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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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auch durch die Cultur noch so sehr verfeinerten und übertünchten Be-
dürfnissen von der Natur Befriedigung fordert. -- Schon höher er-
scheint die Bedeutung der Pflanzenwelt für die Regulirung zahlreicher
und umfassender physicalischer Processe an der Erde. Die Gluth der
africanischen Wüste, ihre dürre Regenlosigkeit und die Lebensfülle der
Urwälder mit ihren Wolkenbruch ähnlichen Sturzregen, erhalten ihren
eigenthümlichen Character durch die Pflanzenwelt. Feuchtigkeit und
Trockenheit der Atmosphäre, Wärme und Kälte des Bodens, Gleich-
förmigkeit oder schroffer Wechsel im Clima und dergleichen mehr, und
vor Allem das Leben der Thiere und endlich des Menschen im Großen
sind bedingt durch die Ueppigkeit und Art der Vegetation. Diese
Bedeutung des Pflanzenlebens bezieht sich nicht auf das einzelne arm-
selige Individuum, sondern auf ganze Länder und Völkergebiete, auf
zahlreiche einander folgende Generationen, bei denen Möglichkeit und
Leichtigkeit des Lebens an die Formation der Pflanzenwelt im Großen
geknüpft ist. -- Endlich zeigt sich eine dritte Seite, welche die Pflan-
zenwelt uns zuzuwenden vermag, ohne Frage die Edelste und Höchste.
Sie ist so gut wie alle andere Natur Symbol des Ewigen; wir
ehren hinter diesem Spiel todter Naturkräfte und seiner Producte einen
heiligen Urheber und Lenker. Die Pflanzenwelt ist die reiche Altar-
decke im Tempel Gottes, in welchem Anerkennung der Schönheit und
Erhabenheit die Form des Cultus ausmacht. --

Und der Mensch der Pflanzenwelt gegenüber? Mannigfach ver-
ändernd hat er eingegriffen und die großen Phasen seiner Geschichte
sind auch auf dem grünen Blatte der Vegetation verzeichnet. Aber
wie hat er gewirthschaftet? Ei, die Culturgeschichte wird uns ant-
worten: "Trefflich; er hat das rohe ungefüge Material der Natur
durch weise Pflege erst zu jenen köstlichen Gaben gemacht, als welche
es jetzt erscheint." Nun ja, wir wollen ihm den Ruhm nicht abstreiten,
daß da, wo Eigennutz und thierisches Bedürfniß ihn trieben sich
wohl der Einzelne auf seinen Vortheil verstanden hat, aber dann mit
Mitmenschen und Nachwelt nur gezwungen durch Naturgesetze den
erlangten Vortheil theilend. Hingegen da, wo kein augenblicklicher

auch durch die Cultur noch ſo ſehr verfeinerten und übertünchten Be-
dürfniſſen von der Natur Befriedigung fordert. — Schon höher er-
ſcheint die Bedeutung der Pflanzenwelt für die Regulirung zahlreicher
und umfaſſender phyſicaliſcher Proceſſe an der Erde. Die Gluth der
africaniſchen Wüſte, ihre dürre Regenloſigkeit und die Lebensfülle der
Urwälder mit ihren Wolkenbruch ähnlichen Sturzregen, erhalten ihren
eigenthümlichen Character durch die Pflanzenwelt. Feuchtigkeit und
Trockenheit der Atmoſphäre, Wärme und Kälte des Bodens, Gleich-
förmigkeit oder ſchroffer Wechſel im Clima und dergleichen mehr, und
vor Allem das Leben der Thiere und endlich des Menſchen im Großen
ſind bedingt durch die Ueppigkeit und Art der Vegetation. Dieſe
Bedeutung des Pflanzenlebens bezieht ſich nicht auf das einzelne arm-
ſelige Individuum, ſondern auf ganze Länder und Völkergebiete, auf
zahlreiche einander folgende Generationen, bei denen Möglichkeit und
Leichtigkeit des Lebens an die Formation der Pflanzenwelt im Großen
geknüpft iſt. — Endlich zeigt ſich eine dritte Seite, welche die Pflan-
zenwelt uns zuzuwenden vermag, ohne Frage die Edelſte und Höchſte.
Sie iſt ſo gut wie alle andere Natur Symbol des Ewigen; wir
ehren hinter dieſem Spiel todter Naturkräfte und ſeiner Producte einen
heiligen Urheber und Lenker. Die Pflanzenwelt iſt die reiche Altar-
decke im Tempel Gottes, in welchem Anerkennung der Schönheit und
Erhabenheit die Form des Cultus ausmacht. —

