mannigfaltige, theils anders geformte, theils auf ihrer Oberfläche anders gezeichnete vor und wenn man sich eine Zeitlang mit diesen Untersuchungen beschäftigt hat, so erstaunt man über den unendlichen Reichthum von Gestalten, den die Natur hier noch in den unschein- barsten und winzigsten Theilen entwickelt hat. -- Gar manche haben sich, besonders in frühern Zeiten, wohl mit dieser Freude an zierlichen Bildern genügen lassen und kaum die Bedeutsamkeit microscopischer Untersuchungen für die Wissenschaft geahnt, wie schon die Titel so vieler im vorigen Jahrhundert erschienener Werke andeuten, z. B. Ledermüller microscopische Gemüths- und Augenergötzung (Nürnberg 1761), Rösel von Rosenhoffs Insectenbelustigungen (Nürnberg 1746 --61) u. s. w. -- Doch fehlte es auch schon früh nicht an Beobach- tern, welche den ganzen Ernst dieser Richtung in den naturwissen- schaftlichen Studien einsahen und wir haben sogar ein merkwürdiges Beispiel der Uebertreibung an Swammerdam, der in seinen letzten Lebensjahren einen großen Theil der durch die mühsamsten Unter- suchungen gewonnenen Resultate dem Feuer übergab, weil er meinte, der Schöpfer habe diese feinern Verhältnisse nicht ohne weise Absicht dem Menschen verborgen und es sey Frevel, die Geheimnisse Gottes zu profaniren. -- In der That würde man aber mit einer solchen Ansicht, wenn sie consequent durchgeführt würde, jeder Erhebung des Menschen über den rohesten fast thierischen Naturzustand in den Weg treten.
Es war unserm Jahrhundert vorbehalten das Microscop bei dem Studium der Natur in seine Rechte einzusetzen und es ist eine erfreu- liche Erscheinung zu betrachten, wie sich die Anwendung dieses In- struments immer mehr und mehr Eingang verschafft und wie in im- mer größern Kreisen die interessantesten Resultate durch dasselbe ge- wonnen werden.
Leicht begreiflich ist es, wie das Studium der Verhältnisse des feineren Baues der Thiere und selbst des Menschen ein ganz neues Licht auf die physiologischen Vorgänge im Körper werfen mußte und in der That kann man für alle Zweige der medicinischen Wissenschaf-
mannigfaltige, theils anders geformte, theils auf ihrer Oberfläche anders gezeichnete vor und wenn man ſich eine Zeitlang mit dieſen Unterſuchungen beſchäftigt hat, ſo erſtaunt man über den unendlichen Reichthum von Geſtalten, den die Natur hier noch in den unſchein- barſten und winzigſten Theilen entwickelt hat. — Gar manche haben ſich, beſonders in frühern Zeiten, wohl mit dieſer Freude an zierlichen Bildern genügen laſſen und kaum die Bedeutſamkeit microſcopiſcher Unterſuchungen für die Wiſſenſchaft geahnt, wie ſchon die Titel ſo vieler im vorigen Jahrhundert erſchienener Werke andeuten, z. B. Ledermüller microſcopiſche Gemüths- und Augenergötzung (Nürnberg 1761), Röſel von Roſenhoffs Inſectenbeluſtigungen (Nürnberg 1746 —61) u. ſ. w. — Doch fehlte es auch ſchon früh nicht an Beobach- tern, welche den ganzen Ernſt dieſer Richtung in den naturwiſſen- ſchaftlichen Studien einſahen und wir haben ſogar ein merkwürdiges Beiſpiel der Uebertreibung an Swammerdam, der in ſeinen letzten Lebensjahren einen großen Theil der durch die mühſamſten Unter- ſuchungen gewonnenen Reſultate dem Feuer übergab, weil er meinte, der Schöpfer habe dieſe feinern Verhältniſſe nicht ohne weiſe Abſicht dem Menſchen verborgen und es ſey Frevel, die Geheimniſſe Gottes zu profaniren. — In der That würde man aber mit einer ſolchen Anſicht, wenn ſie conſequent durchgeführt würde, jeder Erhebung des Menſchen über den roheſten faſt thieriſchen Naturzuſtand in den Weg treten.
Es war unſerm Jahrhundert vorbehalten das Microſcop bei dem Studium der Natur in ſeine Rechte einzuſetzen und es iſt eine erfreu- liche Erſcheinung zu betrachten, wie ſich die Anwendung dieſes In- ſtruments immer mehr und mehr Eingang verſchafft und wie in im- mer größern Kreiſen die intereſſanteſten Reſultate durch daſſelbe ge- wonnen werden.
Leicht begreiflich iſt es, wie das Studium der Verhältniſſe des feineren Baues der Thiere und ſelbſt des Menſchen ein ganz neues Licht auf die phyſiologiſchen Vorgänge im Körper werfen mußte und in der That kann man für alle Zweige der mediciniſchen Wiſſenſchaf-
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mannigfaltige, theils anders geformte, theils auf ihrer Oberfläche
anders gezeichnete vor und wenn man ſich eine Zeitlang mit dieſen
Unterſuchungen beſchäftigt hat, ſo erſtaunt man über den unendlichen
Reichthum von Geſtalten, den die Natur hier noch in den unſchein-
barſten und winzigſten Theilen entwickelt hat. — Gar manche haben
ſich, beſonders in frühern Zeiten, wohl mit dieſer Freude an zierlichen
Bildern genügen laſſen und kaum die Bedeutſamkeit microſcopiſcher
Unterſuchungen für die Wiſſenſchaft geahnt, wie ſchon die Titel ſo
vieler im vorigen Jahrhundert erſchienener Werke andeuten, z. B.
Ledermüller microſcopiſche Gemüths- und Augenergötzung (Nürnberg
1761), Röſel von Roſenhoffs Inſectenbeluſtigungen (Nürnberg 1746
—61) u. ſ. w. — Doch fehlte es auch ſchon früh nicht an Beobach-
tern, welche den ganzen Ernſt dieſer Richtung in den naturwiſſen-
ſchaftlichen Studien einſahen und wir haben ſogar ein merkwürdiges
Beiſpiel der Uebertreibung an Swammerdam, der in ſeinen letzten
Lebensjahren einen großen Theil der durch die mühſamſten Unter-
ſuchungen gewonnenen Reſultate dem Feuer übergab, weil er meinte,
der Schöpfer habe dieſe feinern Verhältniſſe nicht ohne weiſe Abſicht
dem Menſchen verborgen und es ſey Frevel, die Geheimniſſe Gottes
zu profaniren. — In der That würde man aber mit einer ſolchen
Anſicht, wenn ſie conſequent durchgeführt würde, jeder Erhebung des
Menſchen über den roheſten faſt thieriſchen Naturzuſtand in den Weg
treten.
Es war unſerm Jahrhundert vorbehalten das Microſcop bei dem
Studium der Natur in ſeine Rechte einzuſetzen und es iſt eine erfreu-
liche Erſcheinung zu betrachten, wie ſich die Anwendung dieſes In-
ſtruments immer mehr und mehr Eingang verſchafft und wie in im-
mer größern Kreiſen die intereſſanteſten Reſultate durch daſſelbe ge-
wonnen werden.
Leicht begreiflich iſt es, wie das Studium der Verhältniſſe des
feineren Baues der Thiere und ſelbſt des Menſchen ein ganz neues
Licht auf die phyſiologiſchen Vorgänge im Körper werfen mußte und
in der That kann man für alle Zweige der mediciniſchen Wiſſenſchaf-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/45>, abgerufen am 03.12.2024.
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