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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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war auch richtig, aber er enthielt doch eine Täuschung, denn um so weit zu kommen, mußte er sich zuvor erst recht ernstlich mit dem Mädchen und mit den Planen beschäftigen, wie ihr die verschlossene Thüre des dramatischen Schopperstadels geöffnet werden könne. Damit drückte er sich den unbeachteten Angelhaken selbst immer tiefer in die Brust und machte jeden spätern Versuch, ihn herauszuziehen, wo nicht unmöglich, so doch noch schmerzlicher.

Daß er mit Vorstellungen und Bitten nichts ausrichten werde, sah er leicht ein; er konnte sich auch nicht verhehlen, daß Franzel wegen ihrer Hautfarbe in den gewöhnlichen Stücken nicht zu verwenden war. Er besann sich also auf ein anderes, auf ein ungewöhnliches, wobei die Farbe kein Hinderniß wäre -- er fand keines, und so stand er bald bei dem Gedanken stille, selber ein Stück zurecht zu machen, in welchem eine Mohrin spielen könne. Die Spöttereien der Bursche selbst brachten ihn hierauf, und als er einmal so weit war, fand sich auch bald ein geeigneter Stoff dazu. Die Holzschnitte der alten Hausbibel verhalfen ihm endlich vollends ins Klare, und bei der ungetrübten Naivetät, womit er an die Arbeit ging und an die Möglichkeit des Mißlingens gar nicht dachte, war das merkwürdige Stück auch bald begonnen und schritt mit Riesenschritten vorwärts. Die bekannten Stücke, in denen er zu spielen pflegte, mußten dabei als Muster dienen, und es war daher nur natürlich, wenn dasselbe

war auch richtig, aber er enthielt doch eine Täuschung, denn um so weit zu kommen, mußte er sich zuvor erst recht ernstlich mit dem Mädchen und mit den Planen beschäftigen, wie ihr die verschlossene Thüre des dramatischen Schopperstadels geöffnet werden könne. Damit drückte er sich den unbeachteten Angelhaken selbst immer tiefer in die Brust und machte jeden spätern Versuch, ihn herauszuziehen, wo nicht unmöglich, so doch noch schmerzlicher.

Daß er mit Vorstellungen und Bitten nichts ausrichten werde, sah er leicht ein; er konnte sich auch nicht verhehlen, daß Franzel wegen ihrer Hautfarbe in den gewöhnlichen Stücken nicht zu verwenden war. Er besann sich also auf ein anderes, auf ein ungewöhnliches, wobei die Farbe kein Hinderniß wäre — er fand keines, und so stand er bald bei dem Gedanken stille, selber ein Stück zurecht zu machen, in welchem eine Mohrin spielen könne. Die Spöttereien der Bursche selbst brachten ihn hierauf, und als er einmal so weit war, fand sich auch bald ein geeigneter Stoff dazu. Die Holzschnitte der alten Hausbibel verhalfen ihm endlich vollends ins Klare, und bei der ungetrübten Naivetät, womit er an die Arbeit ging und an die Möglichkeit des Mißlingens gar nicht dachte, war das merkwürdige Stück auch bald begonnen und schritt mit Riesenschritten vorwärts. Die bekannten Stücke, in denen er zu spielen pflegte, mußten dabei als Muster dienen, und es war daher nur natürlich, wenn dasselbe

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/57>, abgerufen am 21.11.2024.