erkennen. Das Natürlichste ist hier, sich in dem Zustand der Me- ditation zu denken, und zwar in der Art, daß eine gewisse Nei- gung zur Zerstreuung der Gedanken als Hemmung vorhanden ist. Es ist kein Denkenwollen gemeint, sondern ein nicht im Vor- stellen Gebundenseinwollen, was in jedem Moment überwun- den sein muß. Das ist bei Jedem verschieden, aber in Jedem kommt es vor. Wenn wir die Neigung zur Zerstreuung nicht überwinden, so muß in beständiger Veränderung des Ganges der Vorstellungen die Meditation aufhören. Geht die veränderte Vor- stellungsweise von einem bestimmten Punkte aus, so entsteht nur eine andere Meditation. Es ist aber hier die Rede von jenem freien Spiele der Vorstellungen, wobei unser Wille passiv ist, das geistige Sein aber doch in Thätigkeit. Je freier wir uns so ge- hen lassen, desto mehr hat der Zustand Analogie mit dem Träu- men, und das ist das rein Unverständliche, eben weil es keinem Gesez des Zusammenhanges folgt und so nur zufällig erscheint.
Um nun für dieß ganze Gebiet des Unverständlichen eine Ver- mittlung zu finden, müssen wir auf den Zustand der Meditation zurückgehen und fragen, wie sich derselbe zu unsrem Gesammt- sein verhalte?
Hier ist zweierlei zu unterscheiden. Jeder Vorstellungszustand ist an und für sich ein Moment und somit vorübergehend. Aber auf der andern Seite läßt ein jeder solcher Zustand etwas Blei- bendes zurück, sezt etwas ab, und darauf beruht die Wiederhol- barkeit des ursprünglichen Moments. Wäre dieß nicht, so ver- schwände jede Vorstellung im Moment selbst und unser Gesammt- sein ginge in dem jedesmaligen Moment auf. Im Zustande der Meditation verschwindet das Momentane, wir behalten was in einem Moment geworden im andern, und daher ist das Ganze zugleich Ein Akt, und diese Zusammengehörigkeit, die im fortgehen- den Entschlusse liegt, überwindet das momentane Verschwinden und soll es eigentlich vollkommen überwinden. Nun giebt es noch einen andern, der Meditation analogen Zustand, das ist der der Beobachtung, wo die Produktivität die Form der Receptivität
erkennen. Das Natuͤrlichſte iſt hier, ſich in dem Zuſtand der Me- ditation zu denken, und zwar in der Art, daß eine gewiſſe Nei- gung zur Zerſtreuung der Gedanken als Hemmung vorhanden iſt. Es iſt kein Denkenwollen gemeint, ſondern ein nicht im Vor- ſtellen Gebundenſeinwollen, was in jedem Moment uͤberwun- den ſein muß. Das iſt bei Jedem verſchieden, aber in Jedem kommt es vor. Wenn wir die Neigung zur Zerſtreuung nicht uͤberwinden, ſo muß in beſtaͤndiger Veraͤnderung des Ganges der Vorſtellungen die Meditation aufhoͤren. Geht die veraͤnderte Vor- ſtellungsweiſe von einem beſtimmten Punkte aus, ſo entſteht nur eine andere Meditation. Es iſt aber hier die Rede von jenem freien Spiele der Vorſtellungen, wobei unſer Wille paſſiv iſt, das geiſtige Sein aber doch in Thaͤtigkeit. Je freier wir uns ſo ge- hen laſſen, deſto mehr hat der Zuſtand Analogie mit dem Traͤu- men, und das iſt das rein Unverſtaͤndliche, eben weil es keinem Geſez des Zuſammenhanges folgt und ſo nur zufaͤllig erſcheint.
Um nun fuͤr dieß ganze Gebiet des Unverſtaͤndlichen eine Ver- mittlung zu finden, muͤſſen wir auf den Zuſtand der Meditation zuruͤckgehen und fragen, wie ſich derſelbe zu unſrem Geſammt- ſein verhalte?
