Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Tierzähmung. Die Nomadenwirtschaft. mit Ziegen und Schafen, den ältesten Nomadentieren, und mit Pferden, Eseln, Maul-tieren und Kamelen, welche für die späteren Nomaden die wichtigsten Last- und Herden- tiere wurden. Wie sollen diese Nomaden das wenig bewegliche Rindvieh gezähmt haben, das wahrscheinlich viel früher als alle anderen größeren Nutztiere dem Menschen diente? Wenigstens daß das Pferd erst 2000--1700 unter den Hirtenkönigen nach Ägypten, erst in den Jahrhunderten nach Christi zu den Arabern, zu den Germanen erst auf ihren Wanderungen kam, steht fest. So spricht sehr viel dafür, daß die Rindviehzucht vorderasiatischen Stämmen in 79. Die mongolische Nomadenwirtschaft. Die nomadischen Mongolen- Ganz überwiegend leben sie von ihrer Viehwirtschaft. Sie trinken die Milch und Aber er macht durch seinen Herdenbesitz und seine Weide- und Wanderzüge gewisse Nicht alle Viehzüchter wandern, nicht alle Hirten sind Nomaden. Aber die mon- Die Tierzähmung. Die Nomadenwirtſchaft. mit Ziegen und Schafen, den älteſten Nomadentieren, und mit Pferden, Eſeln, Maul-tieren und Kamelen, welche für die ſpäteren Nomaden die wichtigſten Laſt- und Herden- tiere wurden. Wie ſollen dieſe Nomaden das wenig bewegliche Rindvieh gezähmt haben, das wahrſcheinlich viel früher als alle anderen größeren Nutztiere dem Menſchen diente? Wenigſtens daß das Pferd erſt 2000—1700 unter den Hirtenkönigen nach Ägypten, erſt in den Jahrhunderten nach Chriſti zu den Arabern, zu den Germanen erſt auf ihren Wanderungen kam, ſteht feſt. So ſpricht ſehr viel dafür, daß die Rindviehzucht vorderaſiatiſchen Stämmen in 79. Die mongoliſche Nomadenwirtſchaft. Die nomadiſchen Mongolen- Ganz überwiegend leben ſie von ihrer Viehwirtſchaft. Sie trinken die Milch und Aber er macht durch ſeinen Herdenbeſitz und ſeine Weide- und Wanderzüge gewiſſe Nicht alle Viehzüchter wandern, nicht alle Hirten ſind Nomaden. Aber die mon- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0213" n="197"/><fw place="top" type="header">Die Tierzähmung. Die Nomadenwirtſchaft.</fw><lb/> mit Ziegen und Schafen, den älteſten Nomadentieren, und mit Pferden, Eſeln, Maul-<lb/> tieren und Kamelen, welche für die ſpäteren Nomaden die wichtigſten Laſt- und Herden-<lb/> tiere wurden. 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B. bei Schönberg, Roſcher, Ratzel, als die eigentlich typiſchen<lb/> der wandernden Viehzüchter, der ſogenannten Nomaden. Die Rinderhirten Afrikas ſind<lb/> keine eigentlichen Nomaden, in Amerika iſt das Rind und das Pferd erſt mit den<lb/> Europäern eingezogen.</p><lb/> <p>79. <hi rendition="#g">Die mongoliſche Nomadenwirtſchaft</hi>. Die nomadiſchen Mongolen-<lb/> ſtämme ſind Bewohner der Steppe, der Hochgebirge, der Hochebenen, der unwirtſchaft-<lb/> lichen Striche zwiſchen dem Ackerlande. Sie beſaßen urſprünglich, wie erwähnt, über-<lb/> wiegend die leichtbeweglichen Ziegen und Schafe, erſt ſpäter kam Pferd und Kamel dazu;<lb/> das Rind haben nur einzelne weniger bewegliche Stämme, und nicht in großer Zahl. Ihr<lb/> periodiſches Wandern in den ihnen eigenen Gebieten, wie ihr raſches, ſtoßartiges Vor-<lb/> dringen in neue Länder iſt die Folge des kargen Bodens, auf dem ſie ſitzen. Das Rind-<lb/> vieh iſt für dieſen Boden und dieſes häufige, raſche Wandern nicht recht brauchbar.