noch der Schmetterling Humboldt und seine Gefährten und noch weit über ihnen in unberechenbarer Höhe schwebte der riesige Condor. Selbst unter der festen Decke, die wir betreten, wühlt der Wurm seine dunkeln Gänge. Und diese ganze Masse des Lebendigen, der Mensch selbst nicht ausgeschlossen, lebt nur auf Kosten der schon fertigen or- ganischen Substanz, die ihm Pflanzen- und Thierwelt darbieten. Kein einziges lebendiges Geschöpf, welches wir dem Thierreich bei- zählen, kann sich durch unorganische Nahrung erhalten. Die wenigen Beispiele, die uns bekannt geworden, die Erde fressenden Otomaken, die Thonkugeln verschlingenden Neger, deren Humboldt gedenkt, die Beispiele, daß Menschen in Hungersnoth sogenanntes Bergmehl gegessen, oder, wie Ehrenberg kürzlich bei den Finnländern nachge- wiesen, die Kieselpanzer fossiler Infusorien verzehrt haben, sind durch genaue physiologische Forschungen dahin beschränkt, daß diese unor- ganischen Stoffe nicht als Nahrung, sondern nur als Abstumpfungs- mittel für den gereizten Zustand des Magens anzusehen sind.
Aber gehen wir in eine frühere Periode unserer Erde zurück, so zeigen sich Massen von lebenden Wesen, die früher unsern Erdball bevölkerten, von denen wir kaum uns einen Begriff machen können, und, worauf ich hier gleich aufmerksam machen will, fast nur Thiere, die auf vegetabilische Nahrung angewiesen waren. Die großen Heer- den von Mammuths, die die ausgedehnten Flächen Sibiriens durch- zogen, die zahllosen Ueberbleibsel riesengroßer Ochsen, Schaafe, Hirsche, Schweine und Tapire lassen uns auf einen ungeheuren Ver- brauch von Pflanzenmassen in früheren Zeiten der Erde schließen. Und doch ist Alles, was uns über die Zahl der größern Thiere der untergegangenen Welt aufklären kann, noch verschwindend klein gegen die Massen unscheinbarer Geschöpfe, die uns aufbewahrt sind. Die ganzen, theils noch bestehenden, theils durch spätere Fluthen zerstör- ten Bergketten, z. B. von Rügen bis zu den dänischen Inseln, die weißen Kreidefelsen, die England den Namen Albion gaben und die sich durch Frankreich bis ins südliche Spanien ziehen, die sämmtlichen Kreideberge Griechenlands, denen unter Anderm Creta seinen Namen
noch der Schmetterling Humboldt und ſeine Gefährten und noch weit über ihnen in unberechenbarer Höhe ſchwebte der rieſige Condor. Selbſt unter der feſten Decke, die wir betreten, wühlt der Wurm ſeine dunkeln Gänge. Und dieſe ganze Maſſe des Lebendigen, der Menſch ſelbſt nicht ausgeſchloſſen, lebt nur auf Koſten der ſchon fertigen or- ganiſchen Subſtanz, die ihm Pflanzen- und Thierwelt darbieten. Kein einziges lebendiges Geſchöpf, welches wir dem Thierreich bei- zählen, kann ſich durch unorganiſche Nahrung erhalten. Die wenigen Beiſpiele, die uns bekannt geworden, die Erde freſſenden Otomaken, die Thonkugeln verſchlingenden Neger, deren Humboldt gedenkt, die Beiſpiele, daß Menſchen in Hungersnoth ſogenanntes Bergmehl gegeſſen, oder, wie Ehrenberg kürzlich bei den Finnländern nachge- wieſen, die Kieſelpanzer foſſiler Infuſorien verzehrt haben, ſind durch genaue phyſiologiſche Forſchungen dahin beſchränkt, daß dieſe unor- ganiſchen Stoffe nicht als Nahrung, ſondern nur als Abſtumpfungs- mittel für den gereizten Zuſtand des Magens anzuſehen ſind.
