stellern auf dieselbe Weise als Nebengedanke gebraucht wird, aber nach verschiedenen Auslegungen. Es giebt diesem so nahe- liegende Fälle, daß man sie darunter subsumiren kann. Voraus- gesezt also, solche alttest. Anführungen oder Anspielungen seien das bedeutendste Material für die Nebengedanken in didaktischen Schrif- ten, um in diesem Falle sicher zu erkennen, wie es dabei im Ge- müthe des Schreibenden zugegangen sei, muß man sich eine all- gemeine Übersicht von allen Fällen solcher Art verschaffen. Giebt diese solche Resultate, wie die eben eingeführten, oder erscheint das Resultat einer großen quantitativen Differenz, so daß an einer Stelle auf das alttest. Citat mehr Nachdruck gelegt ist, wenn gleich es Nebengedanke ist, als an einer andern, wo das Citat mehr rein zufällig erscheint, so müssen wir sagen, daß es eine allge- meine Regel dafür gar nicht gebe und daß es nicht allgemeine Richtung der neutest. Schriftsteller sei, den Sinn solcher Stellen festzustellen. Denn wo sie eine alttest. Schriftstelle auf eine nach- druckslose Weise einführen, da ist durchaus nicht daran zu denken.
Betrachten wir die Sache mehr im Zusammenhange mit der bisherigen Untersuchung, so wird es gleich sehr wahrscheinlich wer- den, daß da, wo es einen sehr geringen aber zu gleicher Zeit sehr allgemein verbreiteten litterärischen Besiz giebt, der das Gemein- schaftliche zwischen dem Schriftsteller und seinen Lesern ist, da es auch natürlich sei, daß davon auf die mannigfaltigste Weise Ge- brauch gemacht werde. Es gilt bei den Griechen von Homer, was bei den Juden vom A. T. Auch von Homer wurde ein sehr mannigfaltiger Gebrauch gemacht, man deutete ihn wie das A. T. allegorisch. Die Analogie ist unverkennbar. Man kann sich die Sache im Allgemeinen so denken. Es hat im Gespräch einen besonderen Reiz, wenn zwei Leute in was immer für Ver- handlungen auf einen Kreis kommen, der ihnen gemeinsam ist und gleich bekannt, so daß sie daraus anführen, wo sich die Ge- legenheit darbietet. Eine Schrift der Art nimmt den Charakter eines Gesprächs an, denn Nebengedanken sind immer nur aus einem dem Schreibenden und den Lesern gemeinsamen Gebiet
ſtellern auf dieſelbe Weiſe als Nebengedanke gebraucht wird, aber nach verſchiedenen Auslegungen. Es giebt dieſem ſo nahe- liegende Faͤlle, daß man ſie darunter ſubſumiren kann. Voraus- geſezt alſo, ſolche altteſt. Anfuͤhrungen oder Anſpielungen ſeien das bedeutendſte Material fuͤr die Nebengedanken in didaktiſchen Schrif- ten, um in dieſem Falle ſicher zu erkennen, wie es dabei im Ge- muͤthe des Schreibenden zugegangen ſei, muß man ſich eine all- gemeine Überſicht von allen Faͤllen ſolcher Art verſchaffen. Giebt dieſe ſolche Reſultate, wie die eben eingefuͤhrten, oder erſcheint das Reſultat einer großen quantitativen Differenz, ſo daß an einer Stelle auf das altteſt. Citat mehr Nachdruck gelegt iſt, wenn gleich es Nebengedanke iſt, als an einer andern, wo das Citat mehr rein zufaͤllig erſcheint, ſo muͤſſen wir ſagen, daß es eine allge- meine Regel dafuͤr gar nicht gebe und daß es nicht allgemeine Richtung der neuteſt. Schriftſteller ſei, den Sinn ſolcher Stellen feſtzuſtellen. Denn wo ſie eine altteſt. Schriftſtelle auf eine nach- drucksloſe Weiſe einfuͤhren, da iſt durchaus nicht daran zu denken.
