Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Oder wir müßten schauen, daß wir ein neues Stück bekämen, in dem der Teufel vorkommt, da könnte sie dann seine Großmutter vorstellen.

Schade, daß bei den heiligen drei Königen der schwarze Kaspar ein Mannsbild ist, da könnt' man sie prächtig brauchen dazu!

So flog Spott und derber Spaß unter lautem Gelächter hin und her. Hanney allein betheiligte sich nicht daran und sah theilnehmend nach der fremdgewordenen Jugendgespielin hinüber. Sie war unbeweglich wie zuvor.

Jetzt gab eine Glocke das Zeichen zum Beginn der Versammlung und der Verhandlungen. Alles strömte dem Schopperstadel zu, der sich bald mit einer ansehnlichen Menge füllte, unterschieden nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern auch nach Stand und Würden, die nach der patriarchalischen Verfassung der ganzen Zunft noch strenge aufrecht gehalten und beobachtet wurden. Um den Zunftmeister waren die älteren Schiffer, die Schopper oder Schiffbauer, die Vorderstangenreiter versammelt; nebenan kamen ihre Weiber, die entweder aus Neugier Zuhörerinnen abgeben wollten oder noch die Frauenrollen zu übernehmen hatten. Die jüngeren Leute gruppirten sich in der Runde, je nachdem Neigung und Bekanntschaft sie zu einander führten. Eines von den Mädchen zeichnete sich vor den übrigen durch den feinern Anzug und die goldene Halskette aus, während die übrigen sich dabei, wie an den Mieder-

Oder wir müßten schauen, daß wir ein neues Stück bekämen, in dem der Teufel vorkommt, da könnte sie dann seine Großmutter vorstellen.

Schade, daß bei den heiligen drei Königen der schwarze Kaspar ein Mannsbild ist, da könnt' man sie prächtig brauchen dazu!

So flog Spott und derber Spaß unter lautem Gelächter hin und her. Hanney allein betheiligte sich nicht daran und sah theilnehmend nach der fremdgewordenen Jugendgespielin hinüber. Sie war unbeweglich wie zuvor.

Jetzt gab eine Glocke das Zeichen zum Beginn der Versammlung und der Verhandlungen. Alles strömte dem Schopperstadel zu, der sich bald mit einer ansehnlichen Menge füllte, unterschieden nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern auch nach Stand und Würden, die nach der patriarchalischen Verfassung der ganzen Zunft noch strenge aufrecht gehalten und beobachtet wurden. Um den Zunftmeister waren die älteren Schiffer, die Schopper oder Schiffbauer, die Vorderstangenreiter versammelt; nebenan kamen ihre Weiber, die entweder aus Neugier Zuhörerinnen abgeben wollten oder noch die Frauenrollen zu übernehmen hatten. Die jüngeren Leute gruppirten sich in der Runde, je nachdem Neigung und Bekanntschaft sie zu einander führten. Eines von den Mädchen zeichnete sich vor den übrigen durch den feinern Anzug und die goldene Halskette aus, während die übrigen sich dabei, wie an den Mieder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <pb facs="#f0022"/>
        <p>Oder wir müßten schauen, daß wir ein neues Stück bekämen, in dem der Teufel vorkommt,                da könnte sie dann seine Großmutter vorstellen.</p><lb/>
        <p>Schade, daß bei den heiligen drei Königen der schwarze Kaspar ein Mannsbild ist, da                könnt' man sie prächtig brauchen dazu!</p><lb/>
        <p>So flog Spott und derber Spaß unter lautem Gelächter hin und her. Hanney allein                betheiligte sich nicht daran und sah theilnehmend nach der fremdgewordenen                Jugendgespielin hinüber. Sie war unbeweglich wie zuvor.</p><lb/>
        <p>Jetzt gab eine Glocke das Zeichen zum Beginn der Versammlung und der Verhandlungen.                Alles strömte dem Schopperstadel zu, der sich bald mit einer ansehnlichen Menge                füllte, unterschieden nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern auch nach Stand                und Würden, die nach der patriarchalischen Verfassung der ganzen Zunft noch strenge                aufrecht gehalten und beobachtet wurden. Um den Zunftmeister waren die älteren                Schiffer, die Schopper oder Schiffbauer, die Vorderstangenreiter versammelt; nebenan                kamen ihre Weiber, die entweder aus Neugier Zuhörerinnen abgeben wollten oder noch                die Frauenrollen zu übernehmen hatten. Die jüngeren Leute gruppirten sich in der                Runde, je nachdem Neigung und Bekanntschaft sie zu einander führten. Eines von den                Mädchen zeichnete sich vor den übrigen durch den feinern Anzug und die goldene                Halskette aus, während die übrigen sich dabei, wie an den Mieder-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] Oder wir müßten schauen, daß wir ein neues Stück bekämen, in dem der Teufel vorkommt, da könnte sie dann seine Großmutter vorstellen. Schade, daß bei den heiligen drei Königen der schwarze Kaspar ein Mannsbild ist, da könnt' man sie prächtig brauchen dazu! So flog Spott und derber Spaß unter lautem Gelächter hin und her. Hanney allein betheiligte sich nicht daran und sah theilnehmend nach der fremdgewordenen Jugendgespielin hinüber. Sie war unbeweglich wie zuvor. Jetzt gab eine Glocke das Zeichen zum Beginn der Versammlung und der Verhandlungen. Alles strömte dem Schopperstadel zu, der sich bald mit einer ansehnlichen Menge füllte, unterschieden nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern auch nach Stand und Würden, die nach der patriarchalischen Verfassung der ganzen Zunft noch strenge aufrecht gehalten und beobachtet wurden. Um den Zunftmeister waren die älteren Schiffer, die Schopper oder Schiffbauer, die Vorderstangenreiter versammelt; nebenan kamen ihre Weiber, die entweder aus Neugier Zuhörerinnen abgeben wollten oder noch die Frauenrollen zu übernehmen hatten. Die jüngeren Leute gruppirten sich in der Runde, je nachdem Neigung und Bekanntschaft sie zu einander führten. Eines von den Mädchen zeichnete sich vor den übrigen durch den feinern Anzug und die goldene Halskette aus, während die übrigen sich dabei, wie an den Mieder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/22
Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/22>, abgerufen am 03.12.2024.