Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.Untersuchung derer von super-klugen dern und Rocken liegende Flachs vorher abge-sponnen werde/ auff daß solcher nicht irgend des Sonntags von Ratten und Mäusen/ oder auch von Kindern/ verderbet und zerzauset werde/ und herrach kein gutes Garn daraus zu spinnen seyn möge. Und dieses desto besser zu befödern/ hat eine Frau einmahl aus Schertz/ den Mäg- den weiß gemacht/ als ob sich das Garn von dem des Sonntags auff dem Rocken gelegenen Flachse nicht weiß bleiche/ auch sonst nicht gut würde. Und solches Vorgeben ist hernach mit der Zeit/ fest geglaubet worden/ daß es nun wircklich zu einem Philosophischen Glaubens- Grunde worden ist. Das lasse ich zwar passi- ren/ und glaube wohl/ daß zu weilen des Sonn- tags der Flachs auff dem Rocken vom Kindern verderbt und zerzauset wird/ daß daraus kein gut Garn zu spinnen ist; daß aber solch Garn sich nicht solle weiß bleichen lassen/ ist wieder die Vernunsst und Wahrheit. Denn eben wie sich das am Sonnabend gesponnene Garn bleicht/ also bleicht sich das am Montag darauff gesponnene auch/ so ferne es nur von einerley Flachs ist. Daß aber die Leinwad offt streiffig wird/ geschicht/ wenn zuweilen grauer Flachs unter den weisen kömmt und mit gesponnen/ wird/ so bleiben alsdenn solche Fäden immer in der Leinwad grau/ wenn die Leinwad naß wird. Die
Unterſuchung derer von ſuper-klugen dern und Rocken liegende Flachs vorher abge-ſponnen werde/ auff daß ſolcher nicht irgend des Sonntags von Ratten und Maͤuſen/ oder auch von Kindern/ verderbet und zerzauſet werde/ und herrach kein gutes Garn daraus zu ſpinnen ſeyn moͤge. Und dieſes deſto beſſer zu befoͤdern/ hat eine Frau einmahl aus Schertz/ den Maͤg- den weiß gemacht/ als ob ſich das Garn von dem des Sonntags auff dem Rocken gelegenen Flachſe nicht weiß bleiche/ auch ſonſt nicht gut wuͤrde. Und ſolches Vorgeben iſt hernach mit der Zeit/ feſt geglaubet worden/ daß es nun wircklich zu einem Philoſophiſchen Glaubens- Grunde worden iſt. Das laſſe ich zwar paſſi- ren/ und glaube wohl/ daß zu weilen des Sonn- tags der Flachs auff dem Rocken vom Kindern verderbt und zerzauſet wird/ daß daraus kein gut Garn zu ſpinnen iſt; daß aber ſolch Garn ſich nicht ſolle weiß bleichen laſſen/ iſt wieder die Vernunſſt und Wahrheit. Denn eben wie ſich das am Sonnabend geſponnene Garn bleicht/ alſo bleicht ſich das am Montag darauff geſponnene auch/ ſo ferne es nur von einerley Flachs iſt. Daß aber die Leinwad offt ſtreiffig wird/ geſchicht/ wenn zuweilen grauer Flachs unter den weiſen koͤmmt und mit geſponnen/ wird/ ſo bleiben alsdenn ſolche Faͤden immer in der Leinwad grau/ wenn die Leinwad naß wird. Die
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Unterſuchung derer von ſuper-klugen
dern und Rocken liegende Flachs vorher abge-
ſponnen werde/ auff daß ſolcher nicht irgend des
Sonntags von Ratten und Maͤuſen/ oder auch
von Kindern/ verderbet und zerzauſet werde/
und herrach kein gutes Garn daraus zu ſpinnen
ſeyn moͤge. Und dieſes deſto beſſer zu befoͤdern/
hat eine Frau einmahl aus Schertz/ den Maͤg-
den weiß gemacht/ als ob ſich das Garn von
dem des Sonntags auff dem Rocken gelegenen
Flachſe nicht weiß bleiche/ auch ſonſt nicht gut
wuͤrde. Und ſolches Vorgeben iſt hernach mit
der Zeit/ feſt geglaubet worden/ daß es nun
wircklich zu einem Philoſophiſchen Glaubens-
Grunde worden iſt. Das laſſe ich zwar paſſi-
ren/ und glaube wohl/ daß zu weilen des Sonn-
tags der Flachs auff dem Rocken vom Kindern
verderbt und zerzauſet wird/ daß daraus kein
gut Garn zu ſpinnen iſt; daß aber ſolch Garn
ſich nicht ſolle weiß bleichen laſſen/ iſt wieder die
Vernunſſt und Wahrheit. Denn eben wie
ſich das am Sonnabend geſponnene Garn
bleicht/ alſo bleicht ſich das am Montag darauff
geſponnene auch/ ſo ferne es nur von einerley
Flachs iſt. Daß aber die Leinwad offt ſtreiffig
wird/ geſchicht/ wenn zuweilen grauer Flachs
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