große Massen von Säzen in eine organische Verbindung zu brin- gen, die aber noch keine eigentliche periodische wird. Wir finden hier- von selbst bei Paulus eine Spur, nemlich in dem zu einem wahren Periodenbau nicht gedeihenden Gebrauch der Relativen, die er oft in einander schachtelt ohne periodische Verknüpfung. Aus seiner Lebendigkeit erklärt sich das nicht. Sondern seine Geläufigkeit im Griechischen muß nicht so groß gewesen sein, um wenn er nach Periodenbau strebte immer die rechte Form zu finden. Doch ist dieß nicht ganz so schlimm, wie man meint. Manche Schwierig- keit ist erst hineingebracht durch die in der recepta gemachte In- terpunktion. Man hat sich diese ganz wegzudenken, selbst die von Lachmann gemachte, um ganz frei und unabhängig zu sein. -- Ganz anders als bei Paulus ist das verfehlte Streben nach Pe- riodenbau bei den überwiegend hebraisirenden Schriftstellern. Hier ist es nur ein versuchter Übergang, der deutlich zeigt, daß ihnen zwar die Differenz der beiden Sprachen wohl zum Bewußtsein gekommen war, so daß sie das bloße Aneinanderreihen vermeiden wollten, aber auch daß sie das Wesen des Periodenbaues über- haupt noch nicht gefaßt hatten. Hier liegt für die Auslegung ein großes Hinderniß, in Betreff der Interpunktion, weil schwer zu bestimmen ist, was und wie der Schriftsteller hat verbinden wol- len. So entsteht der Schein einer Verworrenheit. Aber diese hat man nicht dem Denkvermögen des Schriftstellers zuzuschreiben, sondern wegen der fremden Sprache, worin er schreibt, muß man billigerweise voraussezen, daß sein Gedankenzustand besser ist, als sein Ausdruck.
Die Voraussezung einer früheren Zeit, daß weil die Schrift vom heiligen Geiste ausgegangen sei keine Unvollkommenheit in der neutest. Schreibart angenommen werden dürfe, hat wie sie selbst falsch ist auch zu falschen Maximen geführt, die leider oft noch jezt vorkommen und Einfluß haben. Diese falschen Maximen treten besonders in zwei Punkten hervor, einmal in Beziehung auf das Qualitative, das Verhältniß des Eigentlichen zu dem Uneigentlichen, Bildlichen, sodann in Beziehung auf das Quan-
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große Maſſen von Saͤzen in eine organiſche Verbindung zu brin- gen, die aber noch keine eigentliche periodiſche wird. Wir finden hier- von ſelbſt bei Paulus eine Spur, nemlich in dem zu einem wahren Periodenbau nicht gedeihenden Gebrauch der Relativen, die er oft in einander ſchachtelt ohne periodiſche Verknuͤpfung. Aus ſeiner Lebendigkeit erklaͤrt ſich das nicht. Sondern ſeine Gelaͤufigkeit im Griechiſchen muß nicht ſo groß geweſen ſein, um wenn er nach Periodenbau ſtrebte immer die rechte Form zu finden. Doch iſt dieß nicht ganz ſo ſchlimm, wie man meint. Manche Schwierig- keit iſt erſt hineingebracht durch die in der recepta gemachte In- terpunktion. Man hat ſich dieſe ganz wegzudenken, ſelbſt die von Lachmann gemachte, um ganz frei und unabhaͤngig zu ſein. — Ganz anders als bei Paulus iſt das verfehlte Streben nach Pe- riodenbau bei den uͤberwiegend hebraiſirenden Schriftſtellern. Hier iſt es nur ein verſuchter Übergang, der deutlich zeigt, daß ihnen zwar die Differenz der beiden Sprachen wohl zum Bewußtſein gekommen war, ſo daß ſie das bloße Aneinanderreihen vermeiden wollten, aber auch daß ſie das Weſen des Periodenbaues uͤber- haupt noch nicht gefaßt hatten. Hier liegt fuͤr die Auslegung ein großes Hinderniß, in Betreff der Interpunktion, weil ſchwer zu beſtimmen iſt, was und wie der Schriftſteller hat verbinden wol- len. So entſteht der Schein einer Verworrenheit. Aber dieſe hat man nicht dem Denkvermoͤgen des Schriftſtellers zuzuſchreiben, ſondern wegen der fremden Sprache, worin er ſchreibt, muß man billigerweiſe vorausſezen, daß ſein Gedankenzuſtand beſſer iſt, als ſein Ausdruck.
