Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

den Artzt lauffen, allein sie hätten geantwortet, nein
das thun wir nicht, wären damit sofort in der Nacht
davon gelauffen, gestern acht Tage wäre ihr Mann
darauf verstorben.

§. 77.

So vielmehr favorisirte uns das löbliche Hoff-Gerichte,
wurde noch schlüßig, ihn dem Getümmel abzunehmen und in ein besonderes
Gesängniß zuführen, das besser konnte verwahret und wider den Anlauff der
Menschen defendiret werden, damit keiner, ausser einer von denen Wacht-
haltenden Soldaten, bey ihm verschlossen bleibe, und auf die Weise der lei-
dige Brandtewein, und überflüßiges Bier sowol, als auch unnöthiger Be-
such der Leute abgehalten würde. Diese neue Herberge stand ihme Anfangs
nicht so gut an, indem er zum voraus sahe, man würde schärffere Aufsicht
auf ihn haben, bevorab, da die Wacht Stube unfern von seinem Gefängniß
anzutreffen war. Solchen seinen Unwillen zur neuen Umquartierung be-
zeugete er sowol mit Gebehrden und Zaudern, ehe er seine Bagage recht auf-
nehmen und damit herunter wolte, als auch, da Gebehrden nichts verfien-
gen, ließ er auch wol stürmische Worte fliehen, davon er aber durch Bedro-
hung, gezüchtiget zu werden, von denen Gerichten herabgebracht und äusser-
lich stille gemacht wurde.

§. 78.

Er möchte es nun selbst entweder gern oder übel eingehen, so
wurde es für heilsam und nützlich erkandt, daß vielleicht im neugeräumten
Gefängniß seine Seele noch eher möchte nüchtern werden, oder doch an der
Prediger Seiten möglichster massen verhütet würde, was uns nach seinem
Tode könnte Scrupel machen, daß an diesem armen Menschen noch etwas
wäre versäumet, oder etwa eine Hinderniß unweggethan blieben, das ihme
seine Bekehrung von aussen auch gehemmet hätte. Und so mit ihme um-
zugehen, konnte uns kein Verständiger verdencken; dann wir wolten unsre
Arbeit nicht vergeblich thun, und unsre Kräffte umsonst bey diesem Mann
zu setzen, sondern alles versuchen, was wir ichts ersinnen konnten, nachdem
wir ja nach vorgelegten Urthel anders nichts als seinen beständigen Tod
vor uns sahen, gleichwol aber so schlechte Zubereitung und Anschickung seiner
Seelen zum seeligen Tode an ihme anrichten konten, so ängstiglich wir
auch mit einhelligem Gemüthe darnach ausgiengen.

§. 79.

Des Abends noch muste er gemeldeter massen ins neue Quar-
tier; Allein sein Einzug geschahe wie auch gemeldet ist mit Murren und

To-

den Artzt lauffen, allein ſie haͤtten geantwortet, nein
das thun wir nicht, waͤren damit ſofort in der Nacht
davon gelauffen, geſtern acht Tage waͤre ihr Mann
darauf verſtorben.

§. 77.

So vielmehr favoriſirte uns das loͤbliche Hoff-Gerichte,
wurde noch ſchluͤßig, ihn dem Getuͤmmel abzunehmen und in ein beſonderes
Geſaͤngniß zufuͤhren, das beſſer konnte verwahret und wider den Anlauff der
Menſchen defendiret werden, damit keiner, auſſer einer von denen Wacht-
haltenden Soldaten, bey ihm verſchloſſen bleibe, und auf die Weiſe der lei-
dige Brandtewein, und uͤberfluͤßiges Bier ſowol, als auch unnoͤthiger Be-
ſuch der Leute abgehalten wuͤrde. Dieſe neue Herberge ſtand ihme Anfangs
nicht ſo gut an, indem er zum voraus ſahe, man wuͤrde ſchaͤrffere Aufſicht
auf ihn haben, bevorab, da die Wacht Stube unfern von ſeinem Gefaͤngniß
anzutreffen war. Solchen ſeinen Unwillen zur neuen Umquartierung be-
zeugete er ſowol mit Gebehrden und Zaudern, ehe er ſeine Bagage recht auf-
nehmen und damit herunter wolte, als auch, da Gebehrden nichts verfien-
gen, ließ er auch wol ſtuͤrmiſche Worte fliehen, davon er aber durch Bedro-
hung, gezuͤchtiget zu werden, von denen Gerichten herabgebracht und aͤuſſer-
lich ſtille gemacht wurde.

§. 78.

