geschichtliche Darstellung sich gestalten als eine Reihe von Bildern, bei dem Andern als eine Reihe von Causalverhältnissen. Jedes giebt einen ganz verschiedenen Inhalt. Die eine Darstellung hebt hervor, was die andere vernachlässigt, die eine hat mehr den Cha- rakter des Calculs, die andere mehr einen pitoresken Charakter. Je nachdem nun das eine oder andere im ursprünglichen Im- puls gedacht war, ist die Erfindung und Meditation eine ganz andere. Eine Erfindung ist nemlich auch auf diesem Gebiete, in der Art die Elemente zu verbinden, dieses oder jenes gel- tend zu machen. Es sind da ganz verschiedene Verfahrungs- weisen, die nicht einander unterzuordnen sind. -- Schreibt je- mand die Geschichte in einer Reihe von Bildern, diese haben aber nicht den rechten Charakter der Bilder, der Leser ist nicht im Stande sie nachzubilden, so folgt, daß der Verfasser nicht Herr seiner Form gewesen ist. Das ist auf diesem Gebiete die Dürftigkeit.
Betrachten wir die Form des Gesprächs. Nur in dem Grade, in welchem man das zu taxiren versteht, kann man den Verfas- ser in seiner Meditation verfolgen, und ein Bild davon bekom- men, ob er die Elemente mühsam zusammengesucht habe, oder ob er von einer Fülle innerer Produktion gedrängt worden, so daß er habe abweisen müssen, ferner ob das Einzelne mit dem ursprünglichen Impuls in Übereinstimmung ist, oder ob in der Gedankenentwicklung Fremdes ist. Finden wir eine Gedankenent- wicklung reich, aber nie aus den Grenzen der Form hinausgehend, auch ohne daß fremdartige Elemente damit verwachsen wären, da gehen Meditation und Composition ineinander auf, und dieß ist die Vollkommenheit auf diesem Gebiete. Die Dürftigkeit ist hier die fortgesezte Operation der logischen Spaltung. Da ist das Ganze nur Darstellung des Mechanismus der Meditation. Zwi- schen diesen ist nun das Meiste, was Gegenstand der hermeneuti- schen Operation sein kann. Soll man die Meditation verfol- gen und taxiren können, so müßte man alle verschiedene For- men kennen, denn nur dann kann man die Erfindung des Künstlers recht ins Auge fassen und nacherfinden. Betrachten
geſchichtliche Darſtellung ſich geſtalten als eine Reihe von Bildern, bei dem Andern als eine Reihe von Cauſalverhaͤltniſſen. Jedes giebt einen ganz verſchiedenen Inhalt. Die eine Darſtellung hebt hervor, was die andere vernachlaͤſſigt, die eine hat mehr den Cha- rakter des Calculs, die andere mehr einen pitoresken Charakter. Je nachdem nun das eine oder andere im urſpruͤnglichen Im- puls gedacht war, iſt die Erfindung und Meditation eine ganz andere. Eine Erfindung iſt nemlich auch auf dieſem Gebiete, in der Art die Elemente zu verbinden, dieſes oder jenes gel- tend zu machen. Es ſind da ganz verſchiedene Verfahrungs- weiſen, die nicht einander unterzuordnen ſind. — Schreibt je- mand die Geſchichte in einer Reihe von Bildern, dieſe haben aber nicht den rechten Charakter der Bilder, der Leſer iſt nicht im Stande ſie nachzubilden, ſo folgt, daß der Verfaſſer nicht Herr ſeiner Form geweſen iſt. Das iſt auf dieſem Gebiete die Duͤrftigkeit.
Betrachten wir die Form des Geſpraͤchs. Nur in dem Grade, in welchem man das zu taxiren verſteht, kann man den Verfaſ- ſer in ſeiner Meditation verfolgen, und ein Bild davon bekom- men, ob er die Elemente muͤhſam zuſammengeſucht habe, oder ob er von einer Fuͤlle innerer Produktion gedraͤngt worden, ſo daß er habe abweiſen muͤſſen, ferner ob das Einzelne mit dem urſpruͤnglichen Impuls in Übereinſtimmung iſt, oder ob in der Gedankenentwicklung Fremdes iſt. Finden wir eine Gedankenent- wicklung reich, aber nie aus den Grenzen der Form hinausgehend, auch ohne daß fremdartige Elemente damit verwachſen waͤren, da gehen Meditation und Compoſition ineinander auf, und dieß iſt die Vollkommenheit auf dieſem Gebiete. Die Duͤrftigkeit iſt hier die fortgeſezte Operation der logiſchen Spaltung. Da iſt das Ganze nur Darſtellung des Mechanismus der Meditation. Zwi- ſchen dieſen iſt nun das Meiſte, was Gegenſtand der hermeneuti- ſchen Operation ſein kann. Soll man die Meditation verfol- gen und taxiren koͤnnen, ſo muͤßte man alle verſchiedene For- men kennen, denn nur dann kann man die Erfindung des Kuͤnſtlers recht ins Auge faſſen und nacherfinden. Betrachten
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geſchichtliche Darſtellung ſich geſtalten als eine Reihe von Bildern,
bei dem Andern als eine Reihe von Cauſalverhaͤltniſſen. Jedes
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hervor, was die andere vernachlaͤſſigt, die eine hat mehr den Cha-
rakter des Calculs, die andere mehr einen pitoresken Charakter.
Je nachdem nun das eine oder andere im urſpruͤnglichen Im-
puls gedacht war, iſt die Erfindung und Meditation eine ganz
andere. Eine Erfindung iſt nemlich auch auf dieſem Gebiete,
in der Art die Elemente zu verbinden, dieſes oder jenes gel-
tend zu machen. Es ſind da ganz verſchiedene Verfahrungs-
weiſen, die nicht einander unterzuordnen ſind. — Schreibt je-
mand die Geſchichte in einer Reihe von Bildern, dieſe haben
aber nicht den rechten Charakter der Bilder, der Leſer iſt nicht
im Stande ſie nachzubilden, ſo folgt, daß der Verfaſſer nicht Herr
ſeiner Form geweſen iſt. Das iſt auf dieſem Gebiete die Duͤrftigkeit.
Betrachten wir die Form des Geſpraͤchs. Nur in dem Grade,
in welchem man das zu taxiren verſteht, kann man den Verfaſ-
ſer in ſeiner Meditation verfolgen, und ein Bild davon bekom-
men, ob er die Elemente muͤhſam zuſammengeſucht habe, oder
ob er von einer Fuͤlle innerer Produktion gedraͤngt worden, ſo
daß er habe abweiſen muͤſſen, ferner ob das Einzelne mit dem
urſpruͤnglichen Impuls in Übereinſtimmung iſt, oder ob in der
Gedankenentwicklung Fremdes iſt. Finden wir eine Gedankenent-
wicklung reich, aber nie aus den Grenzen der Form hinausgehend,
auch ohne daß fremdartige Elemente damit verwachſen waͤren, da
gehen Meditation und Compoſition ineinander auf, und dieß iſt
die Vollkommenheit auf dieſem Gebiete. Die Duͤrftigkeit iſt hier
die fortgeſezte Operation der logiſchen Spaltung. Da iſt das
Ganze nur Darſtellung des Mechanismus der Meditation. Zwi-
ſchen dieſen iſt nun das Meiſte, was Gegenſtand der hermeneuti-
ſchen Operation ſein kann. Soll man die Meditation verfol-
gen und taxiren koͤnnen, ſo muͤßte man alle verſchiedene For-
men kennen, denn nur dann kann man die Erfindung des
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/238>, abgerufen am 04.12.2024.
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