Betrachten wir die Sache mehr im Zuſammenhange mit der bisherigen Unterſuchung, ſo wird es gleich ſehr wahrſcheinlich wer- den, daß da, wo es einen ſehr geringen aber zu gleicher Zeit ſehr allgemein verbreiteten litteraͤriſchen Beſiz giebt, der das Gemein- ſchaftliche zwiſchen dem Schriftſteller und ſeinen Leſern iſt, da es auch natuͤrlich ſei, daß davon auf die mannigfaltigſte Weiſe Ge- brauch gemacht werde. Es gilt bei den Griechen von Homer, was bei den Juden vom A. T. Auch von Homer wurde ein ſehr mannigfaltiger Gebrauch gemacht, man deutete ihn wie das A. T. allegoriſch. Die Analogie iſt unverkennbar. Man kann ſich die Sache im Allgemeinen ſo denken. Es hat im Geſpraͤch einen beſonderen Reiz, wenn zwei Leute in was immer fuͤr Ver- handlungen auf einen Kreis kommen, der ihnen gemeinſam iſt und gleich bekannt, ſo daß ſie daraus anfuͤhren, wo ſich die Ge- legenheit darbietet. Eine Schrift der Art nimmt den Charakter eines Geſpraͤchs an, denn Nebengedanken ſind immer nur aus einem dem Schreibenden und den Leſern gemeinſamen Gebiet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0220"n="196"/>ſtellern auf dieſelbe Weiſe als Nebengedanke gebraucht wird,<lb/>
aber nach verſchiedenen Auslegungen. Es giebt dieſem ſo nahe-<lb/>
liegende Faͤlle, daß man ſie darunter ſubſumiren kann. Voraus-<lb/>
geſezt alſo, ſolche altteſt. Anfuͤhrungen oder Anſpielungen ſeien das<lb/>
bedeutendſte Material fuͤr die Nebengedanken in didaktiſchen Schrif-<lb/>
ten, um in dieſem Falle ſicher zu erkennen, wie es dabei im Ge-<lb/>
muͤthe des Schreibenden zugegangen ſei, muß man ſich eine all-<lb/>
gemeine Überſicht von allen Faͤllen ſolcher Art verſchaffen. Giebt<lb/>
dieſe ſolche Reſultate, wie die eben eingefuͤhrten, oder erſcheint das<lb/>
Reſultat einer großen quantitativen Differenz, ſo daß an einer<lb/>
Stelle auf das altteſt. Citat mehr Nachdruck gelegt iſt, wenn gleich<lb/>
es Nebengedanke iſt, als an einer andern, wo das Citat mehr<lb/>
rein zufaͤllig erſcheint, ſo muͤſſen wir ſagen, daß es eine allge-<lb/>
meine Regel dafuͤr gar nicht gebe und daß es nicht allgemeine<lb/>
Richtung der neuteſt. Schriftſteller ſei, den Sinn ſolcher Stellen<lb/>
feſtzuſtellen. Denn wo ſie eine altteſt. Schriftſtelle auf eine nach-<lb/>
drucksloſe Weiſe einfuͤhren, da iſt durchaus nicht daran zu denken.</p><lb/><p>Betrachten wir die Sache mehr im Zuſammenhange mit der<lb/>
bisherigen Unterſuchung, ſo wird es gleich ſehr wahrſcheinlich wer-<lb/>
den, daß da, wo es einen ſehr geringen aber zu gleicher Zeit ſehr<lb/>
allgemein verbreiteten litteraͤriſchen Beſiz giebt, der das Gemein-<lb/>ſchaftliche zwiſchen dem Schriftſteller und ſeinen Leſern iſt, da es<lb/>
auch natuͤrlich ſei, daß davon auf die mannigfaltigſte Weiſe Ge-<lb/>
brauch gemacht werde. Es gilt bei den Griechen von Homer,<lb/>
was bei den Juden vom A. T. Auch von Homer wurde ein<lb/>ſehr mannigfaltiger Gebrauch gemacht, man deutete ihn wie das<lb/>
