zunächst gedacht worden ist, das griechische aber aufgepfropft. Deßhalb ist die neutestam. Hermeneutik als eine specielle zu be- handeln. Da die Sprachmischung eine Ausnahme, ein nicht na- turgemäßer Zustand ist, so geht auch die neutest. Hermeneutik als eine specielle nicht auf regelmäßige Weise aus der allgemeinen hervor. -- Überhaupt begründet weder die natürliche Verschieden- heit der Sprachen eine positive specielle Hermeneutik, denn diese Verschiedenheit gehört der Grammatik an, welche von der Her- meneutik vorausgesezt und eben nur angewendet wird, noch der Unterschied zwischen Prosa und Poesie in einer und derselben Sprache und in verschiedenen, denn auch die Kenntniß dieser Verschiedenheit wird in der hermeneutischen Theorie vorausgesezt. Eben so wenig wird durch die psychologischen Verschiedenheiten, sofern sie sich auf eine gleichmäßige Weise im relativen Gegen- satze zwischen dem Allgemeinen und Speciellen ergeben, eine spe- cielle Hermeneutik, als solche nothwendig.
14. Der Unterschied zwischen dem kunstmäßigen und kunstlosen in der Auslegung beruhet weder auf dem von ein- heimisch und fremd, noch auf dem von Rede und Schrift, sondern immer darauf, daß man einiges genau verstehen will und anderes nicht.
1. Wenn es nur ausländische und alte Schrift wäre, die der Kunst bedürfte, so müßten die ursprünglichen Leser ihrer nicht bedurft haben und die Kunst beruhete also auf dem Un- terschiede zwischen diesen und uns. Dieser Unterschied muß aber durch Sprach- und Geschichtkenntniß erst aus dem Wege geräumt werden; erst nach erfolgter Gleichsetzung geht die Auslegung an. Der Unterschied zwischen ausländisch alter Schrift und einheimisch gleichzeitiger liegt also nur darin, daß jene Operation des Gleichseins nicht ganz vorhergehen kann, sondern sie wird erst mit dem Auslegen und während desselben vollendet, und dieß ist beim Auslegen immer zu berücksichtigen.
zunaͤchſt gedacht worden iſt, das griechiſche aber aufgepfropft. Deßhalb iſt die neuteſtam. Hermeneutik als eine ſpecielle zu be- handeln. Da die Sprachmiſchung eine Ausnahme, ein nicht na- turgemaͤßer Zuſtand iſt, ſo geht auch die neuteſt. Hermeneutik als eine ſpecielle nicht auf regelmaͤßige Weiſe aus der allgemeinen hervor. — Überhaupt begruͤndet weder die natuͤrliche Verſchieden- heit der Sprachen eine poſitive ſpecielle Hermeneutik, denn dieſe Verſchiedenheit gehoͤrt der Grammatik an, welche von der Her- meneutik vorausgeſezt und eben nur angewendet wird, noch der Unterſchied zwiſchen Proſa und Poeſie in einer und derſelben Sprache und in verſchiedenen, denn auch die Kenntniß dieſer Verſchiedenheit wird in der hermeneutiſchen Theorie vorausgeſezt. Eben ſo wenig wird durch die pſychologiſchen Verſchiedenheiten, ſofern ſie ſich auf eine gleichmaͤßige Weiſe im relativen Gegen- ſatze zwiſchen dem Allgemeinen und Speciellen ergeben, eine ſpe- cielle Hermeneutik, als ſolche nothwendig.
14. Der Unterſchied zwiſchen dem kunſtmaͤßigen und kunſtloſen in der Auslegung beruhet weder auf dem von ein- heimiſch und fremd, noch auf dem von Rede und Schrift, ſondern immer darauf, daß man einiges genau verſtehen will und anderes nicht.
1. Wenn es nur auslaͤndiſche und alte Schrift waͤre, die der Kunſt beduͤrfte, ſo muͤßten die urſpruͤnglichen Leſer ihrer nicht bedurft haben und die Kunſt beruhete alſo auf dem Un- terſchiede zwiſchen dieſen und uns. Dieſer Unterſchied muß aber durch Sprach- und Geſchichtkenntniß erſt aus dem Wege geraͤumt werden; erſt nach erfolgter Gleichſetzung geht die Auslegung an. Der Unterſchied zwiſchen auslaͤndiſch alter Schrift und einheimiſch gleichzeitiger liegt alſo nur darin, daß jene Operation des Gleichſeins nicht ganz vorhergehen kann, ſondern ſie wird erſt mit dem Auslegen und waͤhrend deſſelben vollendet, und dieß iſt beim Auslegen immer zu beruͤckſichtigen.
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zunaͤchſt gedacht worden iſt, das griechiſche aber aufgepfropft.
Deßhalb iſt die neuteſtam. Hermeneutik als eine ſpecielle zu be-
handeln. Da die Sprachmiſchung eine Ausnahme, ein nicht na-
turgemaͤßer Zuſtand iſt, ſo geht auch die neuteſt. Hermeneutik als
eine ſpecielle nicht auf regelmaͤßige Weiſe aus der allgemeinen
hervor. — Überhaupt begruͤndet weder die natuͤrliche Verſchieden-
heit der Sprachen eine poſitive ſpecielle Hermeneutik, denn dieſe
Verſchiedenheit gehoͤrt der Grammatik an, welche von der Her-
meneutik vorausgeſezt und eben nur angewendet wird, noch der
Unterſchied zwiſchen Proſa und Poeſie in einer und derſelben
Sprache und in verſchiedenen, denn auch die Kenntniß dieſer
Verſchiedenheit wird in der hermeneutiſchen Theorie vorausgeſezt.
Eben ſo wenig wird durch die pſychologiſchen Verſchiedenheiten,
ſofern ſie ſich auf eine gleichmaͤßige Weiſe im relativen Gegen-
ſatze zwiſchen dem Allgemeinen und Speciellen ergeben, eine ſpe-
cielle Hermeneutik, als ſolche nothwendig.
14. Der Unterſchied zwiſchen dem kunſtmaͤßigen und
kunſtloſen in der Auslegung beruhet weder auf dem von ein-
heimiſch und fremd, noch auf dem von Rede und Schrift,
ſondern immer darauf, daß man einiges genau verſtehen will
und anderes nicht.
1. Wenn es nur auslaͤndiſche und alte Schrift waͤre, die
der Kunſt beduͤrfte, ſo muͤßten die urſpruͤnglichen Leſer ihrer
nicht bedurft haben und die Kunſt beruhete alſo auf dem Un-
terſchiede zwiſchen dieſen und uns. Dieſer Unterſchied muß
aber durch Sprach- und Geſchichtkenntniß erſt aus dem Wege
geraͤumt werden; erſt nach erfolgter Gleichſetzung geht die
Auslegung an. Der Unterſchied zwiſchen auslaͤndiſch alter
Schrift und einheimiſch gleichzeitiger liegt alſo nur darin, daß
jene Operation des Gleichſeins nicht ganz vorhergehen kann,
ſondern ſie wird erſt mit dem Auslegen und waͤhrend deſſelben
vollendet, und dieß iſt beim Auslegen immer zu beruͤckſichtigen.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/52>, abgerufen am 04.12.2024.
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