Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Werkzeuge. Das Feuer. in engem Zusammenhange. Das Feuer gilt allerwärts als etwas Göttliches, das nur einPrometheus aus dem Himmel entwenden konnte. Auch die Frage, ob künstliches Feuer- machen durch Reibung von Holzstücken, durch den Feuerbohrer der Feuerbenutzung vor- ausgegangen sei, können wir auf sich beruhen lassen. Alle neueren Untersuchungen sprechen dafür, daß das Feuer durch Blitze, Lavaströme, Selbstentzündung sich von selbst den Menschen dargeboten habe und dann von ihnen mit Sorgfalt gehütet wurde. Die Be- wahrung des Feuers war ebenso schwer zu erlernen wie seine Zügelung, ohne die es jeden Moment Gefahr brachte. Nichts hüten die Menschen auf dieser Stufe der Technik mit mehr Sorgfalt als ihr nie erlöschendes Feuer; sie tragen es in glimmender Form stets bei sich auf Jagd-, Kriegs- und Wanderzügen. Hauptsächlich der Narthexstengel, später der Holzschwamm, eignete sich dazu. Die Australier und andere rohe Stämme lassen das Feuer trotz des heißen Klimas in keiner Hütte je ausgehen, decken es abends zu, um es beim ersten Morgengrauen wieder anzublasen. Aus den Tempeln, wo es später bewahrt wird, darf jeder Feuer holen; kein Volksgenosse weigert es dem anderen; der Ausschluß von Wasser und Feuer bedeutet Verstoßung aus dem Stamme oder Volke. Cicero verlangt noch, daß man auch dem Unbekannten das Feuer nicht weigere. Wo das künstliche Feuermachen Platz gegriffen, ist es lange eine heilige Kulthandlung der Priester gewesen. Wie die indischen so haben es die römischen zu bestimmter Zeit (am 1. März) immer neu entzündet; noch heute löscht der Priester in den Alpen am Char- samstag das Feuer aus und entzündet das neue am Osterfest, worauf es dann der Bauer holt. Schutz gegen Geister wie gegen wilde Tiere und Feinde erhoffte man vom Feuer Die tiefgreifende Wirkung des Feuers auf Steinsprengung, Erzschmelzung, Me- Die ältesten Gefäße wurden wohl nicht zum Kochen, sondern als Wasserbehälter Schmoller, Grundriß der Volkswirtschaftslehre. I. 13
Die Werkzeuge. Das Feuer. in engem Zuſammenhange. Das Feuer gilt allerwärts als etwas Göttliches, das nur einPrometheus aus dem Himmel entwenden konnte. Auch die Frage, ob künſtliches Feuer- machen durch Reibung von Holzſtücken, durch den Feuerbohrer der Feuerbenutzung vor- ausgegangen ſei, können wir auf ſich beruhen laſſen. Alle neueren Unterſuchungen ſprechen dafür, daß das Feuer durch Blitze, Lavaſtröme, Selbſtentzündung ſich von ſelbſt den Menſchen dargeboten habe und dann von ihnen mit Sorgfalt gehütet wurde. Die Be- wahrung des Feuers war ebenſo ſchwer zu erlernen wie ſeine Zügelung, ohne die es jeden Moment Gefahr brachte. Nichts hüten die Menſchen auf dieſer Stufe der Technik mit mehr Sorgfalt als ihr nie erlöſchendes Feuer; ſie tragen es in glimmender Form ſtets bei ſich auf Jagd-, Kriegs- und Wanderzügen. Hauptſächlich der Narthexſtengel, ſpäter der Holzſchwamm, eignete ſich dazu. Die Auſtralier und andere rohe Stämme laſſen das Feuer trotz des heißen Klimas in keiner Hütte je ausgehen, decken es abends zu, um es beim erſten Morgengrauen wieder anzublaſen. Aus den Tempeln, wo es ſpäter bewahrt wird, darf jeder Feuer holen; kein Volksgenoſſe weigert es dem anderen; der Ausſchluß von Waſſer und Feuer bedeutet Verſtoßung aus dem Stamme oder Volke. Cicero verlangt noch, daß man auch dem Unbekannten das Feuer nicht weigere. Wo das künſtliche Feuermachen Platz gegriffen, iſt es lange eine heilige Kulthandlung der Prieſter geweſen. Wie die indiſchen ſo haben es die römiſchen zu beſtimmter Zeit (am 1. März) immer neu entzündet; noch heute löſcht der Prieſter in den Alpen am Char- ſamſtag das Feuer aus und entzündet das neue am Oſterfeſt, worauf es dann der Bauer holt. Schutz gegen Geiſter wie gegen wilde Tiere und Feinde erhoffte man vom Feuer Die tiefgreifende Wirkung des Feuers auf Steinſprengung, Erzſchmelzung, Me- Die älteſten Gefäße wurden wohl nicht zum Kochen, ſondern als Waſſerbehälter Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 13
