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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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in kleinere zu zerfällen erlauben, und vorzugsweise wird die An-
schauung gewinnen, wenn uns ein größerer Vorrath solcher künst-
lerischer Darstellungen vorliegt, wie sie mit unnachahmlicher Treue
Baron von Kittlitz in seinen Vegetationsansichten geliefert hat.

Am Meisten des Studiums werth, aber noch fast gänzlich un-
beachtet und unerforscht ist die Seite dieser Pflanzenformen, welche
sich dem Menschen, seiner Bildungsgeschichte, seiner Lebensansicht
zuwendet. Hier gewinnen diese Typen der Natur erst ihre höhere
Bedeutung und werden für den Psychologen, den Ethnographen
fast noch wichtiger als für den Pflanzenforscher. Daß sich anders die
Weltanschauung Dem gestalten muß, der seine ersten Eindrücke von
den ernsten wintergrünen Fichtenwäldern Schwedens erhielt, anders
Dem, der in den nebelfeuchten Hochmooren und Haiden Schottlands
aufwuchs und wieder anders bei Jenem, den von seiner Kindheit an
das glänzende Laub der Lorbeeren und Myrten unter dem heitern
griechischen Himmel umgab, liegt scheinbar zu nahe, um der Er-
wähnung zu bedürfen, und doch läßt sich die daraus hervorgehende
Lebensanschauung leichter herausfühlen als mit Worten klar und
deutlich entwickeln. So wie bei der Mythologie, so ist auch hier
die lebensvollste und fruchtbarste Seite noch gar nicht erforscht wor-
den; gleichwohl können wir es als allgemeinen Satz geltend machen:
es giebt keine Disciplin, die sich irgendwie auf irdische Verhältnisse
bezieht oder in solchen verwirklicht wird, die ohne naturwissenschaft-
liche Grundlage je etwas Anderes als todte Wortgelehrsamkeit oder
unwahre Phantasterei sein und werden könnte. Des Menschen Seele
versteht man nicht ohne ihre Verbindung mit dem Körper und diesen
nicht ohne seine Abhängigkeit von der ganzen Natur und was gäbe
es außerdem noch, was Gegenstand der Wissenschaft werden
könnte.

Diesen Einfluß, den insbesondere auch die Pflanzenwelt auf
die Entwickelung des Menschen geltend macht, zeigen jene Pflanzen-
formen aber nicht für sich, sondern vielmehr erst in und durch ihre
Verbindung zu den schon genannten Pflanzenformationen.

in kleinere zu zerfällen erlauben, und vorzugsweiſe wird die An-
ſchauung gewinnen, wenn uns ein größerer Vorrath ſolcher künſt-
leriſcher Darſtellungen vorliegt, wie ſie mit unnachahmlicher Treue
Baron von Kittlitz in ſeinen Vegetationsanſichten geliefert hat.

Am Meiſten des Studiums werth, aber noch faſt gänzlich un-
beachtet und unerforſcht iſt die Seite dieſer Pflanzenformen, welche
ſich dem Menſchen, ſeiner Bildungsgeſchichte, ſeiner Lebensanſicht
zuwendet. Hier gewinnen dieſe Typen der Natur erſt ihre höhere
Bedeutung und werden für den Pſychologen, den Ethnographen
faſt noch wichtiger als für den Pflanzenforſcher. Daß ſich anders die
Weltanſchauung Dem geſtalten muß, der ſeine erſten Eindrücke von
den ernſten wintergrünen Fichtenwäldern Schwedens erhielt, anders
Dem, der in den nebelfeuchten Hochmooren und Haiden Schottlands
aufwuchs und wieder anders bei Jenem, den von ſeiner Kindheit an
das glänzende Laub der Lorbeeren und Myrten unter dem heitern
griechiſchen Himmel umgab, liegt ſcheinbar zu nahe, um der Er-
wähnung zu bedürfen, und doch läßt ſich die daraus hervorgehende
Lebensanſchauung leichter herausfühlen als mit Worten klar und
deutlich entwickeln. So wie bei der Mythologie, ſo iſt auch hier
die lebensvollſte und fruchtbarſte Seite noch gar nicht erforſcht wor-
den; gleichwohl können wir es als allgemeinen Satz geltend machen:
es giebt keine Disciplin, die ſich irgendwie auf irdiſche Verhältniſſe
bezieht oder in ſolchen verwirklicht wird, die ohne naturwiſſenſchaft-
liche Grundlage je etwas Anderes als todte Wortgelehrſamkeit oder
unwahre Phantaſterei ſein und werden könnte. Des Menſchen Seele
verſteht man nicht ohne ihre Verbindung mit dem Körper und dieſen
nicht ohne ſeine Abhängigkeit von der ganzen Natur und was gäbe
es außerdem noch, was Gegenſtand der Wiſſenſchaft werden
könnte.

