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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

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und Verlust zeitlicher Güther.
zu Hertzen, dann mein Hertz war wie eine steinerne
Mauer, durch welche die Pfeile ernsthaffter Bestraf-
fungen, die ich aus deinem Wort hörete, nicht konn-
ten dringen. Ich wußte nicht was Trost war, weil
ich noch nicht recht wußte, was Unglück und Elend
war: Mein Hertz war wie ein felsichter Acker, auf
welchem der Saame deines theuren Worts keine
rechte Wurtzel konnte fassen. Und wann ja hie und
da ein Körnlein guter Früchte wuchs, so wurd es
doch bald von den Dornen des Glücks wieder unter-
drückt und erstickt. Mein Gewissen erschreckte nicht
vor Sünden, und gedachte nicht, daß auf Sünden
müßten Strafen der Sünde folgen. Ja mein ei-
gen arglistiges und betrügliches Hertz wußte die
größten Sünden klein zu machen, und mit Feigen-
blättern der Entschuldigung zu bedecken; meine Buß
und wahre Bekehrung verschob ich von einem Tag
zum andern, als ob ich mit dem Tod einen Bund,
und mit dem Grab eine Verständniß gemacht hätte,
und als ob ich Methusalems Jahre erreichen könnte.
Ich meynte, daß die Güther dieser Welt beständiger
und vergnüglicher wären: Aber nun lehret mich die
betrübte Erfahrung das, was ich zuvor nicht wußte.
Und nun verstehe ich den Spruch des Predigers, al-
les ist gantz eitel; darum danck ich dir, HErr, daß
du mich gezüchtiget hast, weil ich dadurch deine
Rechte lerne, und nun die schnöde Welt mit ihren
betrüglichen Eitelkeiten besser lerne kennen.

Nun ist mir dein Wort süsser als Honig; nun ist
meine Lust in deinem Gesetz Tag und Nacht; nun

freue
O o 2

und Verluſt zeitlicher Güther.
zu Hertzen, dann mein Hertz war wie eine ſteinerne
Mauer, durch welche die Pfeile ernſthaffter Beſtraf-
fungen, die ich aus deinem Wort hörete, nicht konn-
ten dringen. Ich wußte nicht was Troſt war, weil
ich noch nicht recht wußte, was Unglück und Elend
war: Mein Hertz war wie ein felſichter Acker, auf
welchem der Saame deines theuren Worts keine
rechte Wurtzel konnte faſſen. Und wann ja hie und
da ein Körnlein guter Früchte wuchs, ſo wurd es
doch bald von den Dornen des Glücks wieder unter-
drückt und erſtickt. Mein Gewiſſen erſchreckte nicht
vor Sünden, und gedachte nicht, daß auf Sünden
müßten Strafen der Sünde folgen. Ja mein ei-
gen argliſtiges und betrügliches Hertz wußte die
größten Sünden klein zu machen, und mit Feigen-
blättern der Entſchuldigung zu bedecken; meine Buß
und wahre Bekehrung verſchob ich von einem Tag
zum andern, als ob ich mit dem Tod einen Bund,
und mit dem Grab eine Verſtändniß gemacht hätte,
und als ob ich Methuſalems Jahre erreichen könnte.
Ich meynte, daß die Güther dieſer Welt beſtändiger
und vergnüglicher wären: Aber nun lehret mich die
betrübte Erfahrung das, was ich zuvor nicht wußte.
Und nun verſtehe ich den Spruch des Predigers, al-
les iſt gantz eitel; darum danck ich dir, HErr, daß
du mich gezüchtiget haſt, weil ich dadurch deine
Rechte lerne, und nun die ſchnöde Welt mit ihren
betrüglichen Eitelkeiten beſſer lerne kennen.

Nun iſt mir dein Wort ſüſſer als Honig; nun iſt
meine Luſt in deinem Geſetz Tag und Nacht; nun

freue
O o 2
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[579/0601] und Verluſt zeitlicher Güther. zu Hertzen, dann mein Hertz war wie eine ſteinerne Mauer, durch welche die Pfeile ernſthaffter Beſtraf- fungen, die ich aus deinem Wort hörete, nicht konn- ten dringen. Ich wußte nicht was Troſt war, weil ich noch nicht recht wußte, was Unglück und Elend war: Mein Hertz war wie ein felſichter Acker, auf welchem der Saame deines theuren Worts keine rechte Wurtzel konnte faſſen. Und wann ja hie und da ein Körnlein guter Früchte wuchs, ſo wurd es doch bald von den Dornen des Glücks wieder unter- drückt und erſtickt. Mein Gewiſſen erſchreckte nicht vor Sünden, und gedachte nicht, daß auf Sünden müßten Strafen der Sünde folgen. Ja mein ei- gen argliſtiges und betrügliches Hertz wußte die größten Sünden klein zu machen, und mit Feigen- blättern der Entſchuldigung zu bedecken; meine Buß und wahre Bekehrung verſchob ich von einem Tag zum andern, als ob ich mit dem Tod einen Bund, und mit dem Grab eine Verſtändniß gemacht hätte, und als ob ich Methuſalems Jahre erreichen könnte. Ich meynte, daß die Güther dieſer Welt beſtändiger und vergnüglicher wären: Aber nun lehret mich die betrübte Erfahrung das, was ich zuvor nicht wußte. Und nun verſtehe ich den Spruch des Predigers, al- les iſt gantz eitel; darum danck ich dir, HErr, daß du mich gezüchtiget haſt, weil ich dadurch deine Rechte lerne, und nun die ſchnöde Welt mit ihren betrüglichen Eitelkeiten beſſer lerne kennen. Nun iſt mir dein Wort ſüſſer als Honig; nun iſt meine Luſt in deinem Geſetz Tag und Nacht; nun freue O o 2

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Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/601>, abgerufen am 01.07.2024.