ISt eine in aller Menschen Augen fallende herrliche und grosse Wohlthat zu finden, so ist es die jährliche Erndte, wenn GOtt die Saat des Winters in der Erden bewahret, in den Sommer-Tagen sie lässet blühen, wachsen und Frucht bringen; wenn er Hagel, Wetter-Schläge und Sturm- Winde abwendet, und durch seinen Segen Scheuren und Keller füllet. Aber ist auch eine vor der Welt geringe und verachtete Wohlthat, dafür man GOtt am wenigsten dan- cket, so ist es eben diese Erndte, denn da meynen die un- danckbare Menschen, es müßte so seyn, es müßte also nach dem Lauf der Natur alles wachsen, dabey habe GOTT nichts gethan, derowegen der erzürnte GOtt offt- mals aus gerechtem Gerichte lässet Mißwachs entstehen, damit jedermann erkenne, daß das Land nichts geben könne, wenn der HERR nicht giebt, und daß nichts wachsen könne ohne seinen Segen. Ein gläubiger Christ ist anders gesinnet, wenn er die vollen Aehren in der Erndte, und die mit Trauben beschüttete Weinstöcke erblicket, 1) so hebet er seine Augen auf gen Himmel, und preiset den allmäch- tigen Schöpfer, Geber und Erhalter seines Segens, als der aus einem Korn so viel Körner, aus einem unansehn- lichen Holtz so eine köstliche Frucht hervor bringet. 2) Er rühmet die göttliche Vorsorge und Erhaltung, daß er das gantze Jahr über Früh-Regen und Spath-Regen zu seiner Zeit gegeben, Donner-Wetter, Dürre, Hagel-Steine und Uberschwemmung in Gnaden abgewendet, und hingegen die Erndte behütet. 3) Wenn er nun die Zeit erlebet, daß die scharffe Sichel das Korn niederleget, er siehet es auch in die Scheuren führen, er siehet die Kelter die Trauben zerquetschen, so nimmt er alle diese Gaben mit danckbarem Hertzen und Händen an. 4) Er gebraucht auch dieselbe, und nimmt sie zu sich mit Dancksagung. Er erkennet, daß GOtt ihn nähre, versorge, erhalte. Ja lässet sich 5) GOttes Güte zur Busse leiten; dancket man einem Wohlthäter und erzürnet ihn nicht, der uns etwa ein Kleid, oder etwas zu unserm Un- terhalt giebet, warum soll man den grösten Wohlthäter nicht loben, der uns alles giebet.
Gebett.
Der andächtige Chriſt dancket GOtt
ISt eine in aller Menſchen Augen fallende herrliche und groſſe Wohlthat zu finden, ſo iſt es die jährliche Erndte, wenn GOtt die Saat des Winters in der Erden bewahret, in den Sommer-Tagen ſie läſſet blühen, wachſen und Frucht bringen; wenn er Hagel, Wetter-Schläge und Sturm- Winde abwendet, und durch ſeinen Segen Scheuren und Keller füllet. Aber iſt auch eine vor der Welt geringe und verachtete Wohlthat, dafür man GOtt am wenigſten dan- cket, ſo iſt es eben dieſe Erndte, denn da meynen die un- danckbare Menſchen, es müßte ſo ſeyn, es müßte alſo nach dem Lauf der Natur alles wachſen, dabey habe GOTT nichts gethan, derowegen der erzürnte GOtt offt- mals aus gerechtem Gerichte läſſet Mißwachs entſtehen, damit jedermann erkenne, daß das Land nichts geben könne, wenn der HERR nicht giebt, und daß nichts wachſen könne ohne ſeinen Segen. Ein gläubiger Chriſt iſt anders geſinnet, wenn er die vollen Aehren in der Erndte, und die mit Trauben beſchüttete Weinſtöcke erblicket, 1) ſo hebet er ſeine Augen auf gen Himmel, und preiſet den allmäch- tigen Schöpfer, Geber und Erhalter ſeines Segens, als der aus einem Korn ſo viel Körner, aus einem unanſehn- lichen Holtz ſo eine köſtliche Frucht hervor bringet. 