den Produktionen einer früheren, und sind sehr verschiedener Art. Nun fragt es sich, lassen sich diese verschiedenen Aufgaben unter gewissen Hauptdifferenzen zusammenfassen? Wie finden wir diese? Indem wir zurückgehen auf das angenommene Verhältniß zwischen der Relation oder dem Zeugniß und der Thatsache. Da fragt sich nun, auf wievielerlei Weise das angenommene Verhältniß der Identität verloren gehen, oder auf wievielerlei Weise in ver- schiedenen Fällen die Differenz zwischen dem Späteren, welches dem Früheren gleich sein soll, es aber nicht ist, entstehen kann?
Wir nehmen die Aufgabe in der oben angegebenen vollen Allgemeinheit, wonach sie z. B. auch im täglichen Gespräch vor- kommen kann. Die allgemeine Voraussezung des Gesprächs ist die Identität zwischen Gedanke und Wort. Darauf beruht alles Verständniß. Wie entsteht nun im Gespräch das Versprechen? Es kann sehr verschiedene Ursachen haben, und in manchen Fällen sehr schwer sein, die wahre zu finden. Wir haben im Gespräch zwei Operationen, die des Denkens, die rein psychische, und die des Sprechens, welches auf einer rein organischen Funktion be- ruht. Wir können dieß das Mechanische nennen, in Vergleich wenigstens mit der Operation des Denkens. Der Impuls dazu, das was dabei Freiheit ist, ist durchaus nur das Übergehen des Gedachten in die Thätigkeit der Sprachwerkzeuge, welche auf Muskelbewegung beruht, die ihren bestimmten Mechanismus hat. Denken wir uns auch den Impuls des Willens fortwirkend, so unterscheiden wir doch immer dieses Moment der Freiheit und das rein Mechanische. Nun lassen sich Abweichungen des Gesproche- nen und Gedachten denken, deren Grund rein in der mechani- schen Operation liegt, und wiederum solche, wo der Grund auf der psychischen Seite liegt, wo das Versprechen aus gleichzeitigen Gedanken, die zwar nicht in der Reihe liegen, aber momentan eindringen, entsteht. In diesem Falle weiß man leichter selbst um das Versprechen, wie es entsteht. Der Art sind die Na- menverwechselungen. Können wir nun dieß ganz allgemein fassen und durchführen, so können wir sagen, die Differenz zwi-
den Produktionen einer fruͤheren, und ſind ſehr verſchiedener Art. Nun fragt es ſich, laſſen ſich dieſe verſchiedenen Aufgaben unter gewiſſen Hauptdifferenzen zuſammenfaſſen? Wie finden wir dieſe? Indem wir zuruͤckgehen auf das angenommene Verhaͤltniß zwiſchen der Relation oder dem Zeugniß und der Thatſache. Da fragt ſich nun, auf wievielerlei Weiſe das angenommene Verhaͤltniß der Identitaͤt verloren gehen, oder auf wievielerlei Weiſe in ver- ſchiedenen Faͤllen die Differenz zwiſchen dem Spaͤteren, welches dem Fruͤheren gleich ſein ſoll, es aber nicht iſt, entſtehen kann?
Wir nehmen die Aufgabe in der oben angegebenen vollen Allgemeinheit, wonach ſie z. B. auch im taͤglichen Geſpraͤch vor- kommen kann. Die allgemeine Vorausſezung des Geſpraͤchs iſt die Identitaͤt zwiſchen Gedanke und Wort. Darauf beruht alles Verſtaͤndniß. Wie entſteht nun im Geſpraͤch das Verſprechen? Es kann ſehr verſchiedene Urſachen haben, und in manchen Faͤllen ſehr ſchwer ſein, die wahre zu finden. Wir haben im Geſpraͤch zwei Operationen, die des Denkens, die rein pſychiſche, und die des Sprechens, welches auf einer rein organiſchen Funktion be- ruht. Wir koͤnnen dieß das Mechaniſche nennen, in Vergleich wenigſtens mit der Operation des Denkens. Der Impuls dazu, das was dabei Freiheit iſt, iſt durchaus nur das Übergehen des Gedachten in die Thaͤtigkeit der Sprachwerkzeuge, welche auf Muskelbewegung beruht, die ihren beſtimmten Mechanismus hat. Denken wir uns auch den Impuls des Willens fortwirkend, ſo unterſcheiden wir doch immer dieſes Moment der Freiheit und das rein Mechaniſche. Nun laſſen ſich Abweichungen des Geſproche- nen und Gedachten denken, deren Grund rein in der mechani- ſchen Operation liegt, und wiederum ſolche, wo der Grund auf der pſychiſchen Seite liegt, wo das Verſprechen aus gleichzeitigen Gedanken, die zwar nicht in der Reihe liegen, aber momentan eindringen, entſteht. In dieſem Falle weiß man leichter ſelbſt um das Verſprechen, wie es entſteht. Der Art ſind die Na- menverwechſelungen. Koͤnnen wir nun dieß ganz allgemein faſſen und durchfuͤhren, ſo koͤnnen wir ſagen, die Differenz zwi-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0302"n="278"/>
den Produktionen einer fruͤheren, und ſind ſehr verſchiedener Art.<lb/>
Nun fragt es ſich, laſſen ſich dieſe verſchiedenen Aufgaben unter<lb/>
