licher Offenbarung oder anderswie. Sofern es nun aber im weiteren oder engeren Sinne etwas neues ist, müssen sich im N. T. Schwierigkeiten in Bezug auf die Sprache ergeben können, welche auf dem bisher bezeichneten Sprachgebiete, wo das neue noch nicht war, nicht gelös't werden können. Jede geistige Revo- lution ist sprachbildend, denn es entstehen Gedanken und reale Verhältnisse, welche eben als neue durch die Sprache, wie sie war, nicht bezeichnet werden können. Sie würden freilich gar nicht ausgedrückt werden können, wenn in der bisherigen Sprache keine Anknüpfungspunkte lägen. Aber ohne Kenntniß des neuen wür- den wir doch die Sprache in dieser Rücksicht nicht verstehen. Die Unpartheilichkeit des Auslegers fordert, daß er nicht voreilig die Frage entscheidet, sondern erst durch das Studium des N. T. selbst in dieser Hinsicht. Dabei ist denn auch Rücksicht zu neh- men auf die, welche das Christenthum nicht als etwas neues an- sehen wollen. Einige von ihnen wollen Analogien ganz in den apokryphischen Schriften finden, andere suchen in den Produkten des ägyptischen Judenthums, wie es mit mancherlei Notizen aus der griechischen Weisheit ausgestattet sei, vornehmlich aus der griechischen Philosophie der späteren Zeit, der neuplatonischen, alle wesentlichen Analogien für den neutest. Sprachgebrauch. Dieß muß berücksichtigt werden, und so haben wir gründlichst zu prü- fen, ob die neutest. Ausdrücke als Gedanken und Thatsachen in den Gemüthern der neutest. Schriftsteller sich vollständig erklären lassen aus den Elementen jener Sprachgebiete. Diese Untersu- chung muß immer im Gange bleiben und das ganze Gebiet so lange durchforscht werden, bis die Differenzen ausgeglichen sind und eine allgemeine Überzeugung sich gebildet hat. Aber davon sind wir leider noch sehr fern.
Wenn das ganze Gebiet des Hebraismus aus den griechi- schen Übersezungen des A. T., den Apokryphen, aus Philo und Josephus vollständig erkannt werden könnte, so könnte man auch bei dem N. T. der hebräischen Sprachkenntniß entbehren, weil man dann den ganzen Einfluß schon erkannt hätte. Allein dieß
licher Offenbarung oder anderswie. Sofern es nun aber im weiteren oder engeren Sinne etwas neues iſt, muͤſſen ſich im N. T. Schwierigkeiten in Bezug auf die Sprache ergeben koͤnnen, welche auf dem bisher bezeichneten Sprachgebiete, wo das neue noch nicht war, nicht geloͤſ't werden koͤnnen. Jede geiſtige Revo- lution iſt ſprachbildend, denn es entſtehen Gedanken und reale Verhaͤltniſſe, welche eben als neue durch die Sprache, wie ſie war, nicht bezeichnet werden koͤnnen. Sie wuͤrden freilich gar nicht ausgedruͤckt werden koͤnnen, wenn in der bisherigen Sprache keine Anknuͤpfungspunkte laͤgen. Aber ohne Kenntniß des neuen wuͤr- den wir doch die Sprache in dieſer Ruͤckſicht nicht verſtehen. Die Unpartheilichkeit des Auslegers fordert, daß er nicht voreilig die Frage entſcheidet, ſondern erſt durch das Studium des N. T. ſelbſt in dieſer Hinſicht. Dabei iſt denn auch Ruͤckſicht zu neh- men auf die, welche das Chriſtenthum nicht als etwas neues an- ſehen wollen. Einige von ihnen wollen Analogien ganz in den apokryphiſchen Schriften finden, andere ſuchen in den Produkten des aͤgyptiſchen Judenthums, wie es mit mancherlei Notizen aus der griechiſchen Weisheit ausgeſtattet ſei, vornehmlich aus der griechiſchen Philoſophie der ſpaͤteren Zeit, der neuplatoniſchen, alle weſentlichen Analogien fuͤr den neuteſt. Sprachgebrauch. Dieß muß beruͤckſichtigt werden, und ſo haben wir gruͤndlichſt zu pruͤ- fen, ob die neuteſt. Ausdruͤcke als Gedanken und Thatſachen in den Gemuͤthern der neuteſt. Schriftſteller ſich vollſtaͤndig erklaͤren laſſen aus den Elementen jener Sprachgebiete. Dieſe Unterſu- chung muß immer im Gange bleiben und das ganze Gebiet ſo lange durchforſcht werden, bis die Differenzen ausgeglichen ſind und eine allgemeine Überzeugung ſich gebildet hat. Aber davon ſind wir leider noch ſehr fern.
