deres, in Beziehung auf erst zu stiftende (der Brief an die Römer), oder an ein noch unbestimmtes Publicum (Brief an die Hebräer). Zur ersten Rubrik gehören die meisten neutestamentlichen und sind in sofern eigentliche Briefe. Ein anderer bedeutender Unterschied liegt in der Composition selbst. Wenn die Anwendung der allge- meinen Regeln über die Verbindung um so schwieriger ist, je we- niger die Verbindung die eines organischen Ganzen ist, so ist die Auslegung der Briefe des N. T. in dieser Hinsicht immer schwie- rig, weil die Briefform an und für sich gar nicht zum Organi- schen neigt. Nur da ist Ausnahme zu erwarten, wo eine be- stimmte Aufgabe zu lösen ist, in welchem Falle der freie Erguß, der dem Briefe eigen ist, beschränkt wird. Daher in einigen Paulinischen Briefen selbst kein geringer Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Theile. In jenem ist durch die Verhältnisse ein bestimmtes postulirt, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Nach Verhältniß von Zeit und Raum folgt dann im zweiten Theile ein freierer Erguß. Oft sind diese Theile bestimmt unterschieden, oft nicht. Im Allgemeinen aber ist das hermeneutische Verfahren in jedem ein anderes. Im ersten Theile herrscht die organische Ver- knüpfung, im zweiten die freiere Aneinanderreihung und das Unverbundene.
In eigentlichen Briefen von freiem Erguß, wo also nur an- einandergereiht wird, ist die hermeneutische Behandlung der ver- bindenden Sprachelemente um so schwieriger, je weniger wir von demselben Briefsteller haben. Je mehr wir von ihm haben, desto eher läßt sich eine bestimmte Vorstellung gewinnen von seiner ganzen Art und Weise zu denken und Gedanken zu verbinden, worin dann der hermeneutische Schlüssel liegt. Beispiele der Schwierigkeit in diesem Stücke sind die 2 Petr. Briefe.
Eine Hauptschwierigkeit macht in diesem Theile der Ausle- gung die eigenthümliche Zusammensezung der neutest. Sprache aus zwei Sprachen von ganz verschiedener Natur. Die griechische reich an formellen Sprachelementen, an substantiellen oder Par- tikeln und an accidentiellen oder Beugungen; die hebräische arm
deres, in Beziehung auf erſt zu ſtiftende (der Brief an die Roͤmer), oder an ein noch unbeſtimmtes Publicum (Brief an die Hebraͤer). Zur erſten Rubrik gehoͤren die meiſten neuteſtamentlichen und ſind in ſofern eigentliche Briefe. Ein anderer bedeutender Unterſchied liegt in der Compoſition ſelbſt. Wenn die Anwendung der allge- meinen Regeln uͤber die Verbindung um ſo ſchwieriger iſt, je we- niger die Verbindung die eines organiſchen Ganzen iſt, ſo iſt die Auslegung der Briefe des N. T. in dieſer Hinſicht immer ſchwie- rig, weil die Briefform an und fuͤr ſich gar nicht zum Organi- ſchen neigt. Nur da iſt Ausnahme zu erwarten, wo eine be- ſtimmte Aufgabe zu loͤſen iſt, in welchem Falle der freie Erguß, der dem Briefe eigen iſt, beſchraͤnkt wird. Daher in einigen Pauliniſchen Briefen ſelbſt kein geringer Unterſchied zwiſchen dem erſten und zweiten Theile. In jenem iſt durch die Verhaͤltniſſe ein beſtimmtes poſtulirt, eine beſtimmte Aufgabe zu loͤſen. Nach Verhaͤltniß von Zeit und Raum folgt dann im zweiten Theile ein freierer Erguß. Oft ſind dieſe Theile beſtimmt unterſchieden, oft nicht. Im Allgemeinen aber iſt das hermeneutiſche Verfahren in jedem ein anderes. Im erſten Theile herrſcht die organiſche Ver- knuͤpfung, im zweiten die freiere Aneinanderreihung und das Unverbundene.