gewiſſen Hauptdifferenzen zuſammenfaſſen? Wie finden wir dieſe?<lb/>
Indem wir zuruͤckgehen auf das angenommene Verhaͤltniß zwiſchen<lb/>
der Relation oder dem Zeugniß und der Thatſache. Da fragt<lb/>ſich nun, auf wievielerlei Weiſe das angenommene Verhaͤltniß<lb/>
der Identitaͤt verloren gehen, oder auf wievielerlei Weiſe in ver-<lb/>ſchiedenen Faͤllen die Differenz zwiſchen dem Spaͤteren, welches<lb/>
dem Fruͤheren gleich ſein ſoll, es aber nicht iſt, entſtehen kann?</p><lb/><p>Wir nehmen die Aufgabe in der oben angegebenen vollen<lb/>
Allgemeinheit, wonach ſie z. B. auch im taͤglichen Geſpraͤch vor-<lb/>
kommen kann. Die allgemeine Vorausſezung des Geſpraͤchs iſt die<lb/>
Identitaͤt zwiſchen Gedanke und Wort. Darauf beruht alles<lb/>
Verſtaͤndniß. Wie entſteht nun im Geſpraͤch das Verſprechen?<lb/>
Es kann ſehr verſchiedene Urſachen haben, und in manchen Faͤllen<lb/>ſehr ſchwer ſein, die wahre zu finden. Wir haben im Geſpraͤch<lb/>
zwei Operationen, die des Denkens, die rein pſychiſche, und die<lb/>
des Sprechens, welches auf einer rein organiſchen Funktion be-<lb/>
ruht. Wir koͤnnen dieß das Mechaniſche nennen, in Vergleich<lb/>
wenigſtens mit der Operation des Denkens. Der Impuls dazu,<lb/>
das was dabei Freiheit iſt, iſt durchaus nur das Übergehen des<lb/>
Gedachten in die Thaͤtigkeit der Sprachwerkzeuge, welche auf<lb/>
Muskelbewegung beruht, die ihren beſtimmten Mechanismus hat.<lb/>
Denken wir uns auch den Impuls des Willens fortwirkend, ſo<lb/>
unterſcheiden wir doch immer dieſes Moment der Freiheit und das<lb/>
rein Mechaniſche. Nun laſſen ſich Abweichungen des Geſproche-<lb/>
nen und Gedachten denken, deren Grund rein in der mechani-<lb/>ſchen Operation liegt, und wiederum ſolche, wo der Grund auf<lb/>
der pſychiſchen Seite liegt, wo das Verſprechen aus gleichzeitigen<lb/>
Gedanken, die zwar nicht in der Reihe liegen, aber momentan<lb/>
eindringen, entſteht. In dieſem Falle weiß man leichter ſelbſt<lb/>
um das Verſprechen, wie es entſteht. Der Art ſind die Na-<lb/>
menverwechſelungen. Koͤnnen wir nun dieß ganz allgemein<lb/>
faſſen und durchfuͤhren, ſo koͤnnen wir ſagen, die Differenz zwi-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[278/0302]
den Produktionen einer fruͤheren, und ſind ſehr verſchiedener Art.
Nun fragt es ſich, laſſen ſich dieſe verſchiedenen Aufgaben unter
gewiſſen Hauptdifferenzen zuſammenfaſſen? Wie finden wir dieſe?
Indem wir zuruͤckgehen auf das angenommene Verhaͤltniß zwiſchen
der Relation oder dem Zeugniß und der Thatſache. Da fragt
ſich nun, auf wievielerlei Weiſe das angenommene Verhaͤltniß
der Identitaͤt verloren gehen, oder auf wievielerlei Weiſe in ver-
ſchiedenen Faͤllen die Differenz zwiſchen dem Spaͤteren, welches
dem Fruͤheren gleich ſein ſoll, es aber nicht iſt, entſtehen kann?
Wir nehmen die Aufgabe in der oben angegebenen vollen
Allgemeinheit, wonach ſie z. B. auch im taͤglichen Geſpraͤch vor-
kommen kann. Die allgemeine Vorausſezung des Geſpraͤchs iſt die
Identitaͤt zwiſchen Gedanke und Wort. Darauf beruht alles
Verſtaͤndniß. Wie entſteht nun im Geſpraͤch das Verſprechen?
Es kann ſehr verſchiedene Urſachen haben, und in manchen Faͤllen
ſehr ſchwer ſein, die wahre zu finden. Wir haben im Geſpraͤch
zwei Operationen, die des Denkens, die rein pſychiſche, und die
des Sprechens, welches auf einer rein organiſchen Funktion be-
ruht. Wir koͤnnen dieß das Mechaniſche nennen, in Vergleich
wenigſtens mit der Operation des Denkens. Der Impuls dazu,
das was dabei Freiheit iſt, iſt durchaus nur das Übergehen des
Gedachten in die Thaͤtigkeit der Sprachwerkzeuge, welche auf
Muskelbewegung beruht, die ihren beſtimmten Mechanismus hat.
Denken wir uns auch den Impuls des Willens fortwirkend, ſo
unterſcheiden wir doch immer dieſes Moment der Freiheit und das
rein Mechaniſche. Nun laſſen ſich Abweichungen des Geſproche-
nen und Gedachten denken, deren Grund rein in der mechani-
ſchen Operation liegt, und wiederum ſolche, wo der Grund auf
der pſychiſchen Seite liegt, wo das Verſprechen aus gleichzeitigen
Gedanken, die zwar nicht in der Reihe liegen, aber momentan
eindringen, entſteht. In dieſem Falle weiß man leichter ſelbſt
um das Verſprechen, wie es entſteht. Der Art ſind die Na-
menverwechſelungen. Koͤnnen wir nun dieß ganz allgemein
faſſen und durchfuͤhren, ſo koͤnnen wir ſagen, die Differenz zwi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/302>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.