A. T. allegoriſch. Die Analogie iſt unverkennbar. Man kann<lb/>ſich die Sache im Allgemeinen ſo denken. Es hat im Geſpraͤch<lb/>
einen beſonderen Reiz, wenn zwei Leute in was immer fuͤr Ver-<lb/>
handlungen auf einen Kreis kommen, der ihnen gemeinſam iſt<lb/>
und gleich bekannt, ſo daß ſie daraus anfuͤhren, wo ſich die Ge-<lb/>
legenheit darbietet. Eine Schrift der Art nimmt den Charakter<lb/>
eines Geſpraͤchs an, denn Nebengedanken ſind immer nur aus<lb/>
einem dem Schreibenden und den Leſern gemeinſamen Gebiet<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[196/0220]
ſtellern auf dieſelbe Weiſe als Nebengedanke gebraucht wird,
aber nach verſchiedenen Auslegungen. Es giebt dieſem ſo nahe-
liegende Faͤlle, daß man ſie darunter ſubſumiren kann. Voraus-
geſezt alſo, ſolche altteſt. Anfuͤhrungen oder Anſpielungen ſeien das
bedeutendſte Material fuͤr die Nebengedanken in didaktiſchen Schrif-
ten, um in dieſem Falle ſicher zu erkennen, wie es dabei im Ge-
muͤthe des Schreibenden zugegangen ſei, muß man ſich eine all-
gemeine Überſicht von allen Faͤllen ſolcher Art verſchaffen. Giebt
dieſe ſolche Reſultate, wie die eben eingefuͤhrten, oder erſcheint das
Reſultat einer großen quantitativen Differenz, ſo daß an einer
Stelle auf das altteſt. Citat mehr Nachdruck gelegt iſt, wenn gleich
es Nebengedanke iſt, als an einer andern, wo das Citat mehr
rein zufaͤllig erſcheint, ſo muͤſſen wir ſagen, daß es eine allge-
meine Regel dafuͤr gar nicht gebe und daß es nicht allgemeine
Richtung der neuteſt. Schriftſteller ſei, den Sinn ſolcher Stellen
feſtzuſtellen. Denn wo ſie eine altteſt. Schriftſtelle auf eine nach-
drucksloſe Weiſe einfuͤhren, da iſt durchaus nicht daran zu denken.
Betrachten wir die Sache mehr im Zuſammenhange mit der
bisherigen Unterſuchung, ſo wird es gleich ſehr wahrſcheinlich wer-
den, daß da, wo es einen ſehr geringen aber zu gleicher Zeit ſehr
allgemein verbreiteten litteraͤriſchen Beſiz giebt, der das Gemein-
ſchaftliche zwiſchen dem Schriftſteller und ſeinen Leſern iſt, da es
auch natuͤrlich ſei, daß davon auf die mannigfaltigſte Weiſe Ge-
brauch gemacht werde. Es gilt bei den Griechen von Homer,
was bei den Juden vom A. T. Auch von Homer wurde ein
ſehr mannigfaltiger Gebrauch gemacht, man deutete ihn wie das
A. T. allegoriſch. Die Analogie iſt unverkennbar. Man kann
ſich die Sache im Allgemeinen ſo denken. Es hat im Geſpraͤch
einen beſonderen Reiz, wenn zwei Leute in was immer fuͤr Ver-
handlungen auf einen Kreis kommen, der ihnen gemeinſam iſt
und gleich bekannt, ſo daß ſie daraus anfuͤhren, wo ſich die Ge-
legenheit darbietet. Eine Schrift der Art nimmt den Charakter
eines Geſpraͤchs an, denn Nebengedanken ſind immer nur aus
einem dem Schreibenden und den Leſern gemeinſamen Gebiet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/220>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.