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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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in Anlage und Ausführung ebenso einfach und grobkörnig, aber auch von gleicher Naturwirkung war.

Endlich war die Riesenarbeit fertig; der Zunftmeister hatte die Königin von Saba gelesen und gelobt und unbedenklich seine Zustimmung gegeben, daß dieselbe zum ersten Debut der Mohrenfranzel werden solle. Mit freudigem Herzen eilte Hanney zu ihr, um ihr die große Neuigkeit zu bringen. Er ging hin, in der bestimmten Erwartung, daß er von ihr beruhigt und mit seinen frühern Gedanken und Empfindungen weggehen werde, -- als er aber vor ihr stand, stieg ihm eine Ahnung auf, daß er, um dieses Ziel zu erreichen, denn doch nicht, den rechten Weg eingeschlagen habe. Er hatte Franzel seit dem Abend, wo sie zu ihm kam, nicht wieder gesehn und stand wie verdutzt vor ihr. Sie war im leichten Hausgewand; die kurzen Aermel des schneeweißen Hemds ließen die schöne Rundung der dunklen Arme Vortheilhaft hervortreten; um Hals und Nacken stieg die Hemdkrause ebenfalls angenehm empor, und das dunkelrothe Tuch, das sie nachlässig um die Stirne und um das nicht eben lange, aber reiche und sich anmuthig kräuselnde schwarze Haar geschlungen hatte, gab ihrer ganzen Erscheinung etwas Fremdartiges und Eigenthümliches. Zudem strömten, als sie den einzigen Freund erblickte, ihre Augen unbewußt von dem Entzücken über, das in ihrem leidenschaftlichen Herzen loderte, und das Lächeln des feingeformten Gesichts war so verführerisch, daß er sich mit Gewalt an

in Anlage und Ausführung ebenso einfach und grobkörnig, aber auch von gleicher Naturwirkung war.

Endlich war die Riesenarbeit fertig; der Zunftmeister hatte die Königin von Saba gelesen und gelobt und unbedenklich seine Zustimmung gegeben, daß dieselbe zum ersten Debut der Mohrenfranzel werden solle. Mit freudigem Herzen eilte Hanney zu ihr, um ihr die große Neuigkeit zu bringen. Er ging hin, in der bestimmten Erwartung, daß er von ihr beruhigt und mit seinen frühern Gedanken und Empfindungen weggehen werde, — als er aber vor ihr stand, stieg ihm eine Ahnung auf, daß er, um dieses Ziel zu erreichen, denn doch nicht, den rechten Weg eingeschlagen habe. Er hatte Franzel seit dem Abend, wo sie zu ihm kam, nicht wieder gesehn und stand wie verdutzt vor ihr. Sie war im leichten Hausgewand; die kurzen Aermel des schneeweißen Hemds ließen die schöne Rundung der dunklen Arme Vortheilhaft hervortreten; um Hals und Nacken stieg die Hemdkrause ebenfalls angenehm empor, und das dunkelrothe Tuch, das sie nachlässig um die Stirne und um das nicht eben lange, aber reiche und sich anmuthig kräuselnde schwarze Haar geschlungen hatte, gab ihrer ganzen Erscheinung etwas Fremdartiges und Eigenthümliches. Zudem strömten, als sie den einzigen Freund erblickte, ihre Augen unbewußt von dem Entzücken über, das in ihrem leidenschaftlichen Herzen loderte, und das Lächeln des feingeformten Gesichts war so verführerisch, daß er sich mit Gewalt an

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/58>, abgerufen am 19.05.2024.