lichen Natur hat das Blatt keine Farbe sondern es enthielt einen Stoff der gewisse Lichtwellen zurückwarf die dann in unser Auge ge- langten, es giebt im Herbste einige Atome Sauerstoff ab und die- selben Lichtwellen gehen jetzt ungehindert durch ihn durch, während er Wellen anderer Beschaffenheit reflectirt.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei diesem Beispiel. Bringen wir das frisch grünende Blatt auf unsere Zunge und kosten wir später das entfärbte des Herbstes so zeigt uns der Sinn sogleich den Unterschied in der chemischen Natur beider Zustände an, aber es entsteht dadurch keine Vorstellung der Farbe in uns. Zerknicken wir vor unserm Ohr ein frisches, ein getrocknetes Blatt, so wird durch den verschiedenen Ton uns angedeutet, daß das Blatt seines Was- sers beraubt ist, aber Nichts sagt uns dabei, daß auch das Licht in anderer Weise vom frischen wie vom trocknen Blatte zurückgeworfen werde. Mit einem Worte, wir finden, daß jeder unserer Sinne nur für ganz bestimmte äußere Einflüsse empfänglich ist und daß die Er- regung jedes Sinnes in unserer Seele ganz andere Vorstellungen hervorruft. -- So stehen zwischen jener äußern seelenlosen Welt, welche uns nur durch die Wissenschaft erschlossen und zugänglich wird, und der schönen Welt in der wir geistig uns finden, die Sin- nesorgane als Vermittler. Sie sind es, welche zuerst die Eindrücke empfangen, sie sind es, welche diese Anregungen dem Geiste über- liefern, Anregungen, nach deren Anleitung sich der Geist sein Welt- gemälde in Farben und Gestalten ausführt. Und suchen wir nun nach dem Wesentlichen dieser Sinnesorgane -- der verständig aus- geführte Knochenbau so fest und so beweglich zugleich, der kräftige Muskel, der durch seine Zusammenziehung jenes Hebelwerk der Knochen in Bewegung setzt, das Herz mit seinen zahlreichen Röhren, den Adern, ein meisterhaft ausgeführtes Pumpenwerk, welches die ernährende Flüssigkeit, das Blut, durch alle Theile treibt, der ganze verwickelte Bau von Behältern und Canälen in denen Nahrungsstoffe aufgenommen, in mannigfacher Weise chemisch zersetzt und wieder anders verbunden, hier dem Blute beigemischt, dort als unbrauch-
Schleiden, Pflanze. 2
lichen Natur hat das Blatt keine Farbe ſondern es enthielt einen Stoff der gewiſſe Lichtwellen zurückwarf die dann in unſer Auge ge- langten, es giebt im Herbſte einige Atome Sauerſtoff ab und die- ſelben Lichtwellen gehen jetzt ungehindert durch ihn durch, während er Wellen anderer Beſchaffenheit reflectirt.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dieſem Beiſpiel. Bringen wir das friſch grünende Blatt auf unſere Zunge und koſten wir ſpäter das entfärbte des Herbſtes ſo zeigt uns der Sinn ſogleich den Unterſchied in der chemiſchen Natur beider Zuſtände an, aber es entſteht dadurch keine Vorſtellung der Farbe in uns. Zerknicken wir vor unſerm Ohr ein friſches, ein getrocknetes Blatt, ſo wird durch den verſchiedenen Ton uns angedeutet, daß das Blatt ſeines Waſ- ſers beraubt iſt, aber Nichts ſagt uns dabei, daß auch das Licht in anderer Weiſe vom friſchen wie vom trocknen Blatte zurückgeworfen werde. Mit einem Worte, wir finden, daß jeder unſerer Sinne nur für ganz beſtimmte äußere Einflüſſe empfänglich iſt und daß die Er- regung jedes Sinnes in unſerer Seele ganz andere Vorſtellungen hervorruft. — So