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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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aus der noch jetzt uns umgebenden Pflanzenwelt, da viele der
einfacher gebauten Pflanzen, zumal der Wasserpflanzen, aus
einer einzelnen Zelle bestehen und sich unter einander nur durch die
verschiedene Form der Zellen unterscheiden. Die Hauptbedingungen
zu einer üppigen und formenreichen Pflanzenwelt unter den Tropen
sind Feuchtigkeit und Wärme, die Ursachen ihrer Mannigfaltigkeit
scheinen in dem Reichthum des Bodens an leicht auflöslichen unor-
ganischen Stoffen zu liegen, welche zunächst eine Abänderung des
chemischen Processes in den Pflanzen und dadurch ein größeres oder
geringeres Abweichen in den Formen hervorrufen *). Beide Verhält-
nisse finden sich unter den Tropen zusammen, weil sie von einan-
der abhängig sind, denn die durch feuchtwarme Atmosphäre hervor-
gerufene üppigere Pflanzenwelt bereitet durch ihr Absterben und rasches
Verwesen einen an leicht löslichen unorganischen Substanzen reicheren
Boden für die folgende Generation. Aehnliche Verhältnisse, das heißt
größeren Reichthum an löslichen unorganischen Stoffen, zeigt auch
unser gedüngtes Culturland, und die Alpenregion, welche von den
am meisten der Verwitterung preisgegebenen nackten höheren Felsen
beständig mit einem Reichthum auflöslicher Verwitterungsproducte
versorgt wird **). Wir wissen ferner, daß einmal gebildete Spielarten,

*) Man vergleiche die siebente Vorlesung.
**) Es wird Niemand bestreiten können, daß sich die Alpenpflanzen in einem
größeren Formenreichthum darstellen und Reihen der auffallendsten Spielarten bilden,
wenn man nur einen Blick auf ein Handbuch über eine genauer durchforschte Flora
wirft. Nicht so augenfällig möchte es für das Culturland seyn und ich erwähne daher
hier noch kurz Folgendes: Unter den deutschen Pflanzenfamilien sind es besonders
die Gänsefußarten und Melden (Chenopodeen und Atripliceen), welche auf Schutt,
Composthaufen und in Gärten, also recht eigentlich unter dem unvermeidlichen Ein-
fluß der durch unsre Cultur gegebenen Bedingungen wachsen und keinem Pflanzen-
kenner ist es unbekannt, in welchem Reichthum von Formen und Spielarten gerade
die Meisten dieser Pflanzen abändern. Nehmen wir aus der am besten und sorgfäl-
tigsten gearbeiteten Flora von Deutschland diejenigen Pflanzengeschlechter heraus, die
am meisten feststehende Arten zeigen, dabei aber zugleich einige Arten umfassen, welche
ganz entschieden unter den Einflüssen unserer Cultur vegetiren, so zeigt sich uns so-
gleich, daß diese letztern ausschließlich oder doch vorzugsweise in einem Reichthum
von Formenspielen vorkommen, wobei sie mehr oder minder sich von dem Haupt-
character ihrer Art entfernen. Ich nenne beispielsweise als solche Arten: Thalic-

aus der noch jetzt uns umgebenden Pflanzenwelt, da viele der
einfacher gebauten Pflanzen, zumal der Waſſerpflanzen, aus
einer einzelnen Zelle beſtehen und ſich unter einander nur durch die
verſchiedene Form der Zellen unterſcheiden. Die Hauptbedingungen
zu einer üppigen und formenreichen Pflanzenwelt unter den Tropen
ſind Feuchtigkeit und Wärme, die Urſachen ihrer Mannigfaltigkeit
ſcheinen in dem Reichthum des Bodens an leicht auflöslichen unor-
ganiſchen Stoffen zu liegen, welche zunächſt eine Abänderung des
chemiſchen Proceſſes in den Pflanzen und dadurch ein größeres oder
geringeres Abweichen in den Formen hervorrufen *). Beide Verhält-
niſſe finden ſich unter den Tropen zuſammen, weil ſie von einan-
der abhängig ſind, denn die durch feuchtwarme Atmoſphäre hervor-
gerufene üppigere Pflanzenwelt bereitet durch ihr Abſterben und raſches
Verweſen einen an leicht löslichen unorganiſchen Subſtanzen reicheren
Boden für die folgende Generation. Aehnliche Verhältniſſe, das heißt
größeren Reichthum an löslichen unorganiſchen Stoffen, zeigt auch
unſer gedüngtes Culturland, und die Alpenregion, welche von den
am meiſten der Verwitterung preisgegebenen nackten höheren Felſen
beſtändig mit einem Reichthum auflöslicher Verwitterungsproducte
verſorgt wird **). Wir wiſſen ferner, daß einmal gebildete Spielarten,

