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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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selbst auf die Juden und Christen in Cairo übergegangen ist, hängt
sicher auf eigenthümliche Weise mit der Entstehung der Pilgerschaft
nach Mecca und mit der Natur dieser Pflanze zusammen, aber das
Wie ist uns unbekannt.

Manche der früher gebräuchlichen Bilder und Symbole haben
sich auch im Laufe der Zeit umgestaltet, andere sind an ihre Stelle
getreten, wenn genauere Naturbeobachtung zeigte, daß sie den zu be-
zeichnenden Gedanken schärfer und prägnanter aussprachen. Ja oft
möchte man in solchen Vertauschungen den strafenden Volkswitz ver-
muthen. Die alte deutsche Mannstreue *) ist zwar eine etwas
derbe, auch rauhe und stachliche Pflanze aber dauerhaft in Gestalt
und unverwüstlich ächt in Farbe, was man dagegen heut zu Tage
Männertreue **) nennt ist ein kleines blaues Blümchen, das kaum
gepflückt schon abfällt, dessen allerdings verlockend schöne Farbe schon
nach wenig Stunden an der Sonne verbleicht.

Doch wozu noch diese einzelnen Anführungen häufen, da jeder
Gebildete, der einigermaßen mit dem Geiste seiner Muttersprache ver-
traut ist, dieser Bilder aus dem Pflanzenleben sich zu Tausenden aus
seinen Sagen, Mährchen und Dichtungen erinnern wird. --

Wichtiger und interessanter möchte es vielleicht seyn, mehr im
Großen die Elemente der Pflanzenwelt aufzusuchen, welche die Vermitt-
ler des ästhetischen Eindrucks sind. Hier treten uns nun wieder zwei
verschiedene Aufgaben entgegen. Was uns im Großen in der Natur
entzückt, die als ein Ganzes zusammengefaßten Naturerscheinungen,
mit einem Wort die Landschaft, ist eben eine Mosaik einzelner auch
für sich bestehender und für sich bedeutungsvoller Theile. Wald und
Wiese, in einer Gegend sich gegenseitig hebend durch den Contrast
und so die Schönheit derselben bedingend, sind auch für sich, ohne
Rücksicht auf den Antheil den sie an der Zusammensetzung des größern
Ganzen nehmen, characteristische Bildungen der Pflanzenwelt und
jede auf eine besondere Weise aus einzelnen Pflanzenarten zu einem

*) Eryngium.
**) Veronica chamaedrys.

ſelbſt auf die Juden und Chriſten in Cairo übergegangen iſt, hängt
ſicher auf eigenthümliche Weiſe mit der Entſtehung der Pilgerſchaft
nach Mecca und mit der Natur dieſer Pflanze zuſammen, aber das
Wie iſt uns unbekannt.

Manche der früher gebräuchlichen Bilder und Symbole haben
ſich auch im Laufe der Zeit umgeſtaltet, andere ſind an ihre Stelle
getreten, wenn genauere Naturbeobachtung zeigte, daß ſie den zu be-
zeichnenden Gedanken ſchärfer und prägnanter ausſprachen. Ja oft
möchte man in ſolchen Vertauſchungen den ſtrafenden Volkswitz ver-
muthen. Die alte deutſche Mannstreue *) iſt zwar eine etwas
derbe, auch rauhe und ſtachliche Pflanze aber dauerhaft in Geſtalt
und unverwüſtlich ächt in Farbe, was man dagegen heut zu Tage
Männertreue **) nennt iſt ein kleines blaues Blümchen, das kaum
gepflückt ſchon abfällt, deſſen allerdings verlockend ſchöne Farbe ſchon
nach wenig Stunden an der Sonne verbleicht.

