lende Krone dem ersehnten Element, dort schwingt der erwachte Vo- gel sein buntes Gefieder durch die blauen Lüste; -- Kosend um- schwärmt der schillernde Schmetterling die liebliche Rose und auf bräunlichem Moose kriecht emsig der smaragd-glänzende Käfer her- bei, um seinen Durst am funkelnden Thautropfen zu stillen. Eine ganze, volle, schöne Welt des Lichtes und Glanzes, der Farben und Gestalten liegt vor uns ausgebreitet, jede Bewegung ist Leben, ist Schönheit und schön in ihrer Freiheit. "Ich sehe das Alles", sagt der Mensch und dankt entzückt dem Geber alles Guten. -- Aber was heißt dieses Sehen? Es ist nicht ein Wahrnehmen dessen, was außer ihm wirklich vorhanden ist. Es ist eine zauberhafte Phantasmagorie, die sich der Geist selbst vorführt, in freiem Schaf- fen und dabei nur auf wunderbare Weise geleitet und gebunden durch das, was außer ihm wirklich ist, ohne daß er dieser Wirklich- keit selbst sich bewußt würde.
Wenn der Reisende auf dem Meere die niederen Breiten er- reicht, so taucht vor ihm am fernen Horizonte in einer von uns kaum geahnten Pracht am tief dunkeln Himmel die majestätische Ge- stalt des südlichen Kreuzes auf. "Preis und Dank dem allmächtigen Schöpfer" ruft er aus und Anbetung zieht ihn fast unwiderstehlich auf seine Kniee nieder. -- Wohl gebürt dem heiligen Urquell al- ler Wesen dieser Dank, aber nicht dafür, daß er die Welt so schön gemacht, denn diese ist an sich weder schön noch häßlich, sondern da- für, daß er, wie die alte Sage erzählt, dem Menschen seinen Geist einhauchte und ihm so die Gabe verlieh, alles was ihn berührt als Leben, Freiheit, Schönheit zu empfinden.
So himmelweit wie diese beiden Skitzen liegen Körperwelt und Geisteswelt auseinander. Wenn uns das frische Grün des Früh- lings mit freudiger Hoffnung erfüllt, wenn das gelbe fallende Blatt des Herbstes uns mit Wehmuth wie ein Abschiedsgruß durchzuckt, so ist das Blatt für uns grün und gelb und in diesen Farben Sinn- bild moralischer Beziehungen, für sich, für den Baum, der es trägt, für die Erde, auf die es herabsinkt, mit einem Wort in der körper-
lende Krone dem erſehnten Element, dort ſchwingt der erwachte Vo- gel ſein buntes Gefieder durch die blauen Lüſte; — Koſend um- ſchwärmt der ſchillernde Schmetterling die liebliche Roſe und auf bräunlichem Mooſe kriecht emſig der ſmaragd-glänzende Käfer her- bei, um ſeinen Durſt am funkelnden Thautropfen zu ſtillen. Eine ganze, volle, ſchöne Welt des Lichtes und Glanzes, der Farben und Geſtalten liegt vor uns ausgebreitet, jede Bewegung iſt Leben, iſt Schönheit und ſchön in ihrer Freiheit. „Ich ſehe das Alles“, ſagt der Menſch und dankt entzückt dem Geber alles Guten. — Aber was heißt dieſes Sehen? Es iſt nicht ein Wahrnehmen deſſen, was außer ihm wirklich vorhanden iſt. Es iſt eine zauberhafte Phantasmagorie, die ſich der Geiſt ſelbſt vorführt, in freiem Schaf- fen und dabei nur auf wunderbare Weiſe geleitet und gebunden durch das, was außer ihm wirklich iſt, ohne daß er dieſer Wirklich- keit ſelbſt ſich bewußt würde.
