaſſen und Verſteinerungen hat nun dahin geführt, daß man die allmälige Bildung der Erde in beſtimmte, zwar nicht der Zeit aber doch ihren Producten nach begrenzte Perioden hat eintheilen können und man nennt dieſe Producte Gebirgsformationen, die in beſtimmter Reihefolge geordnet ſich ſo verhalten, daß nirgends auf der Erde ſich Schleiden, Pflanze. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/273
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/273>, abgerufen am 21.11.2024.