Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Untersuchung/ derer von super-klugen daß der gesaltzene Geschmack an der KinderStirnen/ nicht von Beschreyen herkomme/ so bitte ich/ es wollen die Mütter an denen gantz gesunden Kindern/ welche nicht kürtzlich gebadet oder gewaschen sind/ die Stirnen lecken/ so wet- te ich/ daß sie mehrentheils einen saltzigen Ge- schmack empfinden werden. Und kömmt solcher Geschmack her von dem Schweiß/ der an der Stirn (weil solche mehrentheils frey ist/ und mit denen Tüchern/ nicht wie andere Theile des Lei- bes/ abgewischet wird) vertrocknet. Und wie be- kannt/ daß aller Schweiß von Natur saltzig schmeckt/ so kan er demnach an der Stirn auch nicht anders schmecken. Wenn nun die Kinder kranck sind/ werden sie gemeiniglich nicht gebadt/ und weil zu solcher Zeit der durch die bey sich ha- bende Hitze häuffig ausbrechende Schweiß/ auch desto mehr vertrocknet/ so schmecket die Stirn desto saltziger/ und ist demnach gar eine elende Probe und ungegründeter Beweiß/ daß ein solch Kind beschrien sey; und ist das so ge- nannte Beschreyen nichts als ein närrischer Weiber-Traum; ein non ens, oder Unding/ wie mit mehren in folgenden zu ersehen seyn wird. Das
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen daß der geſaltzene Geſchmack an der KinderStirnen/ nicht von Beſchreyen herkomme/ ſo bitte ich/ es wollen die Muͤtter an denen gantz geſunden Kindern/ welche nicht kuͤrtzlich gebadet oder gewaſchen ſind/ die Stirnen lecken/ ſo wet- te ich/ daß ſie mehrentheils einen ſaltzigen Ge- ſchmack empfinden werden. Und koͤmmt ſolcher Geſchmack her von dem Schweiß/ der an der Stirn (weil ſolche mehrentheils frey iſt/ und mit denen Tuͤchern/ nicht wie andere Theile des Lei- bes/ abgewiſchet wird) vertrocknet. Und wie be- kannt/ daß aller Schweiß von Natur ſaltzig ſchmeckt/ ſo kan er demnach an der Stirn auch nicht anders ſchmecken. Wenn nun die Kinder kranck ſind/ werden ſie gemeiniglich nicht gebadt/ und weil zu ſolcher Zeit der durch die bey ſich ha- bende Hitze haͤuffig ausbrechende Schweiß/ auch deſto mehr vertrocknet/ ſo ſchmecket die Stirn deſto ſaltziger/ und iſt demnach gar eine elende Probe und ungegruͤndeter Beweiß/ daß ein ſolch Kind beſchrien ſey; und iſt das ſo ge- nannte Beſchreyen nichts als ein naͤrriſcher Weiber-Traum; ein non ens, oder Unding/ wie mit mehren in folgenden zu erſehen ſeyn wird. Das
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Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
daß der geſaltzene Geſchmack an der Kinder
Stirnen/ nicht von Beſchreyen herkomme/ ſo
bitte ich/ es wollen die Muͤtter an denen gantz
geſunden Kindern/ welche nicht kuͤrtzlich gebadet
oder gewaſchen ſind/ die Stirnen lecken/ ſo wet-
te ich/ daß ſie mehrentheils einen ſaltzigen Ge-
ſchmack empfinden werden. Und koͤmmt ſolcher
Geſchmack her von dem Schweiß/ der an der
Stirn (weil ſolche mehrentheils frey iſt/ und mit
denen Tuͤchern/ nicht wie andere Theile des Lei-
bes/ abgewiſchet wird) vertrocknet. Und wie be-
kannt/ daß aller Schweiß von Natur ſaltzig
ſchmeckt/ ſo kan er demnach an der Stirn auch
nicht anders ſchmecken. Wenn nun die Kinder
kranck ſind/ werden ſie gemeiniglich nicht gebadt/
und weil zu ſolcher Zeit der durch die bey ſich ha-
bende Hitze haͤuffig ausbrechende Schweiß/
auch deſto mehr vertrocknet/ ſo ſchmecket die
Stirn deſto ſaltziger/ und iſt demnach gar eine
elende Probe und ungegruͤndeter Beweiß/ daß
ein ſolch Kind beſchrien ſey; und iſt das ſo ge-
nannte Beſchreyen nichts als ein naͤrriſcher
Weiber-Traum; ein non ens, oder Unding/ wie
mit mehren in folgenden zu erſehen ſeyn
wird.
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