ſtehen zwiſchen jener äußern ſeelenloſen Welt, welche uns nur durch die Wiſſenſchaft erſchloſſen und zugänglich wird, und der ſchönen Welt in der wir geiſtig uns finden, die Sin- nesorgane als Vermittler. Sie ſind es, welche zuerſt die Eindrücke empfangen, ſie ſind es, welche dieſe Anregungen dem Geiſte über- liefern, Anregungen, nach deren Anleitung ſich der Geiſt ſein Welt- gemälde in Farben und Geſtalten ausführt. Und ſuchen wir nun nach dem Weſentlichen dieſer Sinnesorgane — der verſtändig aus- geführte Knochenbau ſo feſt und ſo beweglich zugleich, der kräftige Muskel, der durch ſeine Zuſammenziehung jenes Hebelwerk der Knochen in Bewegung ſetzt, das Herz mit ſeinen zahlreichen Röhren, den Adern, ein meiſterhaft ausgeführtes Pumpenwerk, welches die ernährende Flüſſigkeit, das Blut, durch alle Theile treibt, der ganze verwickelte Bau von Behältern und Canälen in denen Nahrungsſtoffe aufgenommen, in mannigfacher Weiſe chemiſch zerſetzt und wieder anders verbunden, hier dem Blute beigemiſcht, dort als unbrauch-
Schleiden, Pflanze. 2
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lichen Natur hat das Blatt keine Farbe ſondern es enthielt einen
Stoff der gewiſſe Lichtwellen zurückwarf die dann in unſer Auge ge-
langten, es giebt im Herbſte einige Atome Sauerſtoff ab und die-
ſelben Lichtwellen gehen jetzt ungehindert durch ihn durch, während
er Wellen anderer Beſchaffenheit reflectirt.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dieſem Beiſpiel.
Bringen wir das friſch grünende Blatt auf unſere Zunge und koſten
wir ſpäter das entfärbte des Herbſtes ſo zeigt uns der Sinn ſogleich
den Unterſchied in der chemiſchen Natur beider Zuſtände an, aber es
entſteht dadurch keine Vorſtellung der Farbe in uns. Zerknicken wir
vor unſerm Ohr ein friſches, ein getrocknetes Blatt, ſo wird durch
den verſchiedenen Ton uns angedeutet, daß das Blatt ſeines Waſ-
ſers beraubt iſt, aber Nichts ſagt uns dabei, daß auch das Licht in
anderer Weiſe vom friſchen wie vom trocknen Blatte zurückgeworfen
werde. Mit einem Worte, wir finden, daß jeder unſerer Sinne nur
für ganz beſtimmte äußere Einflüſſe empfänglich iſt und daß die Er-
regung jedes Sinnes in unſerer Seele ganz andere Vorſtellungen
hervorruft. — So ſtehen zwiſchen jener äußern ſeelenloſen Welt,
welche uns nur durch die Wiſſenſchaft erſchloſſen und zugänglich
wird, und der ſchönen Welt in der wir geiſtig uns finden, die Sin-
nesorgane als Vermittler. Sie ſind es, welche zuerſt die Eindrücke
empfangen, ſie ſind es, welche dieſe Anregungen dem Geiſte über-
liefern, Anregungen, nach deren Anleitung ſich der Geiſt ſein Welt-
gemälde in Farben und Geſtalten ausführt. Und ſuchen wir nun
nach dem Weſentlichen dieſer Sinnesorgane — der verſtändig aus-
geführte Knochenbau ſo feſt und ſo beweglich zugleich, der kräftige
Muskel, der durch ſeine Zuſammenziehung jenes Hebelwerk der
Knochen in Bewegung ſetzt, das Herz mit ſeinen zahlreichen Röhren,
den Adern, ein meiſterhaft ausgeführtes Pumpenwerk, welches die
ernährende Flüſſigkeit, das Blut, durch alle Theile treibt, der ganze
verwickelte Bau von Behältern und Canälen in denen Nahrungsſtoffe
aufgenommen, in mannigfacher Weiſe chemiſch zerſetzt und wieder
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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