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Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.

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rufenen Mitanhörer der Weisheitsoffenbarungen sind. Gut, mögen
denn, wie dies bisher an Ihrer Zürcher Universität nur für die
Zürcher galt, so im Allgemeinen auch für alle Auswärtigen, und
somit auch für die nicht einheimischen Frauen, die Aufnahme
bedingende Prüfungen festgesetzt werden! Ich für meinen Theil,
ich will es Ihnen offen bekennen, würde nach der gegenwärtigen
Beschaffenheit meiner Kenntnisse nicht im Stande gewesen sein,
die geforderte Prüfung zu bestehen. Aber wenn ich, die Einzelne,
auch darunter gelitten hätte, wäre das von Ihnen befürwortete
Gesetz z. B. im vorigen Herbste bereits in Kraft gewesen; wenn
unter der neuen Einrichtung auch noch mancher Einzelne leiden
sollte; wenn gleich vielleicht doch eine gewisse Härte und Un-
gerechtigkeit darin liegt, von uns wie von Ihnen einen nämlichen
ganz bestimmten Höhepunkt des Wissens zu verlangen, zugleich
uns aber die Leitern vorzuenthalten, die Ihnen doch zur Verfügung
gestellt werden, und die in der systematischen, regelmässigen
Reihenfolge ihrer Sprossen bequem zu der verlangten Höhe führen:
dennoch heissen wir Ihre Forderungen willkommen,
dennoch halten wir sie
im Allgemeinen - und das ist mass-
gebend - für durchaus wohlthätig und segensreich!
- Und vielleicht gerade weil für die Frauen noch keine geordneten,
gebahnten Wege zu den Höhen der Wissenschaft führen, weil es
noch als ein aussergewöhnliches Beginnen angesehen werden kann,
wenn auch eine Frau die Kühnheit besitzt, eindringen zu wollen
in die Region der Wissenschaft, vielleicht gerade darum mag es
in gewisser Beziehung begründet sein, dass sie ihre Berechtigung
zu so aussergewöhnlichem Thun durch aussergewöhnliche Leistung
documentire. Seien Sie überzeugt, es werden sich genug aus
unsern Reihen finden, die das von Ihnen empfohlene Examen
bestehen, trotz des Nachtheils in welchem wir uns Ihnen gegenüber
in Bezug der Vorbereitung befinden. Wir werden den Gipfel zu
erreichen wissen, fehlen uns, minder begünstigt als Sie, auch die
hinaufführenden Leitern: wir werden zu fliegen verstehen! - Alles
in Allem, meine Herren, können wir Ihnen für Ihr Vorgehen nur
dankbar sein. Es liegt in unserm eignen Vortheil, wenn Sie hohe
Forderungen an uns stellen, wenn wir - Dank Ihrer Strenge! -
diese Forderungen erfüllen, unsere Kräfte anspannen und zur
Entfaltung bringen. Wir werden dadurch in Ihrer und in unserer
eigenen Schätzung steigen. Statt uns eine Demüthigung zu bereiten,
geben Sie uns somit Veranlassung zu erhöhter Geltung zu gelangen.