2) Er rühmet die göttliche Vorſorge und Erhaltung, daß er das gantze Jahr über Früh-Regen und Spath-Regen zu ſeiner Zeit gegeben, Donner-Wetter, Dürre, Hagel-Steine und Uberſchwemmung in Gnaden abgewendet, und hingegen die Erndte behütet. 3) Wenn er nun die Zeit erlebet, daß die ſcharffe Sichel das Korn niederleget, er ſiehet es auch in die Scheuren führen, er ſiehet die Kelter die Trauben zerquetſchen, ſo nimmt er alle dieſe Gaben mit danckbarem Hertzen und Händen an. 4) Er gebraucht auch dieſelbe, und nimmt ſie zu ſich mit Danckſagung. Er erkennet, daß GOtt ihn nähre, verſorge, erhalte. Ja läſſet ſich 5) GOttes Güte zur Buſſe leiten; dancket man einem Wohlthäter und erzürnet ihn nicht, der uns etwa ein Kleid, oder etwas zu unſerm Un- terhalt giebet, warum ſoll man den gröſten Wohlthäter nicht loben, der uns alles giebet.
Gebett.
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Der andächtige Chriſt dancket GOtt
ISt eine in aller Menſchen Augen fallende herrliche und
groſſe Wohlthat zu finden, ſo iſt es die jährliche Erndte,
wenn GOtt die Saat des Winters in der Erden bewahret,
in den Sommer-Tagen ſie läſſet blühen, wachſen und Frucht
bringen; wenn er Hagel, Wetter-Schläge und Sturm-
Winde abwendet, und durch ſeinen Segen Scheuren und
Keller füllet. Aber iſt auch eine vor der Welt geringe und
verachtete Wohlthat, dafür man GOtt am wenigſten dan-
cket, ſo iſt es eben dieſe Erndte, denn da meynen die un-
danckbare Menſchen, es müßte ſo ſeyn, es müßte alſo
nach dem Lauf der Natur alles wachſen, dabey habe
GOTT nichts gethan, derowegen der erzürnte GOtt offt-
mals aus gerechtem Gerichte läſſet Mißwachs entſtehen,
damit jedermann erkenne, daß das Land nichts geben könne,
wenn der HERR nicht giebt, und daß nichts wachſen
könne ohne ſeinen Segen. Ein gläubiger Chriſt iſt anders
geſinnet, wenn er die vollen Aehren in der Erndte, und
die mit Trauben beſchüttete Weinſtöcke erblicket, 1) ſo hebet
er ſeine Augen auf gen Himmel, und preiſet den allmäch-
tigen Schöpfer, Geber und Erhalter ſeines Segens, als
der aus einem Korn ſo viel Körner, aus einem unanſehn-
lichen Holtz ſo eine köſtliche Frucht hervor bringet. 2) Er
rühmet die göttliche Vorſorge und Erhaltung, daß er das
gantze Jahr über Früh-Regen und Spath-Regen zu ſeiner
Zeit gegeben, Donner-Wetter, Dürre, Hagel-Steine und
Uberſchwemmung in Gnaden abgewendet, und hingegen die
Erndte behütet. 3) Wenn er nun die Zeit erlebet, daß die
ſcharffe Sichel das Korn niederleget, er ſiehet es auch in die
Scheuren führen, er ſiehet die Kelter die Trauben zerquetſchen,
ſo nimmt er alle dieſe Gaben mit danckbarem Hertzen und
Händen an. 4) Er gebraucht auch dieſelbe, und nimmt ſie
zu ſich mit Danckſagung. Er erkennet, daß GOtt ihn nähre,
verſorge, erhalte. Ja läſſet ſich 5) GOttes Güte zur Buſſe
leiten; dancket man einem Wohlthäter und erzürnet ihn
nicht, der uns etwa ein Kleid, oder etwas zu unſerm Un-
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nicht loben, der uns alles giebet.
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/292>, abgerufen am 24.11.2024.
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