Wenn der Reiſende auf dem Meere die niederen Breiten er- reicht, ſo taucht vor ihm am fernen Horizonte in einer von uns kaum geahnten Pracht am tief dunkeln Himmel die majeſtätiſche Ge- ſtalt des ſüdlichen Kreuzes auf. „Preis und Dank dem allmächtigen Schöpfer“ ruft er aus und Anbetung zieht ihn faſt unwiderſtehlich auf ſeine Kniee nieder. — Wohl gebürt dem heiligen Urquell al- ler Weſen dieſer Dank, aber nicht dafür, daß er die Welt ſo ſchön gemacht, denn dieſe iſt an ſich weder ſchön noch häßlich, ſondern da- für, daß er, wie die alte Sage erzählt, dem Menſchen ſeinen Geiſt einhauchte und ihm ſo die Gabe verlieh, alles was ihn berührt als Leben, Freiheit, Schönheit zu empfinden.
So himmelweit wie dieſe beiden Skitzen liegen Körperwelt und Geiſteswelt auseinander. Wenn uns das friſche Grün des Früh- lings mit freudiger Hoffnung erfüllt, wenn das gelbe fallende Blatt des Herbſtes uns mit Wehmuth wie ein Abſchiedsgruß durchzuckt, ſo iſt das Blatt für uns grün und gelb und in dieſen Farben Sinn- bild moraliſcher Beziehungen, für ſich, für den Baum, der es trägt, für die Erde, auf die es herabſinkt, mit einem Wort in der körper-
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lende Krone dem erſehnten Element, dort ſchwingt der erwachte Vo-
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ſchwärmt der ſchillernde Schmetterling die liebliche Roſe und auf
bräunlichem Mooſe kriecht emſig der ſmaragd-glänzende Käfer her-
bei, um ſeinen Durſt am funkelnden Thautropfen zu ſtillen. Eine
ganze, volle, ſchöne Welt des Lichtes und Glanzes, der Farben und
Geſtalten liegt vor uns ausgebreitet, jede Bewegung iſt Leben, iſt
Schönheit und ſchön in ihrer Freiheit. „Ich ſehe das Alles“,
ſagt der Menſch und dankt entzückt dem Geber alles Guten. —
Aber was heißt dieſes Sehen? Es iſt nicht ein Wahrnehmen deſſen,
was außer ihm wirklich vorhanden iſt. Es iſt eine zauberhafte
Phantasmagorie, die ſich der Geiſt ſelbſt vorführt, in freiem Schaf-
fen und dabei nur auf wunderbare Weiſe geleitet und gebunden
durch das, was außer ihm wirklich iſt, ohne daß er dieſer Wirklich-
keit ſelbſt ſich bewußt würde.
Wenn der Reiſende auf dem Meere die niederen Breiten er-
reicht, ſo taucht vor ihm am fernen Horizonte in einer von uns
kaum geahnten Pracht am tief dunkeln Himmel die majeſtätiſche Ge-
ſtalt des ſüdlichen Kreuzes auf. „Preis und Dank dem allmächtigen
Schöpfer“ ruft er aus und Anbetung zieht ihn faſt unwiderſtehlich
auf ſeine Kniee nieder. — Wohl gebürt dem heiligen Urquell al-
ler Weſen dieſer Dank, aber nicht dafür, daß er die Welt ſo ſchön
gemacht, denn dieſe iſt an ſich weder ſchön noch häßlich, ſondern da-
für, daß er, wie die alte Sage erzählt, dem Menſchen ſeinen Geiſt
einhauchte und ihm ſo die Gabe verlieh, alles was ihn berührt als
Leben, Freiheit, Schönheit zu empfinden.
So himmelweit wie dieſe beiden Skitzen liegen Körperwelt und
Geiſteswelt auseinander. Wenn uns das friſche Grün des Früh-
lings mit freudiger Hoffnung erfüllt, wenn das gelbe fallende Blatt
des Herbſtes uns mit Wehmuth wie ein Abſchiedsgruß durchzuckt, ſo
iſt das Blatt für uns grün und gelb und in dieſen Farben Sinn-
bild moraliſcher Beziehungen, für ſich, für den Baum, der es trägt,
für die Erde, auf die es herabſinkt, mit einem Wort in der körper-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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