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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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im Augenblick, als vielleicht schon ein beglückendes Geständniß auf ihren Lippen bebte, hatte er sie verlassen, und warum! Wegen einer einfältigen häßlichen Person, die es sich einfallen lassen wollte, sich neben sie hinzustellen! Als Hanney bei der nächsten Probe wieder vor sie trat, ließ sie ihn das Gewicht seines Unrechts in der verdoppelten Gleichgültigkeit fühlen, mit der sie seine Versuche, sich wieder zu nähern oder sich zu entschuldigen, aufnahm. Sie schnitt ihm sogar jede Gelegenheit dazu ab, indem sie die erweichende Abschiedsscene zwischen der Wirthstochter und dem Wildschützen gar nicht mehr probirte, unter dem Vorwände, sie komme ihr langweilig vor und sei schon genug probirt. Als Hanney gleichwohl nicht nachließ, sie zu besänftigen, wurde sie allmählich etwas milder, und als die erste Aufführung des bayrischen Hiesel's über alles Erwarten glänzend und mit einem wahren Triumphe für sie endigte, war sie zu verzeihen bereit. Die nächste Probe hätte den Anlaß zur Aussöhnung und Erklärung gegeben ... wie stolz war sie auf Hanney, als sie sein Talent und seine Arbeit so anerkannt sah; wie schmeichelhaft war ihr die Huldigung, die sie darin für sich enthalten glaubte, daß er die Rolle einer Königin geschrieben -- und nun diese Enttäuschung! -- Sollte er die Schwarze wirklich lieben? Das war unmöglich! Aber was fesselte ihn dann so sehr an sie? Was bewog ihn, ihren Wunsch wegen des Theaters zu erfüllen und sogar ein eigenes Stück bloß ihretwegen

im Augenblick, als vielleicht schon ein beglückendes Geständniß auf ihren Lippen bebte, hatte er sie verlassen, und warum! Wegen einer einfältigen häßlichen Person, die es sich einfallen lassen wollte, sich neben sie hinzustellen! Als Hanney bei der nächsten Probe wieder vor sie trat, ließ sie ihn das Gewicht seines Unrechts in der verdoppelten Gleichgültigkeit fühlen, mit der sie seine Versuche, sich wieder zu nähern oder sich zu entschuldigen, aufnahm. Sie schnitt ihm sogar jede Gelegenheit dazu ab, indem sie die erweichende Abschiedsscene zwischen der Wirthstochter und dem Wildschützen gar nicht mehr probirte, unter dem Vorwände, sie komme ihr langweilig vor und sei schon genug probirt. Als Hanney gleichwohl nicht nachließ, sie zu besänftigen, wurde sie allmählich etwas milder, und als die erste Aufführung des bayrischen Hiesel's über alles Erwarten glänzend und mit einem wahren Triumphe für sie endigte, war sie zu verzeihen bereit. Die nächste Probe hätte den Anlaß zur Aussöhnung und Erklärung gegeben ... wie stolz war sie auf Hanney, als sie sein Talent und seine Arbeit so anerkannt sah; wie schmeichelhaft war ihr die Huldigung, die sie darin für sich enthalten glaubte, daß er die Rolle einer Königin geschrieben — und nun diese Enttäuschung! — Sollte er die Schwarze wirklich lieben? Das war unmöglich! Aber was fesselte ihn dann so sehr an sie? Was bewog ihn, ihren Wunsch wegen des Theaters zu erfüllen und sogar ein eigenes Stück bloß ihretwegen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/55>, abgerufen am 19.05.2024.