Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seine Genossen, so lange sie in dem Städtchen sein würden, noch öfter besuchen wolle. Ich hielt es auch, aber -- war es Zufall, oder war es eine Laune des Alten, mir auszuweichen, ich begegnete ihm nicht mehr, und dieser Umstand hat vielleicht mitgewirkt, mir die Begegnung mit ihm und die Geschichte vom Mohrenfranzel besonders einzuprägen. Achtzehn Jahre mochten ungefähr vergangen sein, seit die französischen Heersäulen freundlich und feindlich das Gebiet des Hochstifts Salzburg und die angrenzenden Theile von Bayern durchzogen und darin an manchen Orten auf kürzere oder längere Zeit ihre Quartiere aufgeschlagen hatten. Es war bereits ein jüngeres Geschlecht herangewachsen, das die Erlebnisse und Drangsale jener Zeit nur mehr vom Hörensagen kannte; die früher so sichtbaren Spuren des Aufenthalts dieser unwillkommenen Gäste waren vollends verwischt, und höchstens ein paar an der Laufener Stifskirche eingemauerte Kanonenkugeln erinnerten daran, daß die Franzosen mit ihren Gastgeschenken nicht eben sehr wählig gewesen waren. Der Spätherbst war im vollen Anzuge; zum letztenmal war die "Hohenau" -- so heißt immer das Hauptschiff eines Zuges -- stromaufwärts gezogen worden, und die Vorbereitungen für die Beschäftigung des Winters waren im vollen Gange. Deßhalb war es in der "Schopperstadt," wo die Schiffbauer wohnen, an einem Vormittag besonders lebendig, denn in einem seine Genossen, so lange sie in dem Städtchen sein würden, noch öfter besuchen wolle. Ich hielt es auch, aber — war es Zufall, oder war es eine Laune des Alten, mir auszuweichen, ich begegnete ihm nicht mehr, und dieser Umstand hat vielleicht mitgewirkt, mir die Begegnung mit ihm und die Geschichte vom Mohrenfranzel besonders einzuprägen. Achtzehn Jahre mochten ungefähr vergangen sein, seit die französischen Heersäulen freundlich und feindlich das Gebiet des Hochstifts Salzburg und die angrenzenden Theile von Bayern durchzogen und darin an manchen Orten auf kürzere oder längere Zeit ihre Quartiere aufgeschlagen hatten. Es war bereits ein jüngeres Geschlecht herangewachsen, das die Erlebnisse und Drangsale jener Zeit nur mehr vom Hörensagen kannte; die früher so sichtbaren Spuren des Aufenthalts dieser unwillkommenen Gäste waren vollends verwischt, und höchstens ein paar an der Laufener Stifskirche eingemauerte Kanonenkugeln erinnerten daran, daß die Franzosen mit ihren Gastgeschenken nicht eben sehr wählig gewesen waren. Der Spätherbst war im vollen Anzuge; zum letztenmal war die „Hohenau“ — so heißt immer das Hauptschiff eines Zuges — stromaufwärts gezogen worden, und die Vorbereitungen für die Beschäftigung des Winters waren im vollen Gange. Deßhalb war es in der „Schopperstadt,“ wo die Schiffbauer wohnen, an einem Vormittag besonders lebendig, denn in einem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0016"/> seine Genossen, so lange sie in dem Städtchen sein würden, noch öfter besuchen wolle. Ich hielt es auch, aber — war es Zufall, oder war es eine Laune des Alten, mir auszuweichen, ich begegnete ihm nicht mehr, und dieser Umstand hat vielleicht mitgewirkt, mir die Begegnung mit ihm und die Geschichte vom Mohrenfranzel besonders einzuprägen.</p><lb/> <p>Achtzehn Jahre mochten ungefähr vergangen sein, seit die französischen Heersäulen freundlich und feindlich das Gebiet des Hochstifts Salzburg und die angrenzenden Theile von Bayern durchzogen und darin an manchen Orten auf kürzere oder längere Zeit ihre Quartiere aufgeschlagen hatten. Es war bereits ein jüngeres Geschlecht herangewachsen, das die Erlebnisse und Drangsale jener Zeit nur mehr vom Hörensagen kannte; die früher so sichtbaren Spuren des Aufenthalts dieser unwillkommenen Gäste waren vollends verwischt, und höchstens ein paar an der Laufener Stifskirche eingemauerte Kanonenkugeln erinnerten daran, daß die Franzosen mit ihren Gastgeschenken nicht eben sehr wählig gewesen waren. Der Spätherbst war im vollen Anzuge; zum letztenmal war die „Hohenau“ — so heißt immer das Hauptschiff eines Zuges — stromaufwärts gezogen worden, und die Vorbereitungen für die Beschäftigung des Winters waren im vollen Gange. Deßhalb war es in der „Schopperstadt,“ wo die Schiffbauer wohnen, an einem Vormittag besonders lebendig, denn in einem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
seine Genossen, so lange sie in dem Städtchen sein würden, noch öfter besuchen wolle. Ich hielt es auch, aber — war es Zufall, oder war es eine Laune des Alten, mir auszuweichen, ich begegnete ihm nicht mehr, und dieser Umstand hat vielleicht mitgewirkt, mir die Begegnung mit ihm und die Geschichte vom Mohrenfranzel besonders einzuprägen.
Achtzehn Jahre mochten ungefähr vergangen sein, seit die französischen Heersäulen freundlich und feindlich das Gebiet des Hochstifts Salzburg und die angrenzenden Theile von Bayern durchzogen und darin an manchen Orten auf kürzere oder längere Zeit ihre Quartiere aufgeschlagen hatten. Es war bereits ein jüngeres Geschlecht herangewachsen, das die Erlebnisse und Drangsale jener Zeit nur mehr vom Hörensagen kannte; die früher so sichtbaren Spuren des Aufenthalts dieser unwillkommenen Gäste waren vollends verwischt, und höchstens ein paar an der Laufener Stifskirche eingemauerte Kanonenkugeln erinnerten daran, daß die Franzosen mit ihren Gastgeschenken nicht eben sehr wählig gewesen waren. Der Spätherbst war im vollen Anzuge; zum letztenmal war die „Hohenau“ — so heißt immer das Hauptschiff eines Zuges — stromaufwärts gezogen worden, und die Vorbereitungen für die Beschäftigung des Winters waren im vollen Gange. Deßhalb war es in der „Schopperstadt,“ wo die Schiffbauer wohnen, an einem Vormittag besonders lebendig, denn in einem
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