Er moͤchte es nun ſelbſt entweder gern oder uͤbel eingehen, ſo
wurde es fuͤr heilſam und nuͤtzlich erkandt, daß vielleicht im neugeraͤumten
Gefaͤngniß ſeine Seele noch eher moͤchte nuͤchtern werden, oder doch an der
Prediger Seiten moͤglichſter maſſen verhuͤtet wuͤrde, was uns nach ſeinem
Tode koͤnnte Scrupel machen, daß an dieſem armen Menſchen noch etwas
waͤre verſaͤumet, oder etwa eine Hinderniß unweggethan blieben, das ihme
ſeine Bekehrung von auſſen auch gehemmet haͤtte. Und ſo mit ihme um-
zugehen, konnte uns kein Verſtaͤndiger verdencken; dann wir wolten unſre
Arbeit nicht vergeblich thun, und unſre Kraͤffte umſonſt bey dieſem Mann
zu ſetzen, ſondern alles verſuchen, was wir ichts erſinnen konnten, nachdem
wir ja nach vorgelegten Urthel anders nichts als ſeinen beſtaͤndigen Tod
vor uns ſahen, gleichwol aber ſo ſchlechte Zubereitung und Anſchickung ſeiner
Seelen zum ſeeligen Tode an ihme anrichten konten, ſo aͤngſtiglich wir
auch mit einhelligem Gemuͤthe darnach ausgiengen.

§. 79.

Des Abends noch muſte er gemeldeter maſſen ins neue Quar-
tier; Allein ſein Einzug geſchahe wie auch gemeldet iſt mit Murren und

