Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.struppigen hochaufschießenden Kräuter, die wegen ihres holzigen *) Scholkowoi Truwa (das Seidenkraut) in einigen Gegenden Deutschlands
Federgras genannt, Stipa pennata. ſtruppigen hochaufſchießenden Kräuter, die wegen ihres holzigen *) Scholkowoi Truwa (das Seidenkraut) in einigen Gegenden Deutſchlands
Federgras genannt, Stipa pennata. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0342" n="326"/> ſtruppigen hochaufſchießenden Kräuter, die wegen ihres holzigen<lb/> Stengels keine Nahrung für die Steppenheerden ſind. Unter den<lb/> Gräſern bildet das <hi rendition="#g">Federgras</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Scholkowoi Truwa</hi> (das Seidenkraut) in einigen Gegenden Deutſchlands<lb/> Federgras genannt, <hi rendition="#aq">Stipa pennata.</hi></note> die Hauptpflanze. Gleich nach<lb/> der Blüthe ſtreckt es ſeine langen zartgefiederten Grannen, den fein-<lb/> ſten <hi rendition="#g">Maraboutfedern</hi> nicht unähnlich, aus der Aehre heraus, ſich<lb/> weit über die Büſchel ſchmaler, dürrer Grasblätter erhebend. Je älter<lb/> die Steppe, deſto höher entwickelt ſich der holzige Wurzelſtock über<lb/> den Boden, zum Aerger der mähenden Bauern. Wer nur wenige<lb/> Meilen in der Steppe gereiſt iſt hört ſchon das Wort <hi rendition="#g">Burian</hi>. Auf<lb/> den <hi rendition="#g">Burian</hi> ſchilt der Hirt mit ſeinen Rindern und Pferden, über<lb/> den <hi rendition="#g">Burian</hi> jammert der Ackerbauer, der <hi rendition="#g">Burian</hi> iſt der Fluch des<lb/> Gärtners und der Troſt der Köchin. Denn bei dem für gewiſſe<lb/> Pflanzen, wir nennen ſie Unkräuter, eigenthümlich fruchtbaren Boden<lb/> der Steppe ſchießen dieſe bis zu einer unglaublichen Höhe heran,<lb/> wo irgend die Cultur den feſten Boden, den ſie meiden, gelockert hat<lb/> und ihr einziger Nutzen iſt der, daß ſie im Herbſte abgedörrt zugleich<lb/> das einzige Brennmaterial in dieſer öden Gegend liefern. Vor allen<lb/> zeichnen ſich, wie in den Pampas von <hi rendition="#g">Buenos-Ayres</hi>, auch hier<lb/> die <hi rendition="#g">Diſteln</hi> aus, die bis zu einer Größe, Entwicklung und Verzwei-<lb/> gung kommen, die in der That bewundernswürdig iſt. Oft ſtehen ſie<lb/> kleinen Bäumen gleich neben den niedrigen Erdhütten des Landmanns,<lb/> oft bilden ſie auf günſtigen Bodenſtellen ausgedehnte Gebüſche, ſelbſt<lb/> den Reiter zu Pferde überragend, der in ihm rathloſer iſt, wie im<lb/> Walde, da ſie jeden Umblick verhindern und doch keinen Stamm dar-<lb/> bieten, den man erklettern könnte. Neben der <hi rendition="#g">Diſtel</hi> erhebt ſich<lb/> mannshoch der <hi rendition="#g">Wermuth</hi> untermiſcht mit der rieſenmäßigen <hi rendition="#g">Kö-<lb/> nigskerze</hi>, dem „Steppenlicht“ der Kleinruſſen. Selbſt die kleine<lb/><hi rendition="#g">Schaafgarbe</hi> wird mehrere Fuß hoch und wird nicht gering ge-<lb/> ſchätzt, da ſie von dem bei ärmlichem Vorrath die Hitzkraft des <hi rendition="#g">Burian</hi><lb/> ſorgfältig prüfenden Bewohner als das beſte Brennmaterial geſchätzt<lb/> wird. Von allen Pflanzen des <hi rendition="#g">Burian</hi> iſt aber die characteriſtiſchſte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [326/0342]
ſtruppigen hochaufſchießenden Kräuter, die wegen ihres holzigen
Stengels keine Nahrung für die Steppenheerden ſind. Unter den
Gräſern bildet das Federgras *) die Hauptpflanze. Gleich nach
der Blüthe ſtreckt es ſeine langen zartgefiederten Grannen, den fein-
ſten Maraboutfedern nicht unähnlich, aus der Aehre heraus, ſich
weit über die Büſchel ſchmaler, dürrer Grasblätter erhebend. Je älter
die Steppe, deſto höher entwickelt ſich der holzige Wurzelſtock über
den Boden, zum Aerger der mähenden Bauern. Wer nur wenige
Meilen in der Steppe gereiſt iſt hört ſchon das Wort Burian. Auf
den Burian ſchilt der Hirt mit ſeinen Rindern und Pferden, über
den Burian jammert der Ackerbauer, der Burian iſt der Fluch des
Gärtners und der Troſt der Köchin. Denn bei dem für gewiſſe
Pflanzen, wir nennen ſie Unkräuter, eigenthümlich fruchtbaren Boden
der Steppe ſchießen dieſe bis zu einer unglaublichen Höhe heran,
wo irgend die Cultur den feſten Boden, den ſie meiden, gelockert hat
und ihr einziger Nutzen iſt der, daß ſie im Herbſte abgedörrt zugleich
das einzige Brennmaterial in dieſer öden Gegend liefern. Vor allen
zeichnen ſich, wie in den Pampas von Buenos-Ayres, auch hier
die Diſteln aus, die bis zu einer Größe, Entwicklung und Verzwei-
gung kommen, die in der That bewundernswürdig iſt. Oft ſtehen ſie
kleinen Bäumen gleich neben den niedrigen Erdhütten des Landmanns,
oft bilden ſie auf günſtigen Bodenſtellen ausgedehnte Gebüſche, ſelbſt
den Reiter zu Pferde überragend, der in ihm rathloſer iſt, wie im
Walde, da ſie jeden Umblick verhindern und doch keinen Stamm dar-
bieten, den man erklettern könnte. Neben der Diſtel erhebt ſich
mannshoch der Wermuth untermiſcht mit der rieſenmäßigen Kö-
nigskerze, dem „Steppenlicht“ der Kleinruſſen. Selbſt die kleine
Schaafgarbe wird mehrere Fuß hoch und wird nicht gering ge-
ſchätzt, da ſie von dem bei ärmlichem Vorrath die Hitzkraft des Burian
ſorgfältig prüfenden Bewohner als das beſte Brennmaterial geſchätzt
wird. Von allen Pflanzen des Burian iſt aber die characteriſtiſchſte
*) Scholkowoi Truwa (das Seidenkraut) in einigen Gegenden Deutſchlands
Federgras genannt, Stipa pennata.
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