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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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verdankt, bestehen nach Ehrenbergs Untersuchungen nur aus den
Schaalen kleiner Muscheln und Schnecken, theils zerstört, theils
wohl erhalten. Ja wenden wir uns an die kleinsten Geschöpfe, die
die Natur aufweist, Wesen, die durch die Menge der Individuen das
ersetzen, was dem Einzelnen an Masse abgeht, Thierchen, die so klein,
dem unbewaffneten Auge fast unsichtbar, auch die meisten von ihnen
sind, doch einen wesentlichen Zweck im Leben der ganzen Natur er-
füllen, so erlahmt die Phantasie gänzlich an den nur in abstracten
Zahlen auszusprechenden Mengen. Großes Aufsehen hat mit Recht
Ehrenbergs Entdeckung der fossilen Infusorien gemacht, denn hier
versagt uns die Anschauung jedes Bild, um uns die Vorstellung sol-
cher Mengen erfaßbar näher zu bringen. In einem Cubikzoll des
Biliner Polirschiefers befinden sich in runder Zahl 41,000 Millionen
Thiere, das ganze Lager hat aber 8--10 Quadratmeilen Ausdeh-
nung und eine wechselnde Mächtigkeit von 2--15 Fuß.

Ueberblicken wir nun diese ganze Thierwelt specieller, so finden
wir zwei große Abtheilungen, je nachdem sich die Arten von Pflanzen
oder von Thieren nähren. Die letztern sind der Artenzahl nach bei
weitem die wenigsten und die einzelnen Arten zeigen eine geringe In-
dividuenzahl. Zahllos sind dagegen die Arten der Pflanzenfresser und
nach wenn auch übertriebenen Berechnungen neuerer Werke soll man
allein 560,000 Insectenarten, von denen der größte Theil zu den Pflan-
zenfressern gehört, als auf der Erde lebend und verbreitet annehmen
dürfen. Aber nicht genug, ganz allgemein sind auch alle Arten der
Pflanzenfresser an Individuenzahl den Fleischfressern überlegen. Alle
großen Pflanzenfresser leben gesellig in zahllosen Heerden und jeder
Controle sich entziehend sind besonders die Schwärme der Insecten,
die durch ihre Menge und ungeheure Gefräßigkeit das ersetzen, was
ihnen an körperlicher Größe abgeht; allein die deutsche Eiche muß 70
verschiedene Insecten ernähren.

Für alle diese hungrigen Gäste mußte die Natur den Tisch decken,
als sie die Pflanzen hervorrief, und wollte sie ihre eine Schöpfung,
die Thierwelt, nicht untergehen lassen, so mußte sie die Vermehrung

verdankt, beſtehen nach Ehrenbergs Unterſuchungen nur aus den
Schaalen kleiner Muſcheln und Schnecken, theils zerſtört, theils
wohl erhalten. Ja wenden wir uns an die kleinſten Geſchöpfe, die
die Natur aufweiſt, Weſen, die durch die Menge der Individuen das
erſetzen, was dem Einzelnen an Maſſe abgeht, Thierchen, die ſo klein,
dem unbewaffneten Auge faſt unſichtbar, auch die meiſten von ihnen
ſind, doch einen weſentlichen Zweck im Leben der ganzen Natur er-
füllen, ſo erlahmt die Phantaſie gänzlich an den nur in abſtracten
Zahlen auszuſprechenden Mengen. Großes Aufſehen hat mit Recht
Ehrenbergs Entdeckung der foſſilen Infuſorien gemacht, denn hier
verſagt uns die Anſchauung jedes Bild, um uns die Vorſtellung ſol-
cher Mengen erfaßbar näher zu bringen. In einem Cubikzoll des
Biliner Polirſchiefers befinden ſich in runder Zahl 41,000 Millionen
Thiere, das ganze Lager hat aber 8—10 Quadratmeilen Ausdeh-
nung und eine wechſelnde Mächtigkeit von 2—15 Fuß.