Aber gehen wir in eine frühere Periode unſerer Erde zurück, ſo zeigen ſich Maſſen von lebenden Weſen, die früher unſern Erdball bevölkerten, von denen wir kaum uns einen Begriff machen können, und, worauf ich hier gleich aufmerkſam machen will, faſt nur Thiere, die auf vegetabiliſche Nahrung angewieſen waren. Die großen Heer- den von Mammuths, die die ausgedehnten Flächen Sibiriens durch- zogen, die zahlloſen Ueberbleibſel rieſengroßer Ochſen, Schaafe, Hirſche, Schweine und Tapire laſſen uns auf einen ungeheuren Ver- brauch von Pflanzenmaſſen in früheren Zeiten der Erde ſchließen. Und doch iſt Alles, was uns über die Zahl der größern Thiere der untergegangenen Welt aufklären kann, noch verſchwindend klein gegen die Maſſen unſcheinbarer Geſchöpfe, die uns aufbewahrt ſind. Die ganzen, theils noch beſtehenden, theils durch ſpätere Fluthen zerſtör- ten Bergketten, z. B. von Rügen bis zu den däniſchen Inſeln, die weißen Kreidefelſen, die England den Namen Albion gaben und die ſich durch Frankreich bis ins ſüdliche Spanien ziehen, die ſämmtlichen Kreideberge Griechenlands, denen unter Anderm Creta ſeinen Namen
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noch der Schmetterling Humboldt und ſeine Gefährten und noch weit
über ihnen in unberechenbarer Höhe ſchwebte der rieſige Condor.
Selbſt unter der feſten Decke, die wir betreten, wühlt der Wurm ſeine
dunkeln Gänge. Und dieſe ganze Maſſe des Lebendigen, der Menſch
ſelbſt nicht ausgeſchloſſen, lebt nur auf Koſten der ſchon fertigen or-
ganiſchen Subſtanz, die ihm Pflanzen- und Thierwelt darbieten.
Kein einziges lebendiges Geſchöpf, welches wir dem Thierreich bei-
zählen, kann ſich durch unorganiſche Nahrung erhalten. Die wenigen
Beiſpiele, die uns bekannt geworden, die Erde freſſenden Otomaken,
die Thonkugeln verſchlingenden Neger, deren Humboldt gedenkt, die
Beiſpiele, daß Menſchen in Hungersnoth ſogenanntes Bergmehl
gegeſſen, oder, wie Ehrenberg kürzlich bei den Finnländern nachge-
wieſen, die Kieſelpanzer foſſiler Infuſorien verzehrt haben, ſind durch
genaue phyſiologiſche Forſchungen dahin beſchränkt, daß dieſe unor-
ganiſchen Stoffe nicht als Nahrung, ſondern nur als Abſtumpfungs-
mittel für den gereizten Zuſtand des Magens anzuſehen ſind.
Aber gehen wir in eine frühere Periode unſerer Erde zurück, ſo
zeigen ſich Maſſen von lebenden Weſen, die früher unſern Erdball
bevölkerten, von denen wir kaum uns einen Begriff machen können,
und, worauf ich hier gleich aufmerkſam machen will, faſt nur Thiere,
die auf vegetabiliſche Nahrung angewieſen waren. Die großen Heer-
den von Mammuths, die die ausgedehnten Flächen Sibiriens durch-
zogen, die zahlloſen Ueberbleibſel rieſengroßer Ochſen, Schaafe,
Hirſche, Schweine und Tapire laſſen uns auf einen ungeheuren Ver-
brauch von Pflanzenmaſſen in früheren Zeiten der Erde ſchließen.
Und doch iſt Alles, was uns über die Zahl der größern Thiere der
untergegangenen Welt aufklären kann, noch verſchwindend klein gegen
die Maſſen unſcheinbarer Geſchöpfe, die uns aufbewahrt ſind. Die
ganzen, theils noch beſtehenden, theils durch ſpätere Fluthen zerſtör-
ten Bergketten, z. B. von Rügen bis zu den däniſchen Inſeln, die
weißen Kreidefelſen, die England den Namen Albion gaben und die
ſich durch Frankreich bis ins ſüdliche Spanien ziehen, die ſämmtlichen
Kreideberge Griechenlands, denen unter Anderm Creta ſeinen Namen
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/75>, abgerufen am 04.12.2024.
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