Dieſen Einfluß, den insbeſondere auch die Pflanzenwelt auf
die Entwickelung des Menſchen geltend macht, zeigen jene Pflanzen-
formen aber nicht für ſich, ſondern vielmehr erſt in und durch ihre
Verbindung zu den ſchon genannten Pflanzenformationen.

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[311/0327] in kleinere zu zerfällen erlauben, und vorzugsweiſe wird die An- ſchauung gewinnen, wenn uns ein größerer Vorrath ſolcher künſt- leriſcher Darſtellungen vorliegt, wie ſie mit unnachahmlicher Treue Baron von Kittlitz in ſeinen Vegetationsanſichten geliefert hat. Am Meiſten des Studiums werth, aber noch faſt gänzlich un- beachtet und unerforſcht iſt die Seite dieſer Pflanzenformen, welche ſich dem Menſchen, ſeiner Bildungsgeſchichte, ſeiner Lebensanſicht zuwendet. Hier gewinnen dieſe Typen der Natur erſt ihre höhere Bedeutung und werden für den Pſychologen, den Ethnographen faſt noch wichtiger als für den Pflanzenforſcher. Daß ſich anders die Weltanſchauung Dem geſtalten muß, der ſeine erſten Eindrücke von den ernſten wintergrünen Fichtenwäldern Schwedens erhielt, anders Dem, der in den nebelfeuchten Hochmooren und Haiden Schottlands aufwuchs und wieder anders bei Jenem, den von ſeiner Kindheit an das glänzende Laub der Lorbeeren und Myrten unter dem heitern griechiſchen Himmel umgab, liegt ſcheinbar zu nahe, um der Er- wähnung zu bedürfen, und doch läßt ſich die daraus hervorgehende Lebensanſchauung leichter herausfühlen als mit Worten klar und deutlich entwickeln. So wie bei der Mythologie, ſo iſt auch hier die lebensvollſte und fruchtbarſte Seite noch gar nicht erforſcht wor- den; gleichwohl können wir es als allgemeinen Satz geltend machen: es giebt keine Disciplin, die ſich irgendwie auf irdiſche Verhältniſſe bezieht oder in ſolchen verwirklicht wird, die ohne naturwiſſenſchaft- liche Grundlage je etwas Anderes als todte Wortgelehrſamkeit oder unwahre Phantaſterei ſein und werden könnte. Des Menſchen Seele verſteht man nicht ohne ihre Verbindung mit dem Körper und dieſen nicht ohne ſeine Abhängigkeit von der ganzen Natur und was gäbe es außerdem noch, was Gegenſtand der Wiſſenſchaft werden könnte. Dieſen Einfluß, den insbeſondere auch die Pflanzenwelt auf die Entwickelung des Menſchen geltend macht, zeigen jene Pflanzen- formen aber nicht für ſich, ſondern vielmehr erſt in und durch ihre Verbindung zu den ſchon genannten Pflanzenformationen.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/327>, abgerufen am 21.11.2024.