Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Erstes Buch. Land, Leute und Technik. erkenntnis und die Talente der technischen Praxis sich gegenseitig in die Hände arbeiten,ohne daß man sicher scheiden kann, ob das größere Verdienst um den technischen Fort- schritt bei der Wissenschaft oder bei der Praxis sei. 77. Die ersten technischen Fortschritte; die ältesten Waffen und Waffen und Werkzeuge waren ursprünglich identisch, haben erst nach und nach Holzstücke, besonders in Stabform, gewisse Knochen größerer und kleinerer Tiere, Mit verbesserten Steinwaffen und -Werkzeugen lernte der Mensch sich besser gegen Ob der Mensch das Feuer erst als Abbild der Lichtgottheiten verehrt (wie L. Geiger Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. erkenntnis und die Talente der techniſchen Praxis ſich gegenſeitig in die Hände arbeiten,ohne daß man ſicher ſcheiden kann, ob das größere Verdienſt um den techniſchen Fort- ſchritt bei der Wiſſenſchaft oder bei der Praxis ſei. 77. Die erſten techniſchen Fortſchritte; die älteſten Waffen und Waffen und Werkzeuge waren urſprünglich identiſch, haben erſt nach und nach Holzſtücke, beſonders in Stabform, gewiſſe Knochen größerer und kleinerer Tiere, Mit verbeſſerten Steinwaffen und -Werkzeugen lernte der Menſch ſich beſſer gegen Ob der Menſch das Feuer erſt als Abbild der Lichtgottheiten verehrt (wie L. Geiger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="192"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.</fw><lb/> erkenntnis und die Talente der techniſchen Praxis ſich gegenſeitig in die Hände arbeiten,<lb/> ohne daß man ſicher ſcheiden kann, ob das größere Verdienſt um den techniſchen Fort-<lb/> ſchritt bei der Wiſſenſchaft oder bei der Praxis ſei.</p><lb/> <p>77. <hi rendition="#g">Die erſten techniſchen Fortſchritte; die älteſten Waffen und<lb/> Werkzeuge, das Feuer und die Töpferei</hi>. Wir werden annehmen, daß es<lb/> Menſchen ohne Werkzeuge und Feuerbenutzung einſtens gegeben habe. Gefunden hat<lb/> man in hiſtoriſcher Zeit nie ſolche.</p><lb/> <p>Waffen und Werkzeuge waren urſprünglich identiſch, haben erſt nach und nach<lb/> ſich differenziert. Wir haben ihre Entſtehung ſchon beſprochen. Wir verſtehen unter<lb/> einer Waffe und einem Werkzeuge ein dem Menſchen zum Kampf oder zur Arbeit<lb/> dienendes äußeres Hülfsmittel beſtimmter Geſtaltung aus Holz, Knochen, Stein oder<lb/> Metall, welches zufällig in paſſender Form gefunden, in der Regel vom Menſchen<lb/> abſichtlich hergeſtellt wurde, und nun durch die ein- für allemal gethane Arbeit der<lb/> Erfindung alle künftige Wirkſamkeit der menſchlichen Glieder verſtärkte, erleichterte,<lb/> konzentrierte. Die Herſtellung von ſolchen erſchöpft nicht die älteren techniſchen Fort-<lb/> ſchritte; allerlei Methoden z. B. der Nahrungsfürſorge, das Früchteſuchen und -Schonen,<lb/> die Feuerbewahrung und anderes bedurften zunächſt keines Werkzeuges zur Durchführung.<lb/> Aber auch dieſe Fortſchritte wurden, wie alle Bekämpfung der Feinde und alle Arbeit,<lb/> doch meiſt bald durch irgend welche äußere Veranſtaltung, wie die Feuerbenutzung durch<lb/> den Herdbau, die Vorratſammlung durch Töpfe und Tierbälge erleichtert.</p><lb/> <p>Holzſtücke, beſonders in Stabform, gewiſſe Knochen größerer und kleinerer Tiere,<lb/> einzelne Schilfarten und Steine hat der Menſch zuerſt als Werkzeug benutzt. Der Stab<lb/> diente als Stütze beim Marſch, als Waffe gegen Tier und Feind, als Hebel, als Hülfe<lb/> zum Laſtentragen, als Gerüſt für die erſte Hütte, als Grabſtück zum Wurzelſuchen; am<lb/> Feuer geſpitzt wurde er zum Spieß, an einer Seite verſtärkt zur Keule, durch Einſetzung<lb/> von Fiſchzähnen zur Lanze. Der rohe Stein diente zum Werfen, ſpäter zur Schleuder-<lb/> waffe; in beſtimmter Form zum Öffnen von Schalen, zum Stoßen und Hämmern. In<lb/> der Bearbeitung paſſender Steine, Geweihe, Holzſtücke und Knochen und ihrer Ver-<lb/> bindung lag unendliche Zeiträume hindurch der techniſche Fortſchritt. Durch Schleifen,<lb/> Polieren, Meißeln, Durchbohren der Steine gelang es, ſchmälere und breitere, glatte<lb/> und dicke, kürzere und längere Steine herzuſtellen, ſie zu Meſſern, Beilen, Meißeln,<lb/> Hämmern, Schabinſtrumenten und Mahlſteinen, Lanzen- und Pfeilſpitzen zu geſtalten.