*) Man vergleiche die ſiebente Vorleſung.
**) Es wird Niemand beſtreiten können, daß ſich die Alpenpflanzen in einem
größeren Formenreichthum darſtellen und Reihen der auffallendſten Spielarten bilden,
wenn man nur einen Blick auf ein Handbuch über eine genauer durchforſchte Flora
wirft. Nicht ſo augenfällig möchte es für das Culturland ſeyn und ich erwähne daher
hier noch kurz Folgendes: Unter den deutſchen Pflanzenfamilien ſind es beſonders
die Gänſefußarten und Melden (Chenopodeen und Atripliceen), welche auf Schutt,
Compoſthaufen und in Gärten, alſo recht eigentlich unter dem unvermeidlichen Ein-
fluß der durch unſre Cultur gegebenen Bedingungen wachſen und keinem Pflanzen-
kenner iſt es unbekannt, in welchem Reichthum von Formen und Spielarten gerade
die Meiſten dieſer Pflanzen abändern. Nehmen wir aus der am beſten und ſorgfäl-
tigſten gearbeiteten Flora von Deutſchland diejenigen Pflanzengeſchlechter heraus, die
am meiſten feſtſtehende Arten zeigen, dabei aber zugleich einige Arten umfaſſen, welche
ganz entſchieden unter den Einflüſſen unſerer Cultur vegetiren, ſo zeigt ſich uns ſo-
gleich, daß dieſe letztern ausſchließlich oder doch vorzugsweiſe in einem Reichthum
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[268/0284] aus der noch jetzt uns umgebenden Pflanzenwelt, da viele der einfacher gebauten Pflanzen, zumal der Waſſerpflanzen, aus einer einzelnen Zelle beſtehen und ſich unter einander nur durch die verſchiedene Form der Zellen unterſcheiden. Die Hauptbedingungen zu einer üppigen und formenreichen Pflanzenwelt unter den Tropen ſind Feuchtigkeit und Wärme, die Urſachen ihrer Mannigfaltigkeit ſcheinen in dem Reichthum des Bodens an leicht auflöslichen unor- ganiſchen Stoffen zu liegen, welche zunächſt eine Abänderung des chemiſchen Proceſſes in den Pflanzen und dadurch ein größeres oder geringeres Abweichen in den Formen hervorrufen *). Beide Verhält- niſſe finden ſich unter den Tropen zuſammen, weil ſie von einan- der abhängig ſind, denn die durch feuchtwarme Atmoſphäre hervor- gerufene üppigere Pflanzenwelt bereitet durch ihr Abſterben und raſches Verweſen einen an leicht löslichen unorganiſchen Subſtanzen reicheren Boden für die folgende Generation. Aehnliche Verhältniſſe, das heißt größeren Reichthum an löslichen unorganiſchen Stoffen, zeigt auch unſer gedüngtes Culturland, und die Alpenregion, welche von den am meiſten der Verwitterung preisgegebenen nackten höheren Felſen beſtändig mit einem Reichthum auflöslicher Verwitterungsproducte verſorgt wird **). Wir wiſſen ferner, daß einmal gebildete Spielarten, *) Man vergleiche die ſiebente Vorleſung. **) Es wird Niemand beſtreiten können, daß ſich die Alpenpflanzen in einem größeren Formenreichthum darſtellen und Reihen der auffallendſten Spielarten bilden, wenn man nur einen Blick auf ein Handbuch über eine genauer durchforſchte Flora wirft. Nicht ſo augenfällig möchte es für das Culturland ſeyn und ich erwähne daher hier noch kurz Folgendes: Unter den deutſchen Pflanzenfamilien ſind es beſonders die Gänſefußarten und Melden (Chenopodeen und Atripliceen), welche auf Schutt, Compoſthaufen und in Gärten, alſo recht eigentlich unter dem unvermeidlichen Ein- fluß der durch unſre Cultur gegebenen Bedingungen wachſen und keinem Pflanzen- kenner iſt es unbekannt, in welchem Reichthum von Formen und Spielarten gerade die Meiſten dieſer Pflanzen abändern. Nehmen wir aus der am beſten und ſorgfäl- tigſten gearbeiteten Flora von Deutſchland diejenigen Pflanzengeſchlechter heraus, die am meiſten feſtſtehende Arten zeigen, dabei aber zugleich einige Arten umfaſſen, welche ganz entſchieden unter den Einflüſſen unſerer Cultur vegetiren, ſo zeigt ſich uns ſo- gleich, daß dieſe letztern ausſchließlich oder doch vorzugsweiſe in einem Reichthum von Formenſpielen vorkommen, wobei ſie mehr oder minder ſich von dem Haupt- character ihrer Art entfernen. Ich nenne beiſpielsweiſe als ſolche Arten: Thalic-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/284>, abgerufen am 21.11.2024.