To-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="60[58]"/>
den Artzt lauffen, allein &#x017F;ie ha&#x0364;tten geantwortet, nein<lb/>
das thun wir nicht, wa&#x0364;ren damit &#x017F;ofort in der Nacht<lb/>
davon gelauffen, ge&#x017F;tern acht Tage wa&#x0364;re ihr Mann<lb/>
darauf ver&#x017F;torben.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 77.</head>
        <p>So vielmehr <hi rendition="#aq">favori&#x017F;ir</hi>te uns das lo&#x0364;bliche Hoff-Gerichte,<lb/>
wurde noch &#x017F;chlu&#x0364;ßig, ihn dem Getu&#x0364;mmel abzunehmen und in ein be&#x017F;onderes<lb/>
Ge&#x017F;a&#x0364;ngniß zufu&#x0364;hren, das be&#x017F;&#x017F;er konnte verwahret und wider den Anlauff der<lb/>
Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">defendir</hi>et werden, damit keiner, au&#x017F;&#x017F;er einer von denen Wacht-<lb/>
haltenden Soldaten, bey ihm ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bleibe, und auf die Wei&#x017F;e der lei-<lb/>
dige Brandtewein, und u&#x0364;berflu&#x0364;ßiges Bier &#x017F;owol, als auch unno&#x0364;thiger Be-<lb/>
&#x017F;uch der Leute abgehalten wu&#x0364;rde. Die&#x017F;e neue Herberge &#x017F;tand ihme Anfangs<lb/>
nicht &#x017F;o gut an, indem er zum voraus &#x017F;ahe, man wu&#x0364;rde &#x017F;cha&#x0364;rffere Auf&#x017F;icht<lb/>
auf ihn haben, bevorab, da die Wacht Stube unfern von &#x017F;einem Gefa&#x0364;ngniß<lb/>
anzutreffen war. Solchen &#x017F;einen Unwillen zur neuen Umquartierung be-<lb/>
zeugete er &#x017F;owol mit Gebehrden und Zaudern, ehe er &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Bagage</hi> recht auf-<lb/>
nehmen und damit herunter wolte, als auch, da Gebehrden nichts verfien-<lb/>
gen, ließ er auch wol &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che Worte fliehen, davon er aber durch Bedro-<lb/>
hung, gezu&#x0364;chtiget zu werden, von denen Gerichten herabgebracht und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
lich &#x017F;tille gemacht wurde.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 78.</head>
        <p>Er mo&#x0364;chte es nun &#x017F;elb&#x017F;t entweder gern oder u&#x0364;bel eingehen, &#x017F;o<lb/>
wurde es fu&#x0364;r heil&#x017F;am und nu&#x0364;tzlich erkandt, daß vielleicht im neugera&#x0364;umten<lb/>
Gefa&#x0364;ngniß &#x017F;eine Seele noch eher mo&#x0364;chte nu&#x0364;chtern werden, oder doch an der<lb/>
Prediger Seiten mo&#x0364;glich&#x017F;ter ma&#x017F;&#x017F;en verhu&#x0364;tet wu&#x0364;rde, was uns nach &#x017F;einem<lb/>
Tode ko&#x0364;nnte <hi rendition="#aq">Scrupel</hi> machen, daß an die&#x017F;em armen Men&#x017F;chen noch etwas<lb/>
wa&#x0364;re ver&#x017F;a&#x0364;umet, oder etwa eine Hinderniß unweggethan blieben, das ihme<lb/>
&#x017F;eine Bekehrung von au&#x017F;&#x017F;en auch gehemmet ha&#x0364;tte. Und &#x017F;o mit ihme um-<lb/>
zugehen, konnte uns kein Ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger verdencken; dann wir wolten un&#x017F;re<lb/>
Arbeit nicht vergeblich thun, und un&#x017F;re Kra&#x0364;ffte um&#x017F;on&#x017F;t bey die&#x017F;em Mann<lb/>
zu &#x017F;etzen, &#x017F;ondern alles ver&#x017F;uchen, was wir ichts er&#x017F;innen konnten, nachdem<lb/>
wir ja nach vorgelegten Urthel anders nichts als &#x017F;einen be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Tod<lb/>
vor uns &#x017F;ahen, gleichwol aber &#x017F;o &#x017F;chlechte Zubereitung und An&#x017F;chickung &#x017F;einer<lb/>
Seelen zum &#x017F;eeligen Tode an ihme anrichten konten, &#x017F;o a&#x0364;ng&#x017F;tiglich wir<lb/>
auch mit einhelligem Gemu&#x0364;the darnach ausgiengen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 79.</head>
        <p>Des Abends noch mu&#x017F;te er gemeldeter ma&#x017F;&#x017F;en ins neue Quar-<lb/>
tier; Allein &#x017F;ein Einzug ge&#x017F;chahe wie auch gemeldet i&#x017F;t mit Murren und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">To-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60[58]/0066] den Artzt lauffen, allein ſie haͤtten geantwortet, nein das thun wir nicht, waͤren damit ſofort in der Nacht davon gelauffen, geſtern acht Tage waͤre ihr Mann darauf verſtorben. §. 77. So vielmehr favoriſirte uns das loͤbliche Hoff-Gerichte, wurde noch ſchluͤßig, ihn dem Getuͤmmel abzunehmen und in ein beſonderes Geſaͤngniß zufuͤhren, das beſſer konnte verwahret und wider den Anlauff der Menſchen defendiret werden, damit keiner, auſſer einer von denen Wacht- haltenden Soldaten, bey ihm verſchloſſen bleibe, und auf die Weiſe der lei- dige Brandtewein, und uͤberfluͤßiges Bier ſowol, als auch unnoͤthiger Be- ſuch der Leute abgehalten wuͤrde. Dieſe neue Herberge ſtand ihme Anfangs nicht ſo gut an, indem er zum voraus ſahe, man wuͤrde ſchaͤrffere Aufſicht auf ihn haben, bevorab, da die Wacht Stube unfern von ſeinem Gefaͤngniß anzutreffen war. Solchen ſeinen Unwillen zur neuen Umquartierung be- zeugete er ſowol mit Gebehrden und Zaudern, ehe er ſeine Bagage recht auf- nehmen und damit herunter wolte, als auch, da Gebehrden nichts verfien- gen, ließ er auch wol ſtuͤrmiſche Worte fliehen, davon er aber durch Bedro- hung, gezuͤchtiget zu werden, von denen Gerichten herabgebracht und aͤuſſer- lich ſtille gemacht wurde. §. 78. Er moͤchte es nun ſelbſt entweder gern oder uͤbel eingehen, ſo wurde es fuͤr heilſam und nuͤtzlich erkandt, daß vielleicht im neugeraͤumten Gefaͤngniß ſeine Seele noch eher moͤchte nuͤchtern werden, oder doch an der Prediger Seiten moͤglichſter maſſen verhuͤtet wuͤrde, was uns nach ſeinem Tode koͤnnte Scrupel machen, daß an dieſem armen Menſchen noch etwas waͤre verſaͤumet, oder etwa eine Hinderniß unweggethan blieben, das ihme ſeine Bekehrung von auſſen auch gehemmet haͤtte. Und ſo mit ihme um- zugehen, konnte uns kein Verſtaͤndiger verdencken; dann wir wolten unſre Arbeit nicht vergeblich thun, und unſre Kraͤffte umſonſt bey dieſem Mann zu ſetzen, ſondern alles verſuchen, was wir ichts erſinnen konnten, nachdem wir ja nach vorgelegten Urthel anders nichts als ſeinen beſtaͤndigen Tod vor uns ſahen, gleichwol aber ſo ſchlechte Zubereitung und Anſchickung ſeiner Seelen zum ſeeligen Tode an ihme anrichten konten, ſo aͤngſtiglich wir auch mit einhelligem Gemuͤthe darnach ausgiengen. §. 79. Des Abends noch muſte er gemeldeter maſſen ins neue Quar- tier; Allein ſein Einzug geſchahe wie auch gemeldet iſt mit Murren und To-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/66
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 60[58]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/66>, abgerufen am 24.11.2024.