<lb/> Die Unterſuchung dieſer Steinbearbeitung bildet einen Hauptteil der vorgeſchichtlichen<lb/> Forſchungen. Die Benutzung der Steinwerkzeuge und Waffen (neben den metalliſchen)<lb/> reicht bis tief in die hiſtoriſchen Zeiten hinein, zumal im Norden; nach Rougemont in<lb/> Deutſchland bis ins 6.—7., in Irland bis ins 8. und 9., in Schottland bis ins 13.,<lb/> in Böhmen bis ins 14. Jahrhundert. Die ungeſchiedenen Arier werden weſentlich nur<lb/> Stein- und Holzwerkzeuge neben wenigen Stücken aus Kupfer oder Erz beſeſſen haben.<lb/> Ähnlich die Pfahlbauer der Schweiz 8000—4000 v. Chr. Die niedrigſten Völker haben<lb/> ſie heute noch; Auſtralien, die Südſeeinſeln, ein großer Teil Amerikas beſaßen nichts<lb/> anderes bei ihrer Entdeckung. Die Afrikaner freilich ſind, ſeit wir ſie kennen, faſt alle<lb/> ſchon im Beſitze von Eiſen geweſen.</p><lb/> <p>Mit verbeſſerten Steinwaffen und -Werkzeugen lernte der Menſch ſich beſſer gegen<lb/> Feinde und Tiere verteidigen und ſchützen; er fügte zu den Angriffs- die Schutzwaffen,<lb/> er baute Wälle und Hütten, richtete ſich in Höhlen ein, verſtand Tauſende von ſtarken<lb/> Pfählen ins Waſſer einzurammen, ſie zu geſchützten Pfahlbaudörfern zu benutzen. Indem<lb/> er die Jagdmethoden durch ſie verbeſſerte, kam er wenigſtens etwas mehr über die Gefahr<lb/> des Verhungerns hinweg. Vor allem haben die verbeſſerten Fiſchfangmethoden, die<lb/> erſten ausgehöhlten, als Schiffe dienenden Baumſtämme, die Netze und Harpunen ihm<lb/> das Leben am Waſſer erleichtert. Man hat geſagt, die Fiſchnahrung und das Feuer<lb/> hätten dem Menſchen erſt geſtattet, ſich etwas weiter über die Erde zu verbreiten. —</p><lb/> <p>Ob der Menſch das Feuer erſt als Abbild der Lichtgottheiten verehrt (wie L. Geiger<lb/> meint) oder gleich ſeinen Nutzen erfaßt habe, wollen wir dahingeſtellt ſein laſſen.<lb/> Jedenfalls ſteht die Feuerverehrung, das Prieſtertum und die Magie bei vielen Raſſen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0208]
Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
erkenntnis und die Talente der techniſchen Praxis ſich gegenſeitig in die Hände arbeiten,
ohne daß man ſicher ſcheiden kann, ob das größere Verdienſt um den techniſchen Fort-
ſchritt bei der Wiſſenſchaft oder bei der Praxis ſei.
77. Die erſten techniſchen Fortſchritte; die älteſten Waffen und
Werkzeuge, das Feuer und die Töpferei. Wir werden annehmen, daß es
Menſchen ohne Werkzeuge und Feuerbenutzung einſtens gegeben habe. Gefunden hat
man in hiſtoriſcher Zeit nie ſolche.
Waffen und Werkzeuge waren urſprünglich identiſch, haben erſt nach und nach
ſich differenziert. Wir haben ihre Entſtehung ſchon beſprochen. Wir verſtehen unter
einer Waffe und einem Werkzeuge ein dem Menſchen zum Kampf oder zur Arbeit
dienendes äußeres Hülfsmittel beſtimmter Geſtaltung aus Holz, Knochen, Stein oder
Metall, welches zufällig in paſſender Form gefunden, in der Regel vom Menſchen
abſichtlich hergeſtellt wurde, und nun durch die ein- für allemal gethane Arbeit der
Erfindung alle künftige Wirkſamkeit der menſchlichen Glieder verſtärkte, erleichterte,
konzentrierte. Die Herſtellung von ſolchen erſchöpft nicht die älteren techniſchen Fort-
ſchritte; allerlei Methoden z. B. der Nahrungsfürſorge, das Früchteſuchen und -Schonen,
die Feuerbewahrung und anderes bedurften zunächſt keines Werkzeuges zur Durchführung.