Wenn das ganze Gebiet des Hebraismus aus den griechi- ſchen Überſezungen des A. T., den Apokryphen, aus Philo und Joſephus vollſtaͤndig erkannt werden koͤnnte, ſo koͤnnte man auch bei dem N. T. der hebraͤiſchen Sprachkenntniß entbehren, weil man dann den ganzen Einfluß ſchon erkannt haͤtte. Allein dieß
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licher Offenbarung oder anderswie. Sofern es nun aber im
weiteren oder engeren Sinne etwas neues iſt, muͤſſen ſich im N.
T. Schwierigkeiten in Bezug auf die Sprache ergeben koͤnnen,
welche auf dem bisher bezeichneten Sprachgebiete, wo das neue
noch nicht war, nicht geloͤſ't werden koͤnnen. Jede geiſtige Revo-
lution iſt ſprachbildend, denn es entſtehen Gedanken und reale
Verhaͤltniſſe, welche eben als neue durch die Sprache, wie ſie war,
nicht bezeichnet werden koͤnnen. Sie wuͤrden freilich gar nicht
ausgedruͤckt werden koͤnnen, wenn in der bisherigen Sprache keine
Anknuͤpfungspunkte laͤgen. Aber ohne Kenntniß des neuen wuͤr-
den wir doch die Sprache in dieſer Ruͤckſicht nicht verſtehen. Die
Unpartheilichkeit des Auslegers fordert, daß er nicht voreilig die
Frage entſcheidet, ſondern erſt durch das Studium des N. T.
ſelbſt in dieſer Hinſicht. Dabei iſt denn auch Ruͤckſicht zu neh-
men auf die, welche das Chriſtenthum nicht als etwas neues an-
ſehen wollen. Einige von ihnen wollen Analogien ganz in den
apokryphiſchen Schriften finden, andere ſuchen in den Produkten
des aͤgyptiſchen Judenthums, wie es mit mancherlei Notizen aus
der griechiſchen Weisheit ausgeſtattet ſei, vornehmlich aus der
griechiſchen Philoſophie der ſpaͤteren Zeit, der neuplatoniſchen, alle
weſentlichen Analogien fuͤr den neuteſt. Sprachgebrauch. Dieß
muß beruͤckſichtigt werden, und ſo haben wir gruͤndlichſt zu pruͤ-
fen, ob die neuteſt. Ausdruͤcke als Gedanken und Thatſachen in
den Gemuͤthern der neuteſt. Schriftſteller ſich vollſtaͤndig erklaͤren
laſſen aus den Elementen jener Sprachgebiete. Dieſe Unterſu-
chung muß immer im Gange bleiben und das ganze Gebiet ſo
lange durchforſcht werden, bis die Differenzen ausgeglichen ſind
und eine allgemeine Überzeugung ſich gebildet hat. Aber davon
ſind wir leider noch ſehr fern.
Wenn das ganze Gebiet des Hebraismus aus den griechi-
ſchen Überſezungen des A. T., den Apokryphen, aus Philo und
Joſephus vollſtaͤndig erkannt werden koͤnnte, ſo koͤnnte man auch
bei dem N. T. der hebraͤiſchen Sprachkenntniß entbehren, weil
man dann den ganzen Einfluß ſchon erkannt haͤtte. Allein dieß
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/88>, abgerufen am 04.12.2024.
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