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Hauptſächlich der Narthexſtengel, ſpäter<lb/> der Holzſchwamm, eignete ſich dazu. Die Auſtralier und andere rohe Stämme laſſen<lb/> das Feuer trotz des heißen Klimas in keiner Hütte je ausgehen, decken es abends zu,<lb/> um es beim erſten Morgengrauen wieder anzublaſen. Aus den Tempeln, wo es ſpäter<lb/> bewahrt wird, darf jeder Feuer holen; kein Volksgenoſſe weigert es dem anderen; der<lb/> Ausſchluß von Waſſer und Feuer bedeutet Verſtoßung aus dem Stamme oder Volke.<lb/> Cicero verlangt noch, daß man auch dem Unbekannten das Feuer nicht weigere. Wo<lb/> das künſtliche Feuermachen Platz gegriffen, iſt es lange eine heilige Kulthandlung der<lb/> Prieſter geweſen. Wie die indiſchen ſo haben es die römiſchen zu beſtimmter Zeit (am<lb/> 1. 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Das Schmoren und Kochen in Gruben mit glühenden Steinen gehört einer<lb/> alten Zeit, das in Töpfen erſt einer viel ſpäteren an. All’ dieſe Feuerverwendung<lb/> erleichtert die Ernährung ſehr: die Zellen der Nährmittel werden geſprengt, die Gewebe<lb/> erweicht, das Kauen und die Verdauung ſo ſehr erleichtert, daß geringere Mengen doch<lb/> beſſer nähren, energiſchere Menſchen machen. Nicht umſonſt haben ſchon die Griechen<lb/> die Rohes eſſenden Stämme verſpottet und verachtet.</p><lb/> <p>Die tiefgreifende Wirkung des Feuers auf Steinſprengung, Erzſchmelzung, Me-<lb/> tallurgie und zahlloſe chemiſche Prozeſſe gehört im ganzen erſt der Epoche der Halb-<lb/> und Ganzkultur an. Schon in älteſter Zeit aber hat das Feuer die raſtloſe Beweglich-<lb/> keit des Menſchen etwas eingeſchränkt; das Wandern war mit dem Feuerbrand doch<lb/> beſchwerlicher; die Benutzung des Feuerbohrers freilich, ſpäter bei den Römern die des<lb/> Feuerſteins und Stahls, erleichterte wieder die Bewegung. Jedenfalls wurden die<lb/> Frauen, die das Feuer am Herde zu bewachen hatten, hiedurch mehr an die Wohnſtätte<lb/> gebunden; und wie ſie ihre Kinder mit dem Feuer beſſer ernähren konnten, ſo boten<lb/> ſie mit dem wärmenden Herde dem Manne mehr als bisher; um den Herd herum ent-<lb/> wickelte ſich das Haus und die Häuslichkeit. Die Erleuchtung der Nacht geſchah<lb/> undenkliche Zeiten hindurch nur durch Herd- oder anderes ähnliches Feuer; Fackeln<lb/> und Lampen gehören erſt den Kulturvölkern, z. B. den Ägyptern, Griechen und<lb/> Römern an. —</p><lb/> <p>Die älteſten Gefäße wurden wohl nicht zum Kochen, ſondern als Waſſerbehälter<lb/> benutzt; zumal in Ländern mit Waſſermangel, wie in Afrika, ſchleppt der roheſte Buſch-<lb/> mann, der ſonſt jedes Gepäck ſcheut, mit Waſſer gefüllte Straußeneier bei ſich. Tierhörner,<lb/> Menſchenſchädel, Fruchtſchalen, Tierbälge haben als die älteſten Gefäße gedient; dann<lb/> hat man aus Geflechten Gefäße und Körbe hergeſtellt, die ſo dicht geflochten, geklopft,<lb/> im Waſſer gequollen waren, daß ſie Flüſſigkeit hielten. Solche ſind heute noch da<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Schmoller</hi>, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. <hi rendition="#aq">I.</hi> 13</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [193/0209]
Die Werkzeuge. Das Feuer.
in engem Zuſammenhange. Das Feuer gilt allerwärts als etwas Göttliches, das nur ein
Prometheus aus dem Himmel entwenden konnte. Auch die Frage, ob künſtliches Feuer-
machen durch Reibung von Holzſtücken, durch den Feuerbohrer der Feuerbenutzung vor-
ausgegangen ſei, können wir auf ſich beruhen laſſen. Alle neueren Unterſuchungen ſprechen
dafür, daß das Feuer durch Blitze, Lavaſtröme, Selbſtentzündung ſich von ſelbſt den
Menſchen dargeboten habe und dann von ihnen mit Sorgfalt gehütet wurde. Die Be-
wahrung des Feuers war ebenſo ſchwer zu erlernen wie ſeine Zügelung, ohne die es
jeden Moment Gefahr brachte. Nichts hüten die Menſchen auf dieſer Stufe der Technik
mit mehr Sorgfalt als ihr nie erlöſchendes Feuer; ſie tragen es in glimmender Form ſtets
bei ſich auf Jagd-, Kriegs- und Wanderzügen. Hauptſächlich der Narthexſtengel, ſpäter
der Holzſchwamm, eignete ſich dazu. Die Auſtralier und andere rohe Stämme laſſen
das Feuer trotz des heißen Klimas in keiner Hütte je ausgehen, decken es abends zu,
um es beim erſten Morgengrauen wieder anzublaſen. Aus den Tempeln, wo es ſpäter
bewahrt wird, darf jeder Feuer holen; kein Volksgenoſſe weigert es dem anderen; der
Ausſchluß von Waſſer und Feuer bedeutet Verſtoßung aus dem Stamme oder Volke.
