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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

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ist nur erreicht in der Continuität. Wenn auch manches allein
grammatisch zu verstehen ist, so ist es doch nicht in seiner
Nothwendigkeit zu verstehen, die man nur inne wird, wenn
man die Genesis nie aus den Augen verliert.

3. Das ganze Ziel ist zu bezeichnen als vollkommenes
Verstehen des Styls.

Gewohnt sind wir unter Styl nur die Behandlung der
Sprache zu verstehen. Allein Gedanke und Sprache gehen
überall ineinander über, und die eigenthümliche Art den Gegenstand
aufzufassen geht in die Anordnung und somit auch in die
Sprachbehandlung über.

Da der Mensch immer in einer Mannigfaltigkeit von Vor-
stellungen ist, so ist jedes entstanden aus Aufnahme und Aus-
schließen. Ist aber dieses oder sonst etwas nicht aus der per-
sönlichen Eigenthümlichkeit hervorgegangen, sondern angelernt
oder angewöhnt, oder auf den Effekt gearbeitet, so ist das
Manier und manierirt ist immer schlechter Styl.

4. Jenes Ziel ist nur durch Annäherung zu erreichen.

Wir sind ohnerachtet aller Fortschritte noch weit davon ent-
fernt. Der Streit über Homer wäre sonst nicht möglich. Über
die drei Tragiker. Unvollkommenheit ihrer Unterscheidung.

Individuelle Anschauung ist nicht nur niemals erschöpft, son-
dern auch immer der Berichtigung fähig. Man sieht dieß auch
daraus, daß die beste Probe ohnstreitig die Nachahmung ist.
Da aber diese so selten gelingt, und die höhere Kritik noch
immer Verwechselungen ausgesezt ist, so müssen wir noch ziem-
lich weit von dem Ziele entfernt sein.

5. Vor dem Anfang der psychologischen (technischen)
Auslegung muß gegeben sein die Art, wie dem Verfasser der
Gegenstand und wie ihm die Sprache gegeben war, und was
man anderweitig von seiner eigenthümlichen Art und Weise
wissen kann.

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iſt nur erreicht in der Continuitaͤt. Wenn auch manches allein
grammatiſch zu verſtehen iſt, ſo iſt es doch nicht in ſeiner
Nothwendigkeit zu verſtehen, die man nur inne wird, wenn
man die Geneſis nie aus den Augen verliert.

3. Das ganze Ziel iſt zu bezeichnen als vollkommenes
Verſtehen des Styls.

Gewohnt ſind wir unter Styl nur die Behandlung der
Sprache zu verſtehen. Allein Gedanke und Sprache gehen
uͤberall ineinander uͤber, und die eigenthuͤmliche Art den Gegenſtand
aufzufaſſen geht in die Anordnung und ſomit auch in die
Sprachbehandlung uͤber.

Da der Menſch immer in einer Mannigfaltigkeit von Vor-
ſtellungen iſt, ſo iſt jedes entſtanden aus Aufnahme und Aus-
ſchließen. Iſt aber dieſes oder ſonſt etwas nicht aus der per-
ſoͤnlichen Eigenthuͤmlichkeit hervorgegangen, ſondern angelernt
oder angewoͤhnt, oder auf den Effekt gearbeitet, ſo iſt das
Manier und manierirt iſt immer ſchlechter Styl.

4. Jenes Ziel iſt nur durch Annaͤherung zu erreichen.

Wir ſind ohnerachtet aller Fortſchritte noch weit davon ent-
fernt. Der Streit uͤber Homer waͤre ſonſt nicht moͤglich. Über
die drei Tragiker. Unvollkommenheit ihrer Unterſcheidung.

Individuelle Anſchauung iſt nicht nur niemals erſchoͤpft, ſon-
dern auch immer der Berichtigung faͤhig. Man ſieht dieß auch
daraus, daß die beſte Probe ohnſtreitig die Nachahmung iſt.
Da aber dieſe ſo ſelten gelingt, und die hoͤhere Kritik noch
immer Verwechſelungen ausgeſezt iſt, ſo muͤſſen wir noch ziem-
lich weit von dem Ziele entfernt ſein.

5. Vor dem Anfang der pſychologiſchen (techniſchen)
Auslegung muß gegeben ſein die Art, wie dem Verfaſſer der
Gegenſtand und wie ihm die Sprache gegeben war, und was
man anderweitig von ſeiner eigenthuͤmlichen Art und Weiſe
wiſſen kann.

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[145/0169] iſt nur erreicht in der Continuitaͤt. Wenn auch manches allein grammatiſch zu verſtehen iſt, ſo iſt es doch nicht in ſeiner Nothwendigkeit zu verſtehen, die man nur inne wird, wenn man die Geneſis nie aus den Augen verliert. 3. Das ganze Ziel iſt zu bezeichnen als vollkommenes Verſtehen des Styls. Gewohnt ſind wir unter Styl nur die Behandlung der Sprache zu verſtehen. Allein Gedanke und Sprache gehen uͤberall ineinander uͤber, und die eigenthuͤmliche Art den Gegenſtand aufzufaſſen geht in die Anordnung und ſomit auch in die Sprachbehandlung uͤber. Da der Menſch immer in einer Mannigfaltigkeit von Vor- ſtellungen iſt, ſo iſt jedes entſtanden aus Aufnahme und Aus- ſchließen. Iſt aber dieſes oder ſonſt etwas nicht aus der per- ſoͤnlichen Eigenthuͤmlichkeit hervorgegangen, ſondern angelernt oder angewoͤhnt, oder auf den Effekt gearbeitet, ſo iſt das Manier und manierirt iſt immer ſchlechter Styl. 4. Jenes Ziel iſt nur durch Annaͤherung zu erreichen. Wir ſind ohnerachtet aller Fortſchritte noch weit davon ent- fernt. Der Streit uͤber Homer waͤre ſonſt nicht moͤglich. Über die drei Tragiker. Unvollkommenheit ihrer Unterſcheidung. Individuelle Anſchauung iſt nicht nur niemals erſchoͤpft, ſon- dern auch immer der Berichtigung faͤhig. Man ſieht dieß auch daraus, daß die beſte Probe ohnſtreitig die Nachahmung iſt. Da aber dieſe ſo ſelten gelingt, und die hoͤhere Kritik noch immer Verwechſelungen ausgeſezt iſt, ſo muͤſſen wir noch ziem- lich weit von dem Ziele entfernt ſein. 5. Vor dem Anfang der pſychologiſchen (techniſchen) Auslegung muß gegeben ſein die Art, wie dem Verfaſſer der Gegenſtand und wie ihm die Sprache gegeben war, und was man anderweitig von ſeiner eigenthuͤmlichen Art und Weiſe wiſſen kann. 10

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Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/169>, abgerufen am 04.12.2024.