Doch wozu noch dieſe einzelnen Anführungen häufen, da jeder
Gebildete, der einigermaßen mit dem Geiſte ſeiner Mutterſprache ver-
traut iſt, dieſer Bilder aus dem Pflanzenleben ſich zu Tauſenden aus
ſeinen Sagen, Mährchen und Dichtungen erinnern wird. —

Wichtiger und intereſſanter möchte es vielleicht ſeyn, mehr im
Großen die Elemente der Pflanzenwelt aufzuſuchen, welche die Vermitt-
ler des äſthetiſchen Eindrucks ſind. Hier treten uns nun wieder zwei
verſchiedene Aufgaben entgegen. Was uns im Großen in der Natur
entzückt, die als ein Ganzes zuſammengefaßten Naturerſcheinungen,
mit einem Wort die Landſchaft, iſt eben eine Moſaik einzelner auch
für ſich beſtehender und für ſich bedeutungsvoller Theile. Wald und
Wieſe, in einer Gegend ſich gegenſeitig hebend durch den Contraſt
und ſo die Schönheit derſelben bedingend, ſind auch für ſich, ohne
Rückſicht auf den Antheil den ſie an der Zuſammenſetzung des größern
Ganzen nehmen, characteriſtiſche Bildungen der Pflanzenwelt und
jede auf eine beſondere Weiſe aus einzelnen Pflanzenarten zu einem

*) Eryngium.
**) Veronica chamaedrys.
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[299/0315] ſelbſt auf die Juden und Chriſten in Cairo übergegangen iſt, hängt ſicher auf eigenthümliche Weiſe mit der Entſtehung der Pilgerſchaft nach Mecca und mit der Natur dieſer Pflanze zuſammen, aber das Wie iſt uns unbekannt. Manche der früher gebräuchlichen Bilder und Symbole haben ſich auch im Laufe der Zeit umgeſtaltet, andere ſind an ihre Stelle getreten, wenn genauere Naturbeobachtung zeigte, daß ſie den zu be- zeichnenden Gedanken ſchärfer und prägnanter ausſprachen. Ja oft möchte man in ſolchen Vertauſchungen den ſtrafenden Volkswitz ver- muthen. Die alte deutſche Mannstreue *) iſt zwar eine etwas derbe, auch rauhe und ſtachliche Pflanze aber dauerhaft in Geſtalt und unverwüſtlich ächt in Farbe, was man dagegen heut zu Tage Männertreue **) nennt iſt ein kleines blaues Blümchen, das kaum gepflückt ſchon abfällt, deſſen allerdings verlockend ſchöne Farbe ſchon nach wenig Stunden an der Sonne verbleicht. Doch wozu noch dieſe einzelnen Anführungen häufen, da jeder Gebildete, der einigermaßen mit dem Geiſte ſeiner Mutterſprache ver- traut iſt, dieſer Bilder aus dem Pflanzenleben ſich zu Tauſenden aus ſeinen Sagen, Mährchen und Dichtungen erinnern wird. — Wichtiger und intereſſanter möchte es vielleicht ſeyn, mehr im Großen die Elemente der Pflanzenwelt aufzuſuchen, welche die Vermitt- ler des äſthetiſchen Eindrucks ſind. Hier treten uns nun wieder zwei verſchiedene Aufgaben entgegen. Was uns im Großen in der Natur entzückt, die als ein Ganzes zuſammengefaßten Naturerſcheinungen, mit einem Wort die Landſchaft, iſt eben eine Moſaik einzelner auch für ſich beſtehender und für ſich bedeutungsvoller Theile. Wald und Wieſe, in einer Gegend ſich gegenſeitig hebend durch den Contraſt und ſo die Schönheit derſelben bedingend, ſind auch für ſich, ohne Rückſicht auf den Antheil den ſie an der Zuſammenſetzung des größern Ganzen nehmen, characteriſtiſche Bildungen der Pflanzenwelt und jede auf eine beſondere Weiſe aus einzelnen Pflanzenarten zu einem *) Eryngium. **) Veronica chamaedrys.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/315>, abgerufen am 21.11.2024.