der Inspirationstheorie der Alten sehr nahe liegt, so kann man aus einer so gar nicht bezeugten Thatsache keine Argumentation gestatten. Man hüte sich bloße Meinungen der Alten für Wahr- heiten zu halten! Oft haben wir eben nur Tradition von Mei- nungen ohne alle wirkliche Geschichte. Da sei man vorsichtig!
Wir werden vielleicht nicht dahin, kommen, alle Fragen in Beziehung auf einzelne Bücher und den ganzen Complex des N. T. vollständig zu entscheiden. Denn es giebt Aufgaben, wo wir nicht Punkte genug haben, um zu einem festen Urtheile zu kommen. Da muß vieles ungewiß bleiben und streitig. Aber durch die richtige Methode, die wir angegeben haben, befreien wir uns wenigstens von falschen Präventionen und machen und erhalten den Boden der Untersuchung rein. Daß Mo- mente von Wichtigkeit, die wir noch nicht kennen, noch sollten entdeckt werden, ist sehr unwahrscheinlich. Es müßten das Schrif- ten sein aus dem Zeitraume, der am wenigsten historisch ausge- füllt ist, oder solche, welche sichere Nachrichten von demselben er- hielten. Daß solche noch gefunden werden sollten, ist sehr un- wahrscheinlich. Aber darum müssen wir dennoch auf alles Strei- tige die richtige Methode anwenden. Dazu soll diese Vorlesung ein Beitrag sein, aber nur in der Kürze, so daß auf die einzel- nen neutestamentlichen Bücher die Anwendung zu machen und die aufgestellten Principien weiter auszubilden überlassen bleibt.
der Inſpirationstheorie der Alten ſehr nahe liegt, ſo kann man aus einer ſo gar nicht bezeugten Thatſache keine Argumentation geſtatten. Man huͤte ſich bloße Meinungen der Alten fuͤr Wahr- heiten zu halten! Oft haben wir eben nur Tradition von Mei- nungen ohne alle wirkliche Geſchichte. Da ſei man vorſichtig!
Wir werden vielleicht nicht dahin, kommen, alle Fragen in Beziehung auf einzelne Buͤcher und den ganzen Complex des N. T. vollſtaͤndig zu entſcheiden. Denn es giebt Aufgaben, wo wir nicht Punkte genug haben, um zu einem feſten Urtheile zu kommen. Da muß vieles ungewiß bleiben und ſtreitig. Aber durch die richtige Methode, die wir angegeben haben, befreien wir uns wenigſtens von falſchen Praͤventionen und machen und erhalten den Boden der Unterſuchung rein. Daß Mo- mente von Wichtigkeit, die wir noch nicht kennen, noch ſollten entdeckt werden, iſt ſehr unwahrſcheinlich. Es muͤßten das Schrif- ten ſein aus dem Zeitraume, der am wenigſten hiſtoriſch ausge- fuͤllt iſt, oder ſolche, welche ſichere Nachrichten von demſelben er- hielten. Daß ſolche noch gefunden werden ſollten, iſt ſehr un- wahrſcheinlich. Aber darum muͤſſen wir dennoch auf alles Strei- tige die richtige Methode anwenden. Dazu ſoll dieſe Vorleſung ein Beitrag ſein, aber nur in der Kuͤrze, ſo daß auf die einzel- nen neuteſtamentlichen Buͤcher die Anwendung zu machen und die aufgeſtellten Principien weiter auszubilden uͤberlaſſen bleibt.
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der Inſpirationstheorie der Alten ſehr nahe liegt, ſo kann man
aus einer ſo gar nicht bezeugten Thatſache keine Argumentation
geſtatten. Man huͤte ſich bloße Meinungen der Alten fuͤr Wahr-
heiten zu halten! Oft haben wir eben nur Tradition von Mei-
nungen ohne alle wirkliche Geſchichte. Da ſei man vorſichtig!
Wir werden vielleicht nicht dahin, kommen, alle Fragen in
Beziehung auf einzelne Buͤcher und den ganzen Complex des
N. T. vollſtaͤndig zu entſcheiden. Denn es giebt Aufgaben, wo
wir nicht Punkte genug haben, um zu einem feſten Urtheile zu
kommen. Da muß vieles ungewiß bleiben und ſtreitig. Aber
durch die richtige Methode, die wir angegeben haben, befreien
wir uns wenigſtens von falſchen Praͤventionen und machen
und erhalten den Boden der Unterſuchung rein. Daß Mo-
mente von Wichtigkeit, die wir noch nicht kennen, noch ſollten
entdeckt werden, iſt ſehr unwahrſcheinlich. Es muͤßten das Schrif-
ten ſein aus dem Zeitraume, der am wenigſten hiſtoriſch ausge-
fuͤllt iſt, oder ſolche, welche ſichere Nachrichten von demſelben er-
hielten. Daß ſolche noch gefunden werden ſollten, iſt ſehr un-
wahrſcheinlich. Aber darum muͤſſen wir dennoch auf alles Strei-
tige die richtige Methode anwenden. Dazu ſoll dieſe Vorleſung
ein Beitrag ſein, aber nur in der Kuͤrze, ſo daß auf die einzel-
nen neuteſtamentlichen Buͤcher die Anwendung zu machen und
die aufgeſtellten Principien weiter auszubilden uͤberlaſſen bleibt.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/413>, abgerufen am 04.12.2024.
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