Hier iſt zweierlei zu unterſcheiden. Jeder Vorſtellungszuſtand iſt an und fuͤr ſich ein Moment und ſomit voruͤbergehend. Aber auf der andern Seite laͤßt ein jeder ſolcher Zuſtand etwas Blei- bendes zuruͤck, ſezt etwas ab, und darauf beruht die Wiederhol- barkeit des urſpruͤnglichen Moments. Waͤre dieß nicht, ſo ver- ſchwaͤnde jede Vorſtellung im Moment ſelbſt und unſer Geſammt- ſein ginge in dem jedesmaligen Moment auf. Im Zuſtande der Meditation verſchwindet das Momentane, wir behalten was in einem Moment geworden im andern, und daher iſt das Ganze zugleich Ein Akt, und dieſe Zuſammengehoͤrigkeit, die im fortgehen- den Entſchluſſe liegt, uͤberwindet das momentane Verſchwinden und ſoll es eigentlich vollkommen uͤberwinden. Nun giebt es noch einen andern, der Meditation analogen Zuſtand, das iſt der der Beobachtung, wo die Produktivitaͤt die Form der Receptivitaͤt
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erkennen. Das Natuͤrlichſte iſt hier, ſich in dem Zuſtand der Me-
ditation zu denken, und zwar in der Art, daß eine gewiſſe Nei-
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iſt. Es iſt kein Denkenwollen gemeint, ſondern ein nicht im Vor-
ſtellen Gebundenſeinwollen, was in jedem Moment uͤberwun-
den ſein muß. Das iſt bei Jedem verſchieden, aber in Jedem
kommt es vor. Wenn wir die Neigung zur Zerſtreuung nicht
uͤberwinden, ſo muß in beſtaͤndiger Veraͤnderung des Ganges der
Vorſtellungen die Meditation aufhoͤren. Geht die veraͤnderte Vor-
ſtellungsweiſe von einem beſtimmten Punkte aus, ſo entſteht nur
eine andere Meditation. Es iſt aber hier die Rede von jenem
freien Spiele der Vorſtellungen, wobei unſer Wille paſſiv iſt, das
geiſtige Sein aber doch in Thaͤtigkeit. Je freier wir uns ſo ge-
hen laſſen, deſto mehr hat der Zuſtand Analogie mit dem Traͤu-
men, und das iſt das rein Unverſtaͤndliche, eben weil es keinem
Geſez des Zuſammenhanges folgt und ſo nur zufaͤllig erſcheint.
Um nun fuͤr dieß ganze Gebiet des Unverſtaͤndlichen eine Ver-
mittlung zu finden, muͤſſen wir auf den Zuſtand der Meditation
zuruͤckgehen und fragen, wie ſich derſelbe zu unſrem Geſammt-
ſein verhalte?
Hier iſt zweierlei zu unterſcheiden. Jeder Vorſtellungszuſtand
iſt an und fuͤr ſich ein Moment und ſomit voruͤbergehend. Aber
auf der andern Seite laͤßt ein jeder ſolcher Zuſtand etwas Blei-
bendes zuruͤck, ſezt etwas ab, und darauf beruht die Wiederhol-
barkeit des urſpruͤnglichen Moments. Waͤre dieß nicht, ſo ver-
ſchwaͤnde jede Vorſtellung im Moment ſelbſt und unſer Geſammt-
ſein ginge in dem jedesmaligen Moment auf. Im Zuſtande der
Meditation verſchwindet das Momentane, wir behalten was in
einem Moment geworden im andern, und daher iſt das Ganze
zugleich Ein Akt, und dieſe Zuſammengehoͤrigkeit, die im fortgehen-
den Entſchluſſe liegt, uͤberwindet das momentane Verſchwinden
und ſoll es eigentlich vollkommen uͤberwinden. Nun giebt es
noch einen andern, der Meditation analogen Zuſtand, das iſt der
der Beobachtung, wo die Produktivitaͤt die Form der Receptivitaͤt
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/214>, abgerufen am 04.12.2024.
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