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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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der Wasserfall anfänglich, das heißt schon am Ende aller sogenannten
Erdrevolutionen und Sündfluthen, sein Wasser über den Rand der Ter-
rasse selbst herabgeschüttet und erst allmälig sich jene Schlucht ausge-
waschen habe. Dazu bedurfte es aber eines Zeitraums von minde-
stens 20,000 Jahren und so lange zum Wenigsten also besteht Nord-
america schon in seiner jetzigen Configuration und unter denselben
physicalischen Verhältnissen. Ein anderes ähnliches Beispiel ist schon
oben bei den Steinkohlen angeführt worden, und es wäre leicht die
Nachweise zu vermehren, daß der Zeitraum, den wir mit prahlerischer
Selbstgefälligkeit die Weltgeschichte zu nennen belieben, kaum die
letzte flüchtige Minute in der unendlich langen Lebensgeschichte unseres
winzigen Planeten ist.

Erinnern wir uns nun der oben gegebenen Skitze der sich fol-
genden Vegetationsepochen, so sehen wir, daß die Pflanzenwelt im
Wasser mit den einfachsten Formen und gerade in der Familie be-
ginnt, wo am häufigsten noch jetzt eine einzelne Zelle die ganze Pflanze
vorstellt. Hieran schließen sich in den folgenden Perioden dann die
anderen Pflanzengruppen, indem sie in einer Reihefolge auftreten,
die ihrer immer höheren Organisation, d. h. ihrem immer mannig-
faltigeren Lebensproceß nach, dem mannigfaltiger und verwickelter wer-
denden physicalischen Bedingungen entspricht. So folgen auf die sten-
gellosen Kryptogamen, die mit Stamm und Blättern Versehenen.
Dann mischen sich die Gymnosporen (Nadelhölzer und Cyca-
deen)
ein, ihnen folgen die Monocotyledonen und endlich erschei-
nen auch die Dicotyledonen. So unvollständig auch die uns er-
haltenen Acten sind, so wenig wir auch noch davon entziffert haben,
so finden wir doch in keiner Periode das Auftreten einer ganz neuen
Schöpfung, sondern immer schließen sich die organischen Wesen in
den untersten Gliedern einer Periode denen der obersten Glieder der
Vorhergehenden in der Weise an, daß sie wenigstens denselben Haupt-
typus wiederholen, ja wir können noch mehr sagen, wenn auch Ge-
schlechter und Arten, ja selbst Pflanzenfamilien von der Erde ver-
schwunden sind, so findet sich doch selbst unter den ältesten Ueber-

der Waſſerfall anfänglich, das heißt ſchon am Ende aller ſogenannten
Erdrevolutionen und Sündfluthen, ſein Waſſer über den Rand der Ter-
raſſe ſelbſt herabgeſchüttet und erſt allmälig ſich jene Schlucht ausge-
waſchen habe. Dazu bedurfte es aber eines Zeitraums von minde-
ſtens 20,000 Jahren und ſo lange zum Wenigſten alſo beſteht Nord-
america ſchon in ſeiner jetzigen Configuration und unter denſelben
phyſicaliſchen Verhältniſſen. Ein anderes ähnliches Beiſpiel iſt ſchon
oben bei den Steinkohlen angeführt worden, und es wäre leicht die
Nachweiſe zu vermehren, daß der Zeitraum, den wir mit prahleriſcher
Selbſtgefälligkeit die Weltgeſchichte zu nennen belieben, kaum die
letzte flüchtige Minute in der unendlich langen Lebensgeſchichte unſeres
winzigen Planeten iſt.

