Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meister gedankenvoll am Tisch und las in einem Hefte, das vor ihm lag. Im Fenster saß Wolfsind, mit einer Arbeit beschäftigt, und sah neugierig dem Vater zu, wie er bald las, bald wieder blätterte und das grüne Käppchen auf dem dünnen Silberhaar hin und wieder schob. Jetzt machte er das Heft zu, legte es vor sich hin, schwieg aber, indem er nur leise mit den Fingern auf dem Tische trommelte. Nun Vater, wie ist's? fragte endlich Wolfsind neugierig. Was sagst du zu dem Stück? Der Alte sah sich schmunzelnd nach ihr um. Was ich sage? rief er. Ich sage, daß der Hanney ein Teufelskerl ist und daß es Schade ist, daß er in Burghausen aus der Studi gelaufen ist -- aus Dem hätte etwas werden können! Also ist das Stück schön und können wir's spielen? fragte Wolfsind mit unverhehltem Vergnügen. Wie heißt es denn und was ist's für eine Geschichte? Weiß der Teufel, wie dem Burschen all das Zeug einfällt. . . aber so viel ich versteh', ist das Stück schön und wird ganz unsinnig gefallen, wenn wir es spielen. Es ist aus dem alten Testament, die Geschichte vom weisen König Salomo und von der Königin von Saba. Was ist's gewesen mit der? Das war eine heidnische Königin, weit in Indien, die von dem Ruhme von Salomo's Weisheit gehört hatte und bis nach Jerusalem kam, ihn zu sehn, mit meister gedankenvoll am Tisch und las in einem Hefte, das vor ihm lag. Im Fenster saß Wolfsind, mit einer Arbeit beschäftigt, und sah neugierig dem Vater zu, wie er bald las, bald wieder blätterte und das grüne Käppchen auf dem dünnen Silberhaar hin und wieder schob. Jetzt machte er das Heft zu, legte es vor sich hin, schwieg aber, indem er nur leise mit den Fingern auf dem Tische trommelte. Nun Vater, wie ist's? fragte endlich Wolfsind neugierig. Was sagst du zu dem Stück? Der Alte sah sich schmunzelnd nach ihr um. Was ich sage? rief er. Ich sage, daß der Hanney ein Teufelskerl ist und daß es Schade ist, daß er in Burghausen aus der Studi gelaufen ist — aus Dem hätte etwas werden können! Also ist das Stück schön und können wir's spielen? fragte Wolfsind mit unverhehltem Vergnügen. Wie heißt es denn und was ist's für eine Geschichte? Weiß der Teufel, wie dem Burschen all das Zeug einfällt. . . aber so viel ich versteh', ist das Stück schön und wird ganz unsinnig gefallen, wenn wir es spielen. Es ist aus dem alten Testament, die Geschichte vom weisen König Salomo und von der Königin von Saba. Was ist's gewesen mit der? Das war eine heidnische Königin, weit in Indien, die von dem Ruhme von Salomo's Weisheit gehört hatte und bis nach Jerusalem kam, ihn zu sehn, mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0050"/> meister gedankenvoll am Tisch und las in einem Hefte, das vor ihm lag. Im Fenster saß Wolfsind, mit einer Arbeit beschäftigt, und sah neugierig dem Vater zu, wie er bald las, bald wieder blätterte und das grüne Käppchen auf dem dünnen Silberhaar hin und wieder schob. Jetzt machte er das Heft zu, legte es vor sich hin, schwieg aber, indem er nur leise mit den Fingern auf dem Tische trommelte. Nun Vater, wie ist's? fragte endlich Wolfsind neugierig. Was sagst du zu dem Stück?</p><lb/> <p>Der Alte sah sich schmunzelnd nach ihr um. Was ich sage? rief er. Ich sage, daß der Hanney ein Teufelskerl ist und daß es Schade ist, daß er in Burghausen aus der Studi gelaufen ist — aus Dem hätte etwas werden können!</p><lb/> <p>Also ist das Stück schön und können wir's spielen? fragte Wolfsind mit unverhehltem Vergnügen. Wie heißt es denn und was ist's für eine Geschichte?</p><lb/> <p>Weiß der Teufel, wie dem Burschen all das Zeug einfällt. . . aber so viel ich versteh', ist das Stück schön und wird ganz unsinnig gefallen, wenn wir es spielen. Es ist aus dem alten Testament, die Geschichte vom weisen König Salomo und von der Königin von Saba.</p><lb/> <p>Was ist's gewesen mit der?</p><lb/> <p>Das war eine heidnische Königin, weit in Indien, die von dem Ruhme von Salomo's Weisheit gehört hatte und bis nach Jerusalem kam, ihn zu sehn, mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
meister gedankenvoll am Tisch und las in einem Hefte, das vor ihm lag. Im Fenster saß Wolfsind, mit einer Arbeit beschäftigt, und sah neugierig dem Vater zu, wie er bald las, bald wieder blätterte und das grüne Käppchen auf dem dünnen Silberhaar hin und wieder schob. Jetzt machte er das Heft zu, legte es vor sich hin, schwieg aber, indem er nur leise mit den Fingern auf dem Tische trommelte. Nun Vater, wie ist's? fragte endlich Wolfsind neugierig. Was sagst du zu dem Stück?
Der Alte sah sich schmunzelnd nach ihr um. Was ich sage? rief er. Ich sage, daß der Hanney ein Teufelskerl ist und daß es Schade ist, daß er in Burghausen aus der Studi gelaufen ist — aus Dem hätte etwas werden können!
Also ist das Stück schön und können wir's spielen? fragte Wolfsind mit unverhehltem Vergnügen. Wie heißt es denn und was ist's für eine Geschichte?
Weiß der Teufel, wie dem Burschen all das Zeug einfällt. . . aber so viel ich versteh', ist das Stück schön und wird ganz unsinnig gefallen, wenn wir es spielen. Es ist aus dem alten Testament, die Geschichte vom weisen König Salomo und von der Königin von Saba.
Was ist's gewesen mit der?
Das war eine heidnische Königin, weit in Indien, die von dem Ruhme von Salomo's Weisheit gehört hatte und bis nach Jerusalem kam, ihn zu sehn, mit
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