Cicero verlangt noch, daß man auch dem Unbekannten das Feuer nicht weigere. Wo
das künſtliche Feuermachen Platz gegriffen, iſt es lange eine heilige Kulthandlung der
Prieſter geweſen. Wie die indiſchen ſo haben es die römiſchen zu beſtimmter Zeit (am
1. März) immer neu entzündet; noch heute löſcht der Prieſter in den Alpen am Char-
ſamſtag das Feuer aus und entzündet das neue am Oſterfeſt, worauf es dann der Bauer holt.
Schutz gegen Geiſter wie gegen wilde Tiere und Feinde erhoffte man vom Feuer
zuerſt, dann Schutz gegen Kälte; das Vordringen in kältere Gegenden war ohne Feuer
unmöglich; Lippert meint, die höhere Kultur der nördlichen Raſſen auf ihre beſſere Feuer-
pflege zurückführen zu ſollen. Alle Stein- und Holzbearbeitung wurde dadurch erleichtert;
die erſte Aushöhlung von Baumſtämmen zu Kähnen erfolgte ſo; vor allem aber wurde
die Ernährung eine beſſere. Man dörrte das Fleiſch, briet es auf heißen Steinen an,
ſpäter am Holzſpieß durch. Die Körner aus den Halmen zu löſen, wandte man früher
— und in Irland noch im 17. Jahrhundert — das Feuer an; ſie wurden ſchmackhafter
und genießbarer. Die Juden aßen geröſtete Gerſte, die Griechen und Römer geröſteten
Spelt. Das Schmoren und Kochen in Gruben mit glühenden Steinen gehört einer
alten Zeit, das in Töpfen erſt einer viel ſpäteren an. All’ dieſe Feuerverwendung
erleichtert die Ernährung ſehr: die Zellen der Nährmittel werden geſprengt, die Gewebe
erweicht, das Kauen und die Verdauung ſo ſehr erleichtert, daß geringere Mengen doch
beſſer nähren, energiſchere Menſchen machen. Nicht umſonſt haben ſchon die Griechen
die Rohes eſſenden Stämme verſpottet und verachtet.
Die tiefgreifende Wirkung des Feuers auf Steinſprengung, Erzſchmelzung, Me-
tallurgie und zahlloſe chemiſche Prozeſſe gehört im ganzen erſt der Epoche der Halb-
und Ganzkultur an. Schon in älteſter Zeit aber hat das Feuer die raſtloſe Beweglich-
keit des Menſchen etwas eingeſchränkt; das Wandern war mit dem Feuerbrand doch
beſchwerlicher; die Benutzung des Feuerbohrers freilich, ſpäter bei den Römern die des
Feuerſteins und Stahls, erleichterte wieder die Bewegung. Jedenfalls wurden die
Frauen, die das Feuer am Herde zu bewachen hatten, hiedurch mehr an die Wohnſtätte
gebunden; und wie ſie ihre Kinder mit dem Feuer beſſer ernähren konnten, ſo boten
ſie mit dem wärmenden Herde dem Manne mehr als bisher; um den Herd herum ent-
wickelte ſich das Haus und die Häuslichkeit. Die Erleuchtung der Nacht geſchah
undenkliche Zeiten hindurch nur durch Herd- oder anderes ähnliches Feuer; Fackeln
und Lampen gehören erſt den Kulturvölkern, z. B. den Ägyptern, Griechen und
Römern an. —
Die älteſten Gefäße wurden wohl nicht zum Kochen, ſondern als Waſſerbehälter
benutzt; zumal in Ländern mit Waſſermangel, wie in Afrika, ſchleppt der roheſte Buſch-
mann, der ſonſt jedes Gepäck ſcheut, mit Waſſer gefüllte Straußeneier bei ſich. Tierhörner,
Menſchenſchädel, Fruchtſchalen, Tierbälge haben als die älteſten Gefäße gedient; dann
hat man aus Geflechten Gefäße und Körbe hergeſtellt, die ſo dicht geflochten, geklopft,
im Waſſer gequollen waren, daß ſie Flüſſigkeit hielten. Solche ſind heute noch da
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