Erinnern wir uns nun der oben gegebenen Skitze der ſich fol-
genden Vegetationsepochen, ſo ſehen wir, daß die Pflanzenwelt im
Waſſer mit den einfachſten Formen und gerade in der Familie be-
ginnt, wo am häufigſten noch jetzt eine einzelne Zelle die ganze Pflanze
vorſtellt. Hieran ſchließen ſich in den folgenden Perioden dann die
anderen Pflanzengruppen, indem ſie in einer Reihefolge auftreten,
die ihrer immer höheren Organiſation, d. h. ihrem immer mannig-
faltigeren Lebensproceß nach, dem mannigfaltiger und verwickelter wer-
denden phyſicaliſchen Bedingungen entſpricht. So folgen auf die ſten-
gelloſen Kryptogamen, die mit Stamm und Blättern Verſehenen.
Dann miſchen ſich die Gymnoſporen (Nadelhölzer und Cyca-
deen)
ein, ihnen folgen die Monocotyledonen und endlich erſchei-
nen auch die Dicotyledonen. So unvollſtändig auch die uns er-
haltenen Acten ſind, ſo wenig wir auch noch davon entziffert haben,
ſo finden wir doch in keiner Periode das Auftreten einer ganz neuen
Schöpfung, ſondern immer ſchließen ſich die organiſchen Weſen in
den unterſten Gliedern einer Periode denen der oberſten Glieder der
Vorhergehenden in der Weiſe an, daß ſie wenigſtens denſelben Haupt-
typus wiederholen, ja wir können noch mehr ſagen, wenn auch Ge-
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[270/0286] der Waſſerfall anfänglich, das heißt ſchon am Ende aller ſogenannten Erdrevolutionen und Sündfluthen, ſein Waſſer über den Rand der Ter- raſſe ſelbſt herabgeſchüttet und erſt allmälig ſich jene Schlucht ausge- waſchen habe. Dazu bedurfte es aber eines Zeitraums von minde- ſtens 20,000 Jahren und ſo lange zum Wenigſten alſo beſteht Nord- america ſchon in ſeiner jetzigen Configuration und unter denſelben phyſicaliſchen Verhältniſſen. Ein anderes ähnliches Beiſpiel iſt ſchon oben bei den Steinkohlen angeführt worden, und es wäre leicht die Nachweiſe zu vermehren, daß der Zeitraum, den wir mit prahleriſcher Selbſtgefälligkeit die Weltgeſchichte zu nennen belieben, kaum die letzte flüchtige Minute in der unendlich langen Lebensgeſchichte unſeres winzigen Planeten iſt. Erinnern wir uns nun der oben gegebenen Skitze der ſich fol- genden Vegetationsepochen, ſo ſehen wir, daß die Pflanzenwelt im Waſſer mit den einfachſten Formen und gerade in der Familie be- ginnt, wo am häufigſten noch jetzt eine einzelne Zelle die ganze Pflanze vorſtellt. Hieran ſchließen ſich in den folgenden Perioden dann die anderen Pflanzengruppen, indem ſie in einer Reihefolge auftreten, die ihrer immer höheren Organiſation, d. h. ihrem immer mannig- faltigeren Lebensproceß nach, dem mannigfaltiger und verwickelter wer- denden phyſicaliſchen Bedingungen entſpricht. So folgen auf die ſten- gelloſen Kryptogamen, die mit Stamm und Blättern Verſehenen. Dann miſchen ſich die Gymnoſporen (Nadelhölzer und Cyca- deen) ein, ihnen folgen die Monocotyledonen und endlich erſchei- nen auch die Dicotyledonen. So unvollſtändig auch die uns er- haltenen Acten ſind, ſo wenig wir auch noch davon entziffert haben, ſo finden wir doch in keiner Periode das Auftreten einer ganz neuen Schöpfung, ſondern immer ſchließen ſich die organiſchen Weſen in den unterſten Gliedern einer Periode denen der oberſten Glieder der Vorhergehenden in der Weiſe an, daß ſie wenigſtens denſelben Haupt- typus wiederholen, ja wir können noch mehr ſagen, wenn auch Ge- ſchlechter und Arten, ja ſelbſt Pflanzenfamilien von der Erde ver- ſchwunden ſind, ſo findet ſich doch ſelbſt unter den älteſten Ueber-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/286>, abgerufen am 21.11.2024.