Aber auch dieſe Fortſchritte wurden, wie alle Bekämpfung der Feinde und alle Arbeit,
doch meiſt bald durch irgend welche äußere Veranſtaltung, wie die Feuerbenutzung durch
den Herdbau, die Vorratſammlung durch Töpfe und Tierbälge erleichtert.
Holzſtücke, beſonders in Stabform, gewiſſe Knochen größerer und kleinerer Tiere,
einzelne Schilfarten und Steine hat der Menſch zuerſt als Werkzeug benutzt. Der Stab
diente als Stütze beim Marſch, als Waffe gegen Tier und Feind, als Hebel, als Hülfe
zum Laſtentragen, als Gerüſt für die erſte Hütte, als Grabſtück zum Wurzelſuchen; am
Feuer geſpitzt wurde er zum Spieß, an einer Seite verſtärkt zur Keule, durch Einſetzung
von Fiſchzähnen zur Lanze. Der rohe Stein diente zum Werfen, ſpäter zur Schleuder-
waffe; in beſtimmter Form zum Öffnen von Schalen, zum Stoßen und Hämmern. In
der Bearbeitung paſſender Steine, Geweihe, Holzſtücke und Knochen und ihrer Ver-
bindung lag unendliche Zeiträume hindurch der techniſche Fortſchritt. Durch Schleifen,
Polieren, Meißeln, Durchbohren der Steine gelang es, ſchmälere und breitere, glatte
und dicke, kürzere und längere Steine herzuſtellen, ſie zu Meſſern, Beilen, Meißeln,
Hämmern, Schabinſtrumenten und Mahlſteinen, Lanzen- und Pfeilſpitzen zu geſtalten.
Die Unterſuchung dieſer Steinbearbeitung bildet einen Hauptteil der vorgeſchichtlichen
Forſchungen. Die Benutzung der Steinwerkzeuge und Waffen (neben den metalliſchen)
reicht bis tief in die hiſtoriſchen Zeiten hinein, zumal im Norden; nach Rougemont in
Deutſchland bis ins 6.—7., in Irland bis ins 8. und 9., in Schottland bis ins 13.,
in Böhmen bis ins 14. Jahrhundert. Die ungeſchiedenen Arier werden weſentlich nur
Stein- und Holzwerkzeuge neben wenigen Stücken aus Kupfer oder Erz beſeſſen haben.
Ähnlich die Pfahlbauer der Schweiz 8000—4000 v. Chr. Die niedrigſten Völker haben
ſie heute noch; Auſtralien, die Südſeeinſeln, ein großer Teil Amerikas beſaßen nichts
anderes bei ihrer Entdeckung. Die Afrikaner freilich ſind, ſeit wir ſie kennen, faſt alle
ſchon im Beſitze von Eiſen geweſen.
Mit verbeſſerten Steinwaffen und -Werkzeugen lernte der Menſch ſich beſſer gegen
Feinde und Tiere verteidigen und ſchützen; er fügte zu den Angriffs- die Schutzwaffen,
er baute Wälle und Hütten, richtete ſich in Höhlen ein, verſtand Tauſende von ſtarken
Pfählen ins Waſſer einzurammen, ſie zu geſchützten Pfahlbaudörfern zu benutzen. Indem
er die Jagdmethoden durch ſie verbeſſerte, kam er wenigſtens etwas mehr über die Gefahr
des Verhungerns hinweg. Vor allem haben die verbeſſerten Fiſchfangmethoden, die
erſten ausgehöhlten, als Schiffe dienenden Baumſtämme, die Netze und Harpunen ihm
das Leben am Waſſer erleichtert. Man hat geſagt, die Fiſchnahrung und das Feuer
hätten dem Menſchen erſt geſtattet, ſich etwas weiter über die Erde zu verbreiten. —
Ob der Menſch das Feuer erſt als Abbild der Lichtgottheiten verehrt (wie L. Geiger
meint) oder gleich ſeinen Nutzen erfaßt habe, wollen wir dahingeſtellt ſein laſſen.
Jedenfalls ſteht die Feuerverehrung, das Prieſtertum und die Magie bei vielen Raſſen
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