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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Glut ihres Vaters geerbt. Als nach der großen rührenden Abschiedsscene der Vorhang gefallen, war kein Auge trocken geblieben, so lebhaft hatte sie den Schmerz einer edlen Seele wiedergegeben, welche Herz und Glück ihrer Ueberzeugung, ihrem besseren Wollen opfert und ein freudloses einsames Dasein im Bewußtsein der erfüllten Pflicht einem Leben voll Freude aber von Schuld befleckt vorzieht. Alle Zuschauer, von den Mägden und Handwerksgesellen bis hinauf zu den Bürgern und ihren Frauen, bis zum Landrichter und Dechant, waren einig über das seltene Talent der Mohrenfranzel, und wie aus Einem Munde erscholl das Lob Hanney's, der ihr Auftreten möglich gemacht hatte.

Dieser stand, als der Lärmen ausgetobt hatte, hinter den Coulissen, seiner Königin von Saba gegenüber und dachte so wenig als sie daran, den Königsmantel und die Krone Salomo's abzulegen. Sie hielten sich an den Händen und waren im eifrigsten Gespräch; Hanney fiel es nicht mehr ein, wie gefährlich diese Berührung war, er sah und dachte nur an Franzel's herrliches Spiel. Wohl hatte er schon auf den Proben gesehn, daß sie ihre Sache gut machen werde; aber der Strom von Gefühl, den sie dort zurückgehalten hatte, nun aber frei aufbrausen ließ, hatte auch ihn mit fortgerissen, daß er zuletzt selbst vergaß, daß er nur Komödie mit ihr spiele, und daß ihm im entscheidenden Augenblick wirklich zu Muthe war, als sei er König Salomo; als liebe er dieses Weib das sich

Glut ihres Vaters geerbt. Als nach der großen rührenden Abschiedsscene der Vorhang gefallen, war kein Auge trocken geblieben, so lebhaft hatte sie den Schmerz einer edlen Seele wiedergegeben, welche Herz und Glück ihrer Ueberzeugung, ihrem besseren Wollen opfert und ein freudloses einsames Dasein im Bewußtsein der erfüllten Pflicht einem Leben voll Freude aber von Schuld befleckt vorzieht. Alle Zuschauer, von den Mägden und Handwerksgesellen bis hinauf zu den Bürgern und ihren Frauen, bis zum Landrichter und Dechant, waren einig über das seltene Talent der Mohrenfranzel, und wie aus Einem Munde erscholl das Lob Hanney's, der ihr Auftreten möglich gemacht hatte.

Dieser stand, als der Lärmen ausgetobt hatte, hinter den Coulissen, seiner Königin von Saba gegenüber und dachte so wenig als sie daran, den Königsmantel und die Krone Salomo's abzulegen. Sie hielten sich an den Händen und waren im eifrigsten Gespräch; Hanney fiel es nicht mehr ein, wie gefährlich diese Berührung war, er sah und dachte nur an Franzel's herrliches Spiel. Wohl hatte er schon auf den Proben gesehn, daß sie ihre Sache gut machen werde; aber der Strom von Gefühl, den sie dort zurückgehalten hatte, nun aber frei aufbrausen ließ, hatte auch ihn mit fortgerissen, daß er zuletzt selbst vergaß, daß er nur Komödie mit ihr spiele, und daß ihm im entscheidenden Augenblick wirklich zu Muthe war, als sei er König Salomo; als liebe er dieses Weib das sich

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[0060] Glut ihres Vaters geerbt. Als nach der großen rührenden Abschiedsscene der Vorhang gefallen, war kein Auge trocken geblieben, so lebhaft hatte sie den Schmerz einer edlen Seele wiedergegeben, welche Herz und Glück ihrer Ueberzeugung, ihrem besseren Wollen opfert und ein freudloses einsames Dasein im Bewußtsein der erfüllten Pflicht einem Leben voll Freude aber von Schuld befleckt vorzieht. Alle Zuschauer, von den Mägden und Handwerksgesellen bis hinauf zu den Bürgern und ihren Frauen, bis zum Landrichter und Dechant, waren einig über das seltene Talent der Mohrenfranzel, und wie aus Einem Munde erscholl das Lob Hanney's, der ihr Auftreten möglich gemacht hatte. Dieser stand, als der Lärmen ausgetobt hatte, hinter den Coulissen, seiner Königin von Saba gegenüber und dachte so wenig als sie daran, den Königsmantel und die Krone Salomo's abzulegen. Sie hielten sich an den Händen und waren im eifrigsten Gespräch; Hanney fiel es nicht mehr ein, wie gefährlich diese Berührung war, er sah und dachte nur an Franzel's herrliches Spiel. Wohl hatte er schon auf den Proben gesehn, daß sie ihre Sache gut machen werde; aber der Strom von Gefühl, den sie dort zurückgehalten hatte, nun aber frei aufbrausen ließ, hatte auch ihn mit fortgerissen, daß er zuletzt selbst vergaß, daß er nur Komödie mit ihr spiele, und daß ihm im entscheidenden Augenblick wirklich zu Muthe war, als sei er König Salomo; als liebe er dieses Weib das sich

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/60>, abgerufen am 21.11.2024.