sinnlichen und geistigen Bedeutungen entgegensezt und jene die ursprünglichen, diese die abgeleiteten nennt. Allein dieser Kanon ist so gestellt unrichtig und würde zu gänzlichem Mißverstehen hin- führen, sofern die Rede ein Produkt des menschlichen Denkver- mögens ist. S. oben S. 47. Kein Wort, das in der Sprache gewachsen ist, hat solche Entgegensezungen, sondern jedes ist gleich eine Combination einer Mannigfaltigkeit von Beziehungen und Übergängen. Es giebt in der lebendigen Rede und Schrift kein Wort, von dem man sagen könnte, es könne als eine reine Einheit dargestellt werden. Nur willkührlich gemachte Ausdrücke, die in der Sprache nicht gewachsen sind, haben keine verschiedene Gebrauchs- weise. So die technischen. Die lebendige, natürlich wachsende Sprache geht von Wahrnehmungen aus und fixirt sie. Darin liegt der Stoff zur Verschiedenheit der Gebrauchsweisen, weil in der Wahrnehmung immer mehrere Beziehungen sind. Wenn man nun sagen wollte, es gebe keine ursprüngliche Bezeichnung des geistigen, diese sei immer abgeleitet, so wäre dieß eine materiali- stische Ansicht von der Sprache. Versteht man unter sinnlichem, was durch die äußere Wahrnehmung entsteht und unter geistigem, was durch die innere, so ist dieß einseitig, denn alle ursprüngliche Wahrnehmung ist eine innere. Aber wohl ist nichts abstraktes ursprünglich in der Sprache, sondern das concrete.
Wenn ein einzelner Ausdruck in einem Saze durch die un- mittelbare Verbindung, worin er erscheint, nicht klar ist, so kann dieß seinen Grund darin haben, daß der Ausdruck dem Hörer oder Leser nicht in der Totalität seines Sprachwerthes bekannt ist. Dann tritt als ergänzendes Verfahren der Gebrauch der Hülfs- mittel ein, welche das Lexikon darbietet. Man muß sich der Ein- heit des Sprachwerthes bemächtigen um die Mannigfaltigkeit der Gebrauchsweisen zu bekommen. Dieß kann nun nie vollkommen gelingen, wenn man den Gebrauch durch Gegensäze fixirt. Daher müssen die Gegensäze, die das Lexikon macht, aufgehoben und das Wort in seiner Einheit als ein nach verschiedenen Seiten hin Wandelbares angesehen werden.
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ſinnlichen und geiſtigen Bedeutungen entgegenſezt und jene die urſpruͤnglichen, dieſe die abgeleiteten nennt. Allein dieſer Kanon iſt ſo geſtellt unrichtig und wuͤrde zu gaͤnzlichem Mißverſtehen hin- fuͤhren, ſofern die Rede ein Produkt des menſchlichen Denkver- moͤgens iſt. S. oben S. 47. Kein Wort, das in der Sprache gewachſen iſt, hat ſolche Entgegenſezungen, ſondern jedes iſt gleich eine Combination einer Mannigfaltigkeit von Beziehungen und Übergaͤngen. Es giebt in der lebendigen Rede und Schrift kein Wort, von dem man ſagen koͤnnte, es koͤnne als eine reine Einheit dargeſtellt werden. Nur willkuͤhrlich gemachte Ausdruͤcke, die in der Sprache nicht gewachſen ſind, haben keine verſchiedene Gebrauchs- weiſe. So die techniſchen. Die lebendige, natuͤrlich wachſende Sprache geht von Wahrnehmungen aus und fixirt ſie. Darin liegt der Stoff zur Verſchiedenheit der Gebrauchsweiſen, weil in der Wahrnehmung immer mehrere Beziehungen ſind. Wenn man nun ſagen wollte, es gebe keine urſpruͤngliche Bezeichnung des geiſtigen, dieſe ſei immer abgeleitet, ſo waͤre dieß eine materiali- ſtiſche Anſicht von der Sprache. Verſteht man unter ſinnlichem, was durch die aͤußere Wahrnehmung entſteht und unter geiſtigem, was durch die innere, ſo iſt dieß einſeitig, denn alle urſpruͤngliche Wahrnehmung iſt eine innere. Aber wohl iſt nichts abſtraktes urſpruͤnglich in der Sprache, ſondern das concrete.
