und zur Umgebung jeder einzelnen Stelle. Zweitens, eben so kommt man von dem zweiten Kanon zu dem ersten. Denn wenn die unmittelbare Verbindung von Subject, Prä- dicat und Beiwörtern zum Verstehen nicht genügt, muß man zu ähnlichen Stellen Zuflucht nehmen, und dann unter gün- stigen Umständen eben sowol außerhalb des Werkes, als außerhalb des Schriftstellers, aber immer nur innerhalb dessel- ben Sprachgebietes.
2. Darum ist auch der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Kanon mehr scheinbar als wahr, daß jener aus- schließend ist und dieser bestimmend, sondern in allem einzelnen ist dieser auch nur ausschließend. Jedes Beiwort schließt nur manche Gebrauchsweisen aus und nur aus der Totalität aller Ausschließungen entsteht die Bestimmung. Indem nun dieser Kanon in seinem weiteren Umfange auch die ganze Theorie der Parallelen enthält, so ist in beiden zusammen die ganze grammatische Interpretation beschlossen.
3. Es ist nun hier zu handeln von Bestimmung des for- mellen und materiellen Elements, beides aus dem unmittelbaren Zusammenhang und aus Parallelen auf qualitatives sowohl als quantitatives Verstehen gerichtet. Man kann jeden von diesen Gegensäzen zum Haupteintheilungsgrund machen und das eine wie das andere wird immer etwas für sich haben. Aber am natürlichsten ist doch das erste, weil es eine durch das ganze Geschäft hindurch gehende constante doppelte Richtung ist.
4. Die Erweiterung des Kanons welche im zu Hülfe neh- men der Parallelstellen liegt ist nur scheinbar, und der Ge- brauch der Parallelen wird durch den Kanon begrenzt. Denn nur das ist eine parallele Stelle, welche in Beziehung auf die vorgefundene Schwierigkeit als identisch mit dem Saze selbst also in der Einheit des Zusammenhanges kann gedacht werden.
5. Sind nun die beiden Elemente Haupttheile, so ist zweck- mäßig von Bestimmung des formellen Elements anzufangen, weil sich unser Verstehen des Einzelnen an das vorläufige des Ganzen
und zur Umgebung jeder einzelnen Stelle. Zweitens, eben ſo kommt man von dem zweiten Kanon zu dem erſten. Denn wenn die unmittelbare Verbindung von Subject, Praͤ- dicat und Beiwoͤrtern zum Verſtehen nicht genuͤgt, muß man zu aͤhnlichen Stellen Zuflucht nehmen, und dann unter guͤn- ſtigen Umſtaͤnden eben ſowol außerhalb des Werkes, als außerhalb des Schriftſtellers, aber immer nur innerhalb deſſel- ben Sprachgebietes.
2. Darum iſt auch der Unterſchied zwiſchen dem erſten und zweiten Kanon mehr ſcheinbar als wahr, daß jener aus- ſchließend iſt und dieſer beſtimmend, ſondern in allem einzelnen iſt dieſer auch nur ausſchließend. Jedes Beiwort ſchließt nur manche Gebrauchsweiſen aus und nur aus der Totalitaͤt aller Ausſchließungen entſteht die Beſtimmung. Indem nun dieſer Kanon in ſeinem weiteren Umfange auch die ganze Theorie der Parallelen enthaͤlt, ſo iſt in beiden zuſammen die ganze grammatiſche Interpretation beſchloſſen.
3. Es iſt nun hier zu handeln von Beſtimmung des for- mellen und materiellen Elements, beides aus dem unmittelbaren Zuſammenhang und aus Parallelen auf qualitatives ſowohl als quantitatives Verſtehen gerichtet. Man kann jeden von dieſen Gegenſaͤzen zum Haupteintheilungsgrund machen und das eine wie das andere wird immer etwas fuͤr ſich haben. Aber am natuͤrlichſten iſt doch das erſte, weil es eine durch das ganze Geſchaͤft hindurch gehende conſtante doppelte Richtung iſt.
4. Die Erweiterung des Kanons welche im zu Huͤlfe neh- men der Parallelſtellen liegt iſt nur ſcheinbar, und der Ge- brauch der Parallelen wird durch den Kanon begrenzt. Denn nur das iſt eine parallele Stelle, welche in Beziehung auf die vorgefundene Schwierigkeit als identiſch mit dem Saze ſelbſt alſo in der Einheit des Zuſammenhanges kann gedacht werden.
5. Sind nun die beiden Elemente Haupttheile, ſo iſt zweck- maͤßig von Beſtimmung des formellen Elements anzufangen, weil ſich unſer Verſtehen des Einzelnen an das vorlaͤufige des Ganzen
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und zur Umgebung jeder einzelnen Stelle. Zweitens, eben
ſo kommt man von dem zweiten Kanon zu dem erſten.
Denn wenn die unmittelbare Verbindung von Subject, Praͤ-
dicat und Beiwoͤrtern zum Verſtehen nicht genuͤgt, muß man
zu aͤhnlichen Stellen Zuflucht nehmen, und dann unter guͤn-
ſtigen Umſtaͤnden eben ſowol außerhalb des Werkes, als
außerhalb des Schriftſtellers, aber immer nur innerhalb deſſel-
ben Sprachgebietes.
2. Darum iſt auch der Unterſchied zwiſchen dem erſten und
zweiten Kanon mehr ſcheinbar als wahr, daß jener aus-
ſchließend iſt und dieſer beſtimmend, ſondern in allem einzelnen
iſt dieſer auch nur ausſchließend. Jedes Beiwort ſchließt nur
manche Gebrauchsweiſen aus und nur aus der Totalitaͤt aller
Ausſchließungen entſteht die Beſtimmung. Indem nun dieſer
Kanon in ſeinem weiteren Umfange auch die ganze Theorie
der Parallelen enthaͤlt, ſo iſt in beiden zuſammen die ganze
grammatiſche Interpretation beſchloſſen.
3. Es iſt nun hier zu handeln von Beſtimmung des for-
mellen und materiellen Elements, beides aus dem unmittelbaren
Zuſammenhang und aus Parallelen auf qualitatives ſowohl
als quantitatives Verſtehen gerichtet. Man kann jeden von
dieſen Gegenſaͤzen zum Haupteintheilungsgrund machen und das
eine wie das andere wird immer etwas fuͤr ſich haben. Aber
am natuͤrlichſten iſt doch das erſte, weil es eine durch das ganze
Geſchaͤft hindurch gehende conſtante doppelte Richtung iſt.
4. Die Erweiterung des Kanons welche im zu Huͤlfe neh-
men der Parallelſtellen liegt iſt nur ſcheinbar, und der Ge-
brauch der Parallelen wird durch den Kanon begrenzt. Denn
nur das iſt eine parallele Stelle, welche in Beziehung auf die
vorgefundene Schwierigkeit als identiſch mit dem Saze ſelbſt
alſo in der Einheit des Zuſammenhanges kann gedacht werden.
5. Sind nun die beiden Elemente Haupttheile, ſo iſt zweck-
maͤßig von Beſtimmung des formellen Elements anzufangen, weil
ſich unſer Verſtehen des Einzelnen an das vorlaͤufige des Ganzen
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/94>, abgerufen am 04.12.2024.
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