Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.Nun will ich, wenn ich mich gleich nur mit einem gewissen Nun will ich, wenn ich mich gleich nur mit einem gewissen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0012" n="12"/> <p>Nun will ich, wenn ich mich gleich nur mit einem gewissen<lb/> Widerstreben dazu anzuschicken vermag, noch einen letzten Punkt<lb/> berühren. Es ist gesagt worden, durch Zulassung von Damen als<lb/> Zuhörerinnen an der Universität sei die akademische Disciplin der<lb/> Gefahr einer Lockerung ausgesetzt! – Diesen Satz bestreite ich<lb/> Ihnen. Seinem innersten Gehalte, seiner spekulativen, allgemeinen<lb/> Bedeutung nach ist er unwahr, muss er unwahr sein. Könnte<lb/> wirklich und thatsächlich im Allgemeinen, im Prinzip, von der<lb/> Anwesenheit der Frau ein die Sitten lockernder und vergröbernder<lb/> Einfluss befürchtet werden – es wäre damit gesagt: Weiblichkeit<lb/> habe aufgehört Weiblichkeit, die Frau – Frau zu sein. – Treten<lb/> Sie mir entgegen, indem Sie auf einzelne traurige Beispiele hin-<lb/> weisen, wo allerdings das Auftreten von Frauen Anlass zu Aerger-<lb/> nissen gegeben hat, so gestehe ich Ihnen ein: je höher das Wesen<lb/> einer Frau, um so beklagenswerther und furchtbarer, dass sie es<lb/> verläugnen konnte; aber gerade weil hier eine Verläugnung, eine<lb/> Verkehrung des Wesens stattgefunden hat, haben Sie keine Berech-<lb/> tigung daraus die Norm und Grundlage allgemeingültiger, princi-<lb/> pieller Bestimmungen zu abstrahiren. Meine Herren, werden Sie<lb/> in Ihrer Opposition gegen die weiblichen Studenten auch von<lb/> derartigen Bedenken, wie die eben angedeuteten, beeinflusst, so<lb/> fügen Sie damit dem ganzen weiblichen Geschlechte in seiner<lb/> Totalität eine unerhörte Beleidigung zu, so handeln Sie in einer<lb/> Weise, wie sie dem Manne nicht ziemt – und das wollen Sie<lb/> nicht. Der Frau Achtung zu beweisen, das ist die Ehre <hi rendition="#g">Ihres</hi><lb/> Geschlechtes, sie in dem Gefühl ihrer weiblichen Würde verletzen,<lb/> heisst den Adel des Mannes verläugnen. – Sollte nun aber doch<lb/> ein oder das andere Mal der beklagenswerthe, abnorme Fall ein-<lb/> treten, dass weibliche Studirende sich eines ungehörigen Benehmens<lb/> schuldig machen? – Meine Herren, vereinigen Sie sich mit uns<lb/> in dem Wunsch, die akademische Disciplin durch strengste Gesetze<lb/> verschärft und geregelt, durch strengste Handhabung dieser Gesetze<lb/> aufrecht erhalten zu sehen. Wahrlich, wir Frauen sind zumeist<lb/> dabei betheiligt, dass ein Geist sittlichen Ernstes und höchster<lb/> Ordnung in den Hörsälen walte; dass der „Tempel der Wissenschaft“,<lb/> in den auch wir Aufnahme verlangen, in Wahrheit ein Tempel,<lb/> ein Heiligthum sei, dessen geweihte Mauern die Würdigkeit des<lb/> sich hier Zutragenden garantiren. – Wer gegen die Heiligkeit des<lb/> Ortes sich vergeht, werde ausgestossen als ein Unwürdiger, verwirkt<lb/> sei von ihm das Recht an geweihter Stätte zu weilen, theilzunehmen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
Nun will ich, wenn ich mich gleich nur mit einem gewissen
Widerstreben dazu anzuschicken vermag, noch einen letzten Punkt
berühren. Es ist gesagt worden, durch Zulassung von Damen als
Zuhörerinnen an der Universität sei die akademische Disciplin der
Gefahr einer Lockerung ausgesetzt! – Diesen Satz bestreite ich
Ihnen. Seinem innersten Gehalte, seiner spekulativen, allgemeinen
Bedeutung nach ist er unwahr, muss er unwahr sein. Könnte
wirklich und thatsächlich im Allgemeinen, im Prinzip, von der
Anwesenheit der Frau ein die Sitten lockernder und vergröbernder
Einfluss befürchtet werden – es wäre damit gesagt: Weiblichkeit
habe aufgehört Weiblichkeit, die Frau – Frau zu sein. – Treten
Sie mir entgegen, indem Sie auf einzelne traurige Beispiele hin-
weisen, wo allerdings das Auftreten von Frauen Anlass zu Aerger-
nissen gegeben hat, so gestehe ich Ihnen ein: je höher das Wesen
einer Frau, um so beklagenswerther und furchtbarer, dass sie es
verläugnen konnte; aber gerade weil hier eine Verläugnung, eine
Verkehrung des Wesens stattgefunden hat, haben Sie keine Berech-
tigung daraus die Norm und Grundlage allgemeingültiger, princi-
pieller Bestimmungen zu abstrahiren. Meine Herren, werden Sie
in Ihrer Opposition gegen die weiblichen Studenten auch von
derartigen Bedenken, wie die eben angedeuteten, beeinflusst, so
fügen Sie damit dem ganzen weiblichen Geschlechte in seiner
Totalität eine unerhörte Beleidigung zu, so handeln Sie in einer
Weise, wie sie dem Manne nicht ziemt – und das wollen Sie
nicht. Der Frau Achtung zu beweisen, das ist die Ehre Ihres
Geschlechtes, sie in dem Gefühl ihrer weiblichen Würde verletzen,
heisst den Adel des Mannes verläugnen. – Sollte nun aber doch
ein oder das andere Mal der beklagenswerthe, abnorme Fall ein-
treten, dass weibliche Studirende sich eines ungehörigen Benehmens
schuldig machen? – Meine Herren, vereinigen Sie sich mit uns
in dem Wunsch, die akademische Disciplin durch strengste Gesetze
verschärft und geregelt, durch strengste Handhabung dieser Gesetze
aufrecht erhalten zu sehen. Wahrlich, wir Frauen sind zumeist
dabei betheiligt, dass ein Geist sittlichen Ernstes und höchster
Ordnung in den Hörsälen walte; dass der „Tempel der Wissenschaft“,
in den auch wir Aufnahme verlangen, in Wahrheit ein Tempel,
ein Heiligthum sei, dessen geweihte Mauern die Würdigkeit des
sich hier Zutragenden garantiren. – Wer gegen die Heiligkeit des
Ortes sich vergeht, werde ausgestossen als ein Unwürdiger, verwirkt
sei von ihm das Recht an geweihter Stätte zu weilen, theilzunehmen
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