In eigentlichen Briefen von freiem Erguß, wo alſo nur an- einandergereiht wird, iſt die hermeneutiſche Behandlung der ver- bindenden Sprachelemente um ſo ſchwieriger, je weniger wir von demſelben Briefſteller haben. Je mehr wir von ihm haben, deſto eher laͤßt ſich eine beſtimmte Vorſtellung gewinnen von ſeiner ganzen Art und Weiſe zu denken und Gedanken zu verbinden, worin dann der hermeneutiſche Schluͤſſel liegt. Beiſpiele der Schwierigkeit in dieſem Stuͤcke ſind die 2 Petr. Briefe.
Eine Hauptſchwierigkeit macht in dieſem Theile der Ausle- gung die eigenthuͤmliche Zuſammenſezung der neuteſt. Sprache aus zwei Sprachen von ganz verſchiedener Natur. Die griechiſche reich an formellen Sprachelementen, an ſubſtantiellen oder Par- tikeln und an accidentiellen oder Beugungen; die hebraͤiſche arm
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deres, in Beziehung auf erſt zu ſtiftende (der Brief an die Roͤmer),
oder an ein noch unbeſtimmtes Publicum (Brief an die Hebraͤer).
Zur erſten Rubrik gehoͤren die meiſten neuteſtamentlichen und ſind
in ſofern eigentliche Briefe. Ein anderer bedeutender Unterſchied
liegt in der Compoſition ſelbſt. Wenn die Anwendung der allge-
meinen Regeln uͤber die Verbindung um ſo ſchwieriger iſt, je we-
niger die Verbindung die eines organiſchen Ganzen iſt, ſo iſt die
Auslegung der Briefe des N. T. in dieſer Hinſicht immer ſchwie-
rig, weil die Briefform an und fuͤr ſich gar nicht zum Organi-
ſchen neigt. Nur da iſt Ausnahme zu erwarten, wo eine be-
ſtimmte Aufgabe zu loͤſen iſt, in welchem Falle der freie Erguß,
der dem Briefe eigen iſt, beſchraͤnkt wird. Daher in einigen
Pauliniſchen Briefen ſelbſt kein geringer Unterſchied zwiſchen dem
erſten und zweiten Theile. In jenem iſt durch die Verhaͤltniſſe
ein beſtimmtes poſtulirt, eine beſtimmte Aufgabe zu loͤſen. Nach
Verhaͤltniß von Zeit und Raum folgt dann im zweiten Theile ein
freierer Erguß. Oft ſind dieſe Theile beſtimmt unterſchieden, oft
nicht. Im Allgemeinen aber iſt das hermeneutiſche Verfahren in
jedem ein anderes. Im erſten Theile herrſcht die organiſche Ver-
knuͤpfung, im zweiten die freiere Aneinanderreihung und das
Unverbundene.
In eigentlichen Briefen von freiem Erguß, wo alſo nur an-
einandergereiht wird, iſt die hermeneutiſche Behandlung der ver-
bindenden Sprachelemente um ſo ſchwieriger, je weniger wir von
demſelben Briefſteller haben. Je mehr wir von ihm haben, deſto
eher laͤßt ſich eine beſtimmte Vorſtellung gewinnen von ſeiner
ganzen Art und Weiſe zu denken und Gedanken zu verbinden,
worin dann der hermeneutiſche Schluͤſſel liegt. Beiſpiele der
Schwierigkeit in dieſem Stuͤcke ſind die 2 Petr. Briefe.
Eine Hauptſchwierigkeit macht in dieſem Theile der Ausle-
gung die eigenthuͤmliche Zuſammenſezung der neuteſt. Sprache
aus zwei Sprachen von ganz verſchiedener Natur. Die griechiſche
reich an formellen Sprachelementen, an ſubſtantiellen oder Par-
tikeln und an accidentiellen oder Beugungen; die hebraͤiſche arm
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/150>, abgerufen am 04.12.2024.
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