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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

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Abtritt von dem Gnaden-Thron.
lige GOtt, dessen Augen so rein seyn, daß sie das
Böse nicht sehen mögen: Und der gerechte GOtt, der
dem schnöden Sünder ein verzehrendes Feuer: Und
ein allwissender GOtt, vor dem ich meine Sünden
nicht kan läugnen oder bedecken. Sehe ich auf mich,
so bin ich ein armer Sünder, der kaum eine Stunde
kan zubringen, ohne dich zu erzürnen. Sehe ich auf
die Mahlzeit, wozu du mich geruffen hast, so hängt
an derselben entweder Himmel und Leben, oder Ver-
dammniß und Hölle: Jenes für bußfertige, diß aber
für unbußfertige Sünder. Sehe ich auf mein Hertz,
so ist es ein arglistig und betrüglich Ding: Ach wie
viel habe ich zu thun, ehe ich es von dem verwirrten
Babel der Welt ausführe! und ach! wie viel Mühe
und Arbeit kostet es, mein Hertz in mein Hertz, und
meine Seele in sich selbst zu führen. Wann es sehen
soll, ist es blind, und wann es zerknirscht seyn sollte,
ist es hart: Wann es sich betrüben sollte, ist es unem-
pfindlich: Und wann es wachen sollte, ist es sicher und
fürchtet keine Gefahr, da wo die Gefahr am grösten
ist. Darum ach GOtt! komme du mir doch selbst zu
Hülffe, weil sich Fleisch und Blut nicht selbst helffen
kan. Meine Ohnmacht ist groß, und deine Allmacht
ist auch groß: Darum sey doch in meiner Schwach-
heit mächtig. Soll mein Abendmahlgehen rechter
Art seyn, so bereite du mein Hertz. Soll ich meine
Sünde sehen, so öffne du meine Augen, und ziehe die
Larve der Sicherheit weg, daß ich sehe die Menge
der Sünden, die von neuem wider mich zeugen.
Denn wird dir angenehm seyn mein zerknirschtes

Hertz,

Abtritt von dem Gnaden-Thron.
lige GOtt, deſſen Augen ſo rein ſeyn, daß ſie das
Böſe nicht ſehen mögen: Und der gerechte GOtt, der
dem ſchnöden Sünder ein verzehrendes Feuer: Und
ein allwiſſender GOtt, vor dem ich meine Sünden
nicht kan läugnen oder bedecken. Sehe ich auf mich,
ſo bin ich ein armer Sünder, der kaum eine Stunde
kan zubringen, ohne dich zu erzürnen. Sehe ich auf
die Mahlzeit, wozu du mich geruffen haſt, ſo hängt
an derſelben entweder Himmel und Leben, oder Ver-
dammniß und Hölle: Jenes für bußfertige, diß aber
für unbußfertige Sünder. Sehe ich auf mein Hertz,
ſo iſt es ein argliſtig und betrüglich Ding: Ach wie
viel habe ich zu thun, ehe ich es von dem verwirrten
Babel der Welt ausführe! und ach! wie viel Mühe
und Arbeit koſtet es, mein Hertz in mein Hertz, und
meine Seele in ſich ſelbſt zu führen. Wann es ſehen
ſoll, iſt es blind, und wann es zerknirſcht ſeyn ſollte,
iſt es hart: Wann es ſich betrüben ſollte, iſt es unem-
pfindlich: Und wann es wachen ſollte, iſt es ſicher und
fürchtet keine Gefahr, da wo die Gefahr am gröſten
iſt. Darum ach GOtt! komme du mir doch ſelbſt zu
Hülffe, weil ſich Fleiſch und Blut nicht ſelbſt helffen
kan. Meine Ohnmacht iſt groß, und deine Allmacht
iſt auch groß: Darum ſey doch in meiner Schwach-
heit mächtig. Soll mein Abendmahlgehen rechter
Art ſeyn, ſo bereite du mein Hertz. Soll ich meine
Sünde ſehen, ſo öffne du meine Augen, und ziehe die
Larve der Sicherheit weg, daß ich ſehe die Menge
der Sünden, die von neuem wider mich zeugen.
Denn wird dir angenehm ſeyn mein zerknirſchtes

Hertz,
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[376/0398] Abtritt von dem Gnaden-Thron. lige GOtt, deſſen Augen ſo rein ſeyn, daß ſie das Böſe nicht ſehen mögen: Und der gerechte GOtt, der dem ſchnöden Sünder ein verzehrendes Feuer: Und ein allwiſſender GOtt, vor dem ich meine Sünden nicht kan läugnen oder bedecken. Sehe ich auf mich, ſo bin ich ein armer Sünder, der kaum eine Stunde kan zubringen, ohne dich zu erzürnen. Sehe ich auf die Mahlzeit, wozu du mich geruffen haſt, ſo hängt an derſelben entweder Himmel und Leben, oder Ver- dammniß und Hölle: Jenes für bußfertige, diß aber für unbußfertige Sünder. Sehe ich auf mein Hertz, ſo iſt es ein argliſtig und betrüglich Ding: Ach wie viel habe ich zu thun, ehe ich es von dem verwirrten Babel der Welt ausführe! und ach! wie viel Mühe und Arbeit koſtet es, mein Hertz in mein Hertz, und meine Seele in ſich ſelbſt zu führen. Wann es ſehen ſoll, iſt es blind, und wann es zerknirſcht ſeyn ſollte, iſt es hart: Wann es ſich betrüben ſollte, iſt es unem- pfindlich: Und wann es wachen ſollte, iſt es ſicher und fürchtet keine Gefahr, da wo die Gefahr am gröſten iſt. Darum ach GOtt! komme du mir doch ſelbſt zu Hülffe, weil ſich Fleiſch und Blut nicht ſelbſt helffen kan. Meine Ohnmacht iſt groß, und deine Allmacht iſt auch groß: Darum ſey doch in meiner Schwach- heit mächtig. Soll mein Abendmahlgehen rechter Art ſeyn, ſo bereite du mein Hertz. Soll ich meine Sünde ſehen, ſo öffne du meine Augen, und ziehe die Larve der Sicherheit weg, daß ich ſehe die Menge der Sünden, die von neuem wider mich zeugen. Denn wird dir angenehm ſeyn mein zerknirſchtes Hertz,

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Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/398>, abgerufen am 28.06.2024.