rufenen Mitanhörer der Weisheitsoffenbarungen sind. Gut, mögen
denn, wie dies bisher an Ihrer Zürcher Universität nur für die
Zürcher galt, so im Allgemeinen auch für alle Auswärtigen, und
somit auch für die nicht einheimischen Frauen, die Aufnahme
bedingende Prüfungen festgesetzt werden! Ich für meinen Theil,
ich will es Ihnen offen bekennen, würde nach der gegenwärtigen
Beschaffenheit meiner Kenntnisse nicht im Stande gewesen sein,
die geforderte Prüfung zu bestehen. Aber wenn ich, die Einzelne,
auch darunter gelitten hätte, wäre das von Ihnen befürwortete
Gesetz z. B. im vorigen Herbste bereits in Kraft gewesen; wenn
unter der neuen Einrichtung auch noch mancher Einzelne leiden
sollte; wenn gleich vielleicht doch eine gewisse Härte und Un-
gerechtigkeit darin liegt, von uns wie von Ihnen einen nämlichen
ganz bestimmten Höhepunkt des Wissens zu verlangen, zugleich
uns aber die Leitern vorzuenthalten, die Ihnen doch zur Verfügung
gestellt werden, und die in der systematischen, regelmässigen
Reihenfolge ihrer Sprossen bequem zu der verlangten Höhe führen:
dennoch heissen wir Ihre Forderungen willkommen,
dennoch halten wir sie
im Allgemeinen – und das ist mass-
gebend – für durchaus wohlthätig und segensreich!
– Und vielleicht gerade weil für die Frauen noch keine geordneten,
gebahnten Wege zu den Höhen der Wissenschaft führen, weil es
noch als ein aussergewöhnliches Beginnen angesehen werden kann,
wenn auch eine Frau die Kühnheit besitzt, eindringen zu wollen
in die Region der Wissenschaft, vielleicht gerade darum mag es
in gewisser Beziehung begründet sein, dass sie ihre Berechtigung
zu so aussergewöhnlichem Thun durch aussergewöhnliche Leistung
documentire. Seien Sie überzeugt, es werden sich genug aus
unsern Reihen finden, die das von Ihnen empfohlene Examen
bestehen, trotz des Nachtheils in welchem wir uns Ihnen gegenüber
in Bezug der Vorbereitung befinden. Wir werden den Gipfel zu
erreichen wissen, fehlen uns, minder begünstigt als Sie, auch die
hinaufführenden Leitern: wir werden zu fliegen verstehen! – Alles
in Allem, meine Herren, können wir Ihnen für Ihr Vorgehen nur
dankbar sein. Es liegt in unserm eignen Vortheil, wenn Sie hohe
Forderungen an uns stellen, wenn wir – Dank Ihrer Strenge! –
diese Forderungen erfüllen, unsere Kräfte anspannen und zur
Entfaltung bringen. Wir werden dadurch in Ihrer und in unserer
eigenen Schätzung steigen. Statt uns eine Demüthigung zu bereiten,
geben Sie uns somit Veranlassung zu erhöhter Geltung zu gelangen.

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[11/0011] rufenen Mitanhörer der Weisheitsoffenbarungen sind. Gut, mögen denn, wie dies bisher an Ihrer Zürcher Universität nur für die Zürcher galt, so im Allgemeinen auch für alle Auswärtigen, und somit auch für die nicht einheimischen Frauen, die Aufnahme bedingende Prüfungen festgesetzt werden! Ich für meinen Theil, ich will es Ihnen offen bekennen, würde nach der gegenwärtigen Beschaffenheit meiner Kenntnisse nicht im Stande gewesen sein, die geforderte Prüfung zu bestehen. Aber wenn ich, die Einzelne, auch darunter gelitten hätte, wäre das von Ihnen befürwortete Gesetz z. B. im vorigen Herbste bereits in Kraft gewesen; wenn unter der neuen Einrichtung auch noch mancher Einzelne leiden sollte; wenn gleich vielleicht doch eine gewisse Härte und Un- gerechtigkeit darin liegt, von uns wie von Ihnen einen nämlichen ganz bestimmten Höhepunkt des Wissens zu verlangen, zugleich uns aber die Leitern vorzuenthalten, die Ihnen doch zur Verfügung gestellt werden, und die in der systematischen, regelmässigen Reihenfolge ihrer Sprossen bequem zu der verlangten Höhe führen: dennoch heissen wir Ihre Forderungen willkommen, dennoch halten wir sie im Allgemeinen – und das ist mass- gebend – für durchaus wohlthätig und segensreich! – Und vielleicht gerade weil für die Frauen noch keine geordneten, gebahnten Wege zu den Höhen der Wissenschaft führen, weil es noch als ein aussergewöhnliches Beginnen angesehen werden kann, wenn auch eine Frau die Kühnheit besitzt, eindringen zu wollen in die Region der Wissenschaft, vielleicht gerade darum mag es in gewisser Beziehung begründet sein, dass sie ihre Berechtigung zu so aussergewöhnlichem Thun durch aussergewöhnliche Leistung documentire. Seien Sie überzeugt, es werden sich genug aus unsern Reihen finden, die das von Ihnen empfohlene Examen bestehen, trotz des Nachtheils in welchem wir uns Ihnen gegenüber in Bezug der Vorbereitung befinden. Wir werden den Gipfel zu erreichen wissen, fehlen uns, minder begünstigt als Sie, auch die hinaufführenden Leitern: wir werden zu fliegen verstehen! – Alles in Allem, meine Herren, können wir Ihnen für Ihr Vorgehen nur dankbar sein. Es liegt in unserm eignen Vortheil, wenn Sie hohe Forderungen an uns stellen, wenn wir – Dank Ihrer Strenge! – diese Forderungen erfüllen, unsere Kräfte anspannen und zur Entfaltung bringen. Wir werden dadurch in Ihrer und in unserer eigenen Schätzung steigen. Statt uns eine Demüthigung zu bereiten, geben Sie uns somit Veranlassung zu erhöhter Geltung zu gelangen.

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Zitationshilfe: Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872/11>, abgerufen am 29.03.2024.