Und der Menſch der Pflanzenwelt gegenüber? Mannigfach ver-
ändernd hat er eingegriffen und die großen Phaſen ſeiner Geſchichte
ſind auch auf dem grünen Blatte der Vegetation verzeichnet. Aber
wie hat er gewirthſchaftet? Ei, die Culturgeſchichte wird uns ant-
worten: „Trefflich; er hat das rohe ungefüge Material der Natur
durch weiſe Pflege erſt zu jenen köſtlichen Gaben gemacht, als welche
es jetzt erſcheint.“ Nun ja, wir wollen ihm den Ruhm nicht abſtreiten,
daß da, wo Eigennutz und thieriſches Bedürfniß ihn trieben ſich
wohl der Einzelne auf ſeinen Vortheil verſtanden hat, aber dann mit
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[272/0288] auch durch die Cultur noch ſo ſehr verfeinerten und übertünchten Be- dürfniſſen von der Natur Befriedigung fordert. — Schon höher er- ſcheint die Bedeutung der Pflanzenwelt für die Regulirung zahlreicher und umfaſſender phyſicaliſcher Proceſſe an der Erde. Die Gluth der africaniſchen Wüſte, ihre dürre Regenloſigkeit und die Lebensfülle der Urwälder mit ihren Wolkenbruch ähnlichen Sturzregen, erhalten ihren eigenthümlichen Character durch die Pflanzenwelt. Feuchtigkeit und Trockenheit der Atmoſphäre, Wärme und Kälte des Bodens, Gleich- förmigkeit oder ſchroffer Wechſel im Clima und dergleichen mehr, und vor Allem das Leben der Thiere und endlich des Menſchen im Großen ſind bedingt durch die Ueppigkeit und Art der Vegetation. Dieſe Bedeutung des Pflanzenlebens bezieht ſich nicht auf das einzelne arm- ſelige Individuum, ſondern auf ganze Länder und Völkergebiete, auf zahlreiche einander folgende Generationen, bei denen Möglichkeit und Leichtigkeit des Lebens an die Formation der Pflanzenwelt im Großen geknüpft iſt. — Endlich zeigt ſich eine dritte Seite, welche die Pflan- zenwelt uns zuzuwenden vermag, ohne Frage die Edelſte und Höchſte. Sie iſt ſo gut wie alle andere Natur Symbol des Ewigen; wir ehren hinter dieſem Spiel todter Naturkräfte und ſeiner Producte einen heiligen Urheber und Lenker. Die Pflanzenwelt iſt die reiche Altar- decke im Tempel Gottes, in welchem Anerkennung der Schönheit und Erhabenheit die Form des Cultus ausmacht. — Und der Menſch der Pflanzenwelt gegenüber? Mannigfach ver- ändernd hat er eingegriffen und die großen Phaſen ſeiner Geſchichte ſind auch auf dem grünen Blatte der Vegetation verzeichnet. Aber wie hat er gewirthſchaftet? Ei, die Culturgeſchichte wird uns ant- worten: „Trefflich; er hat das rohe ungefüge Material der Natur durch weiſe Pflege erſt zu jenen köſtlichen Gaben gemacht, als welche es jetzt erſcheint.“ Nun ja, wir wollen ihm den Ruhm nicht abſtreiten, daß da, wo Eigennutz und thieriſches Bedürfniß ihn trieben ſich wohl der Einzelne auf ſeinen Vortheil verſtanden hat, aber dann mit Mitmenſchen und Nachwelt nur gezwungen durch Naturgeſetze den erlangten Vortheil theilend. Hingegen da, wo kein augenblicklicher

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/288>, abgerufen am 21.11.2024.