Die Vorausſezung einer fruͤheren Zeit, daß weil die Schrift vom heiligen Geiſte ausgegangen ſei keine Unvollkommenheit in der neuteſt. Schreibart angenommen werden duͤrfe, hat wie ſie ſelbſt falſch iſt auch zu falſchen Maximen gefuͤhrt, die leider oft noch jezt vorkommen und Einfluß haben. Dieſe falſchen Maximen treten beſonders in zwei Punkten hervor, einmal in Beziehung auf das Qualitative, das Verhaͤltniß des Eigentlichen zu dem Uneigentlichen, Bildlichen, ſodann in Beziehung auf das Quan-
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große Maſſen von Saͤzen in eine organiſche Verbindung zu brin-
gen, die aber noch keine eigentliche periodiſche wird. Wir finden hier-
von ſelbſt bei Paulus eine Spur, nemlich in dem zu einem wahren
Periodenbau nicht gedeihenden Gebrauch der Relativen, die er oft
in einander ſchachtelt ohne periodiſche Verknuͤpfung. Aus ſeiner
Lebendigkeit erklaͤrt ſich das nicht. Sondern ſeine Gelaͤufigkeit im
Griechiſchen muß nicht ſo groß geweſen ſein, um wenn er nach
Periodenbau ſtrebte immer die rechte Form zu finden. Doch iſt
dieß nicht ganz ſo ſchlimm, wie man meint. Manche Schwierig-
keit iſt erſt hineingebracht durch die in der recepta gemachte In-
terpunktion. Man hat ſich dieſe ganz wegzudenken, ſelbſt die von
Lachmann gemachte, um ganz frei und unabhaͤngig zu ſein. —
Ganz anders als bei Paulus iſt das verfehlte Streben nach Pe-
riodenbau bei den uͤberwiegend hebraiſirenden Schriftſtellern. Hier
iſt es nur ein verſuchter Übergang, der deutlich zeigt, daß ihnen
zwar die Differenz der beiden Sprachen wohl zum Bewußtſein
gekommen war, ſo daß ſie das bloße Aneinanderreihen vermeiden
wollten, aber auch daß ſie das Weſen des Periodenbaues uͤber-
haupt noch nicht gefaßt hatten. Hier liegt fuͤr die Auslegung ein
großes Hinderniß, in Betreff der Interpunktion, weil ſchwer zu
beſtimmen iſt, was und wie der Schriftſteller hat verbinden wol-
len. So entſteht der Schein einer Verworrenheit. Aber dieſe hat
man nicht dem Denkvermoͤgen des Schriftſtellers zuzuſchreiben,
ſondern wegen der fremden Sprache, worin er ſchreibt, muß man
billigerweiſe vorausſezen, daß ſein Gedankenzuſtand beſſer iſt, als
ſein Ausdruck.
Die Vorausſezung einer fruͤheren Zeit, daß weil die Schrift
vom heiligen Geiſte ausgegangen ſei keine Unvollkommenheit in
der neuteſt. Schreibart angenommen werden duͤrfe, hat wie ſie
ſelbſt falſch iſt auch zu falſchen Maximen gefuͤhrt, die leider oft
noch jezt vorkommen und Einfluß haben. Dieſe falſchen Maximen
treten beſonders in zwei Punkten hervor, einmal in Beziehung
auf das Qualitative, das Verhaͤltniß des Eigentlichen zu dem
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/155>, abgerufen am 04.12.2024.
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