Wenn ein einzelner Ausdruck in einem Saze durch die un- mittelbare Verbindung, worin er erſcheint, nicht klar iſt, ſo kann dieß ſeinen Grund darin haben, daß der Ausdruck dem Hoͤrer oder Leſer nicht in der Totalitaͤt ſeines Sprachwerthes bekannt iſt. Dann tritt als ergaͤnzendes Verfahren der Gebrauch der Huͤlfs- mittel ein, welche das Lexikon darbietet. Man muß ſich der Ein- heit des Sprachwerthes bemaͤchtigen um die Mannigfaltigkeit der Gebrauchsweiſen zu bekommen. Dieß kann nun nie vollkommen gelingen, wenn man den Gebrauch durch Gegenſaͤze fixirt. Daher muͤſſen die Gegenſaͤze, die das Lexikon macht, aufgehoben und das Wort in ſeiner Einheit als ein nach verſchiedenen Seiten hin Wandelbares angeſehen werden.
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ſinnlichen und geiſtigen Bedeutungen entgegenſezt und jene die
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fuͤhren, ſofern die Rede ein Produkt des menſchlichen Denkver-
moͤgens iſt. S. oben S. 47. Kein Wort, das in der Sprache
gewachſen iſt, hat ſolche Entgegenſezungen, ſondern jedes iſt gleich
eine Combination einer Mannigfaltigkeit von Beziehungen und
Übergaͤngen. Es giebt in der lebendigen Rede und Schrift kein
Wort, von dem man ſagen koͤnnte, es koͤnne als eine reine Einheit
dargeſtellt werden. Nur willkuͤhrlich gemachte Ausdruͤcke, die in der
Sprache nicht gewachſen ſind, haben keine verſchiedene Gebrauchs-
weiſe. So die techniſchen. Die lebendige, natuͤrlich wachſende
Sprache geht von Wahrnehmungen aus und fixirt ſie. Darin
liegt der Stoff zur Verſchiedenheit der Gebrauchsweiſen, weil in
der Wahrnehmung immer mehrere Beziehungen ſind. Wenn man
nun ſagen wollte, es gebe keine urſpruͤngliche Bezeichnung des
geiſtigen, dieſe ſei immer abgeleitet, ſo waͤre dieß eine materiali-
ſtiſche Anſicht von der Sprache. Verſteht man unter ſinnlichem,
was durch die aͤußere Wahrnehmung entſteht und unter geiſtigem,
was durch die innere, ſo iſt dieß einſeitig, denn alle urſpruͤngliche
Wahrnehmung iſt eine innere. Aber wohl iſt nichts abſtraktes
urſpruͤnglich in der Sprache, ſondern das concrete.
Wenn ein einzelner Ausdruck in einem Saze durch die un-
mittelbare Verbindung, worin er erſcheint, nicht klar iſt, ſo kann
dieß ſeinen Grund darin haben, daß der Ausdruck dem Hoͤrer
oder Leſer nicht in der Totalitaͤt ſeines Sprachwerthes bekannt iſt.
Dann tritt als ergaͤnzendes Verfahren der Gebrauch der Huͤlfs-
mittel ein, welche das Lexikon darbietet. Man muß ſich der Ein-
heit des Sprachwerthes bemaͤchtigen um die Mannigfaltigkeit der
Gebrauchsweiſen zu bekommen. Dieß kann nun nie vollkommen
gelingen, wenn man den Gebrauch durch Gegenſaͤze fixirt. Daher
muͤſſen die Gegenſaͤze, die das Lexikon macht, aufgehoben und
das Wort in ſeiner Einheit als ein nach verſchiedenen Seiten
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/75>, abgerufen am 04.12.2024.
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