Ueberblicken wir nun dieſe ganze Thierwelt ſpecieller, ſo finden
wir zwei große Abtheilungen, je nachdem ſich die Arten von Pflanzen
oder von Thieren nähren. Die letztern ſind der Artenzahl nach bei
weitem die wenigſten und die einzelnen Arten zeigen eine geringe In-
dividuenzahl. Zahllos ſind dagegen die Arten der Pflanzenfreſſer und
nach wenn auch übertriebenen Berechnungen neuerer Werke ſoll man
allein 560,000 Inſectenarten, von denen der größte Theil zu den Pflan-
zenfreſſern gehört, als auf der Erde lebend und verbreitet annehmen
dürfen. Aber nicht genug, ganz allgemein ſind auch alle Arten der
Pflanzenfreſſer an Individuenzahl den Fleiſchfreſſern überlegen. Alle
großen Pflanzenfreſſer leben geſellig in zahlloſen Heerden und jeder
Controle ſich entziehend ſind beſonders die Schwärme der Inſecten,
die durch ihre Menge und ungeheure Gefräßigkeit das erſetzen, was
ihnen an körperlicher Größe abgeht; allein die deutſche Eiche muß 70
verſchiedene Inſecten ernähren.

Für alle dieſe hungrigen Gäſte mußte die Natur den Tiſch decken,
als ſie die Pflanzen hervorrief, und wollte ſie ihre eine Schöpfung,
die Thierwelt, nicht untergehen laſſen, ſo mußte ſie die Vermehrung

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[60/0076] verdankt, beſtehen nach Ehrenbergs Unterſuchungen nur aus den Schaalen kleiner Muſcheln und Schnecken, theils zerſtört, theils wohl erhalten. Ja wenden wir uns an die kleinſten Geſchöpfe, die die Natur aufweiſt, Weſen, die durch die Menge der Individuen das erſetzen, was dem Einzelnen an Maſſe abgeht, Thierchen, die ſo klein, dem unbewaffneten Auge faſt unſichtbar, auch die meiſten von ihnen ſind, doch einen weſentlichen Zweck im Leben der ganzen Natur er- füllen, ſo erlahmt die Phantaſie gänzlich an den nur in abſtracten Zahlen auszuſprechenden Mengen. Großes Aufſehen hat mit Recht Ehrenbergs Entdeckung der foſſilen Infuſorien gemacht, denn hier verſagt uns die Anſchauung jedes Bild, um uns die Vorſtellung ſol- cher Mengen erfaßbar näher zu bringen. In einem Cubikzoll des Biliner Polirſchiefers befinden ſich in runder Zahl 41,000 Millionen Thiere, das ganze Lager hat aber 8—10 Quadratmeilen Ausdeh- nung und eine wechſelnde Mächtigkeit von 2—15 Fuß. Ueberblicken wir nun dieſe ganze Thierwelt ſpecieller, ſo finden wir zwei große Abtheilungen, je nachdem ſich die Arten von Pflanzen oder von Thieren nähren. Die letztern ſind der Artenzahl nach bei weitem die wenigſten und die einzelnen Arten zeigen eine geringe In- dividuenzahl. Zahllos ſind dagegen die Arten der Pflanzenfreſſer und nach wenn auch übertriebenen Berechnungen neuerer Werke ſoll man allein 560,000 Inſectenarten, von denen der größte Theil zu den Pflan- zenfreſſern gehört, als auf der Erde lebend und verbreitet annehmen dürfen. Aber nicht genug, ganz allgemein ſind auch alle Arten der Pflanzenfreſſer an Individuenzahl den Fleiſchfreſſern überlegen. Alle großen Pflanzenfreſſer leben geſellig in zahlloſen Heerden und jeder Controle ſich entziehend ſind beſonders die Schwärme der Inſecten, die durch ihre Menge und ungeheure Gefräßigkeit das erſetzen, was ihnen an körperlicher Größe abgeht; allein die deutſche Eiche muß 70 verſchiedene Inſecten ernähren. Für alle dieſe hungrigen Gäſte mußte die Natur den Tiſch decken, als ſie die Pflanzen hervorrief, und wollte ſie ihre eine Schöpfung, die Thierwelt, nicht untergehen laſſen, ſo mußte ſie die Vermehrung

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/76>, abgerufen am 04.12.2024.