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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und stand wie eine halb Träumende vor dem Manne und der ebenfalls herbeigerufenen aufgeputzten Kassiererin, die sie schmunzelnd betrachtete. Der Mann war ausnehmend artig gegen sie und bezeigte ihr seine Verwunderung, eine Afrikanerin anzutreffen, und noch dazu unter dem Landvolke, dem sie ihrer Kleidung nach anzugehören scheine. Sie hatte keinen Grund, aus ihren Verhältnissen im Allgemeinen Hehl zu machen, und was sie verschwieg, mochte der verschmitzte Herr der Bude wohl errathen. Du thust Unrecht, Mädel, rief er, daß du dich in diesem Land und unter diesen Leuten herumquälst und mit der Arbeit plagst, da du doch ein Leben haben könntest, wie eine Dame. Geh mit uns; mir fehlt gerade eine junge hübsche Wilde . . . ich mache dich dazu und putze dich auf, daß du deine Freude daran haben und dich selbst nicht wieder kennen sollst! Du sollst vollauf zu leben haben, wie du es nur verlangst, und Geld genug obendrein, und brauchst nichts dafür zu thun, als dich ein paar Stunden da hinauf zu stellen und dich anschauen zu lassen . . .

Franzel hörte noch immer wie im Halbtraume zu und erwiderte nichts. Der Ausrufer glaubte, sie sei noch unschlüssig, und fuhr dringender fort: Besinne dich nicht lange und sage Ja. Du sollst es gut haben bei uns, ich gebe dir mein Ehrenwort darauf! Auch die Frau bestätigte das, und durch Franzel's Seele zuckte der Gedanke, einzuschlagen. War sie doch ein Schau-

und stand wie eine halb Träumende vor dem Manne und der ebenfalls herbeigerufenen aufgeputzten Kassiererin, die sie schmunzelnd betrachtete. Der Mann war ausnehmend artig gegen sie und bezeigte ihr seine Verwunderung, eine Afrikanerin anzutreffen, und noch dazu unter dem Landvolke, dem sie ihrer Kleidung nach anzugehören scheine. Sie hatte keinen Grund, aus ihren Verhältnissen im Allgemeinen Hehl zu machen, und was sie verschwieg, mochte der verschmitzte Herr der Bude wohl errathen. Du thust Unrecht, Mädel, rief er, daß du dich in diesem Land und unter diesen Leuten herumquälst und mit der Arbeit plagst, da du doch ein Leben haben könntest, wie eine Dame. Geh mit uns; mir fehlt gerade eine junge hübsche Wilde . . . ich mache dich dazu und putze dich auf, daß du deine Freude daran haben und dich selbst nicht wieder kennen sollst! Du sollst vollauf zu leben haben, wie du es nur verlangst, und Geld genug obendrein, und brauchst nichts dafür zu thun, als dich ein paar Stunden da hinauf zu stellen und dich anschauen zu lassen . . .

Franzel hörte noch immer wie im Halbtraume zu und erwiderte nichts. Der Ausrufer glaubte, sie sei noch unschlüssig, und fuhr dringender fort: Besinne dich nicht lange und sage Ja. Du sollst es gut haben bei uns, ich gebe dir mein Ehrenwort darauf! Auch die Frau bestätigte das, und durch Franzel's Seele zuckte der Gedanke, einzuschlagen. War sie doch ein Schau-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/75>, abgerufen am 21.11.2024.