Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
seyn kan/ daß man solche Wölffe nicht so bald sie-
het als fühlet/ und dahero freylich von solchen
Wölffen Schaden empfindet. Drum

Beißt dich der Wolff in Steiß/
Im Sommer da es heiß;
Geh sacht'/ erhitz dich nicht so sehr/
So beißt dich künfftig keiner mehr.
Das 65. Capitel.

Am S. Johannis-Tage in der Mit-
tags-Stunde/ soll man St. Johannis-
Blut sammlen/ welches für viele Dinge
gut seyn soll.

MIt dieser Sache hat es folgende Be-
wandniß: Es gehen am S. Johannis-
Tage einige Leute in der Mittags-
Stunde auff das Feld/ und suchen ein gewisses
Kraut/ welches gewöhnlich auff sandigen Boden
wächset/ und Polygonum minus, item Poly-
carpon
von Tabernaemontano genennet wird/
zu teutsch Knauel/ und klein Wegetritt; dieses
rauffen sie mit der Wurtzel aus/ und finden zu-
weilen an denen Wurtzeln einige röthlige runde
Körnlein hangen/ in der Grösse eines Tröpff-
lein Bluts/ oder wie eine kleine Erbse. Und die-
ses soll/ ihren Vorgeben nach/ das Blut seyn des
enthaupteten heiligen Märterers St. Johan-
nis. Sie bilden sich auch gäntzlich ein/ daß dieses

so ge-
Y 2

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
ſeyn kan/ daß man ſolche Woͤlffe nicht ſo bald ſie-
het als fuͤhlet/ und dahero freylich von ſolchen
Woͤlffen Schaden empfindet. Drum

Beißt dich der Wolff in Steiß/
Im Sommer da es heiß;
Geh ſacht’/ erhitz dich nicht ſo ſehr/
So beißt dich kuͤnfftig keiner mehr.
Das 65. Capitel.

Am S. Johannis-Tage in der Mit-
tags-Stunde/ ſoll man St. Johannis-
Blut ſammlen/ welches fuͤr viele Dinge
gut ſeyn ſoll.

MIt dieſer Sache hat es folgende Be-
wandniß: Es gehen am S. Johannis-
Tage einige Leute in der Mittags-
Stunde auff das Feld/ und ſuchen ein gewiſſes
Kraut/ welches gewoͤhnlich auff ſandigen Boden
waͤchſet/ und Polygonum minus, item Poly-
carpon
von Tabernæmontano genennet wird/
zu teutſch Knauel/ und klein Wegetritt; dieſes
rauffen ſie mit der Wurtzel aus/ und finden zu-
weilen an denen Wurtzeln einige roͤthlige runde
Koͤrnlein hangen/ in der Groͤſſe eines Troͤpff-
lein Bluts/ oder wie eine kleine Erbſe. Und die-
ſes ſoll/ ihren Vorgeben nach/ das Blut ſeyn des
enthaupteten heiligen Maͤrterers St. Johan-
nis. Sie bilden ſich auch gaͤntzlich ein/ daß dieſes

ſo ge-
Y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="339"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn kan/ daß man &#x017F;olche Wo&#x0364;lffe nicht &#x017F;o bald &#x017F;ie-<lb/>
het als fu&#x0364;hlet/ und dahero freylich von &#x017F;olchen<lb/>
Wo&#x0364;lffen Schaden empfindet. Drum</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Beißt dich der Wolff in Steiß/</l><lb/>
          <l>Im Sommer da es heiß;</l><lb/>
          <l>Geh &#x017F;acht&#x2019;/ erhitz dich nicht &#x017F;o &#x017F;ehr/</l><lb/>
          <l>So beißt dich ku&#x0364;nfftig keiner mehr.</l>
        </lg>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das 65. Capitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>Am S. Johannis-Tage in der Mit-<lb/>
tags-Stunde/ &#x017F;oll man St. Johannis-<lb/><hi rendition="#c">Blut &#x017F;ammlen/ welches fu&#x0364;r viele Dinge<lb/>
gut <choice><corr>&#x017F;eyn</corr><sic>feyn</sic></choice> &#x017F;oll.</hi></p>
        </argument><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>It die&#x017F;er Sache hat es folgende Be-<lb/>
wandniß: Es gehen am S. Johannis-<lb/>
Tage einige Leute in der Mittags-<lb/>
Stunde auff das Feld/ und &#x017F;uchen ein gewi&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Kraut/ welches gewo&#x0364;hnlich auff &#x017F;andigen Boden<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;et/ und <hi rendition="#aq">Polygonum minus, item Poly-<lb/>
carpon</hi> von <hi rendition="#aq">Tabernæmontano</hi> genennet wird/<lb/>
zu teut&#x017F;ch Knauel/ und klein Wegetritt; die&#x017F;es<lb/>
rauffen &#x017F;ie mit der Wurtzel aus/ und finden zu-<lb/>
weilen an denen Wurtzeln einige ro&#x0364;thlige runde<lb/>
Ko&#x0364;rnlein hangen/ in der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eines Tro&#x0364;pff-<lb/>
lein Bluts/ oder wie eine kleine Erb&#x017F;e. Und die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;oll/ ihren Vorgeben nach/ das Blut &#x017F;eyn des<lb/>
enthaupteten heiligen Ma&#x0364;rterers St. Johan-<lb/>
nis. Sie bilden &#x017F;ich auch ga&#x0364;ntzlich ein/ daß die&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0163] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. ſeyn kan/ daß man ſolche Woͤlffe nicht ſo bald ſie- het als fuͤhlet/ und dahero freylich von ſolchen Woͤlffen Schaden empfindet. Drum Beißt dich der Wolff in Steiß/ Im Sommer da es heiß; Geh ſacht’/ erhitz dich nicht ſo ſehr/ So beißt dich kuͤnfftig keiner mehr. Das 65. Capitel. Am S. Johannis-Tage in der Mit- tags-Stunde/ ſoll man St. Johannis- Blut ſammlen/ welches fuͤr viele Dinge gut ſeyn ſoll. MIt dieſer Sache hat es folgende Be- wandniß: Es gehen am S. Johannis- Tage einige Leute in der Mittags- Stunde auff das Feld/ und ſuchen ein gewiſſes Kraut/ welches gewoͤhnlich auff ſandigen Boden waͤchſet/ und Polygonum minus, item Poly- carpon von Tabernæmontano genennet wird/ zu teutſch Knauel/ und klein Wegetritt; dieſes rauffen ſie mit der Wurtzel aus/ und finden zu- weilen an denen Wurtzeln einige roͤthlige runde Koͤrnlein hangen/ in der Groͤſſe eines Troͤpff- lein Bluts/ oder wie eine kleine Erbſe. Und die- ſes ſoll/ ihren Vorgeben nach/ das Blut ſeyn des enthaupteten heiligen Maͤrterers St. Johan- nis. Sie bilden ſich auch gaͤntzlich ein/ daß dieſes ſo ge- Y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/163
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/163>, abgerufen am 28.11.2024.