<lb/> Den Uralaltaiern erſchienen die Indogermanen mit ihrem Rindvieh trotz ihrer zeitweiſen<lb/> Wanderungen als ſeßhafte Stämme. Dieſe wandernde Nomadenwirtſchaft konnte nur<lb/> entſtehen, nachdem die Viehzucht überhaupt in begünſtigteren Ländern, bei Ackerbauern,<lb/> ſich ausgebildet hatte; ſie kann heute nur beſtehen in der Nähe von Völkern höherer,<lb/> anderer Kultur, welche gegen tieriſche Produkte Mehl, Thee, Waffen, Werkzeuge liefern;<lb/> teilweiſe freilich treiben die Nomaden auch etwas Hack- oder Ackerbau.</p><lb/> <p>Ganz überwiegend leben ſie von ihrer Viehwirtſchaft. Sie trinken die Milch und<lb/> das Blut, ſie eſſen das Fleiſch der Tiere; das Menſchenfleiſch iſt hierdurch verdrängt;<lb/> aus den Häuten fertigen ſie Kleider, Zelte, Sattel und Riemen, allerlei Hausgeräte.<lb/> Ihre Ernährung ſteht meiſt weit über der der Jäger, auch über der vieler Hackbauern,<lb/> nicht über der der viehzüchtenden Ackerbauern. Immer iſt ſie wechſelvoll; der Nomade<lb/> muß im Ertragen von Hunger und Durſt geübt ſein. Je nach Regen und Witterung,<lb/> Viehkrankheit und guten Jahren nehmen die Herden raſch ab und raſch zu. Die Be-<lb/> völkerung iſt meiſt ſtabil, oft künſtlich beſchränkt. Neben der Pflege und Wartung der<lb/> Tiere haben manche der Stämme allerlei häusliche und gewerbliche Künſte gelernt: die<lb/> Filzbereitung und der Zeltbau ſtehen teilweiſe auf hoher Stufe. Aber im ganzen wird ihr<lb/> Leben dadurch nicht beeinflußt; es iſt Jahrhunderte hindurch und länger ſtabil geblieben.<lb/> Fleiß und Arbeitſamkeit ſind wenig ausgebildet. Der Nomade, ſagt Ratzel, führt im<lb/> ganzen doch ſchlechte Wirtſchaft; „er verliert Zeit, opfert Kraft in nutzloſen Bewegungen<lb/> und verwüſtet nützliche Dinge“; das Weideland wird nicht verbeſſert, nicht geſchont,<lb/> nicht für die Zukunft gepflegt. Der Hirte iſt faul.</p><lb/> <p>Aber er macht durch ſeinen Herdenbeſitz und ſeine Weide- und Wanderzüge gewiſſe<lb/> Fortſchritte in der geſellſchaftlichen Organiſation, ſowie im Handel, in der Kapital- und<lb/> Eigentumsausbildung.</p><lb/> <p>Nicht alle Viehzüchter wandern, nicht alle Hirten ſind Nomaden. Aber die mon-<lb/> goliſchen ſind überwiegend in Bewegung, da ihre Weidereviere ohne ſolche Wanderungen<lb/> zu karg ſind. Immer haben die Stämme und die Geſchlechter zunächſt gewiſſe, im ganzen<lb/> abgegrenzte Gebiete, innerhalb deren ſie je nach ihrer Abweidung, je nach Sommer und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0213]
Die Tierzähmung. Die Nomadenwirtſchaft.
mit Ziegen und Schafen, den älteſten Nomadentieren, und mit Pferden, Eſeln, Maul-
tieren und Kamelen, welche für die ſpäteren Nomaden die wichtigſten Laſt- und Herden-
tiere wurden. Wie ſollen dieſe Nomaden das wenig bewegliche Rindvieh gezähmt haben,
das wahrſcheinlich viel früher als alle anderen größeren Nutztiere dem Menſchen diente?
Wenigſtens daß das Pferd erſt 2000—1700 unter den Hirtenkönigen nach Ägypten,
erſt in den Jahrhunderten nach Chriſti zu den Arabern, zu den Germanen erſt auf
ihren Wanderungen kam, ſteht feſt.
So ſpricht ſehr viel dafür, daß die Rindviehzucht vorderaſiatiſchen Stämmen in
ſehr früher Zeit gelang, daß ſie an ihrem Entſtehungsorte den eigentlichen Ackerbau im
Gegenſatze zum Hackbau erzeugte, daß die Tierzucht von da aus ſich verbreitete, teilweiſe
mit dem Ackerbau, teilweiſe ohne ihn, daß ſie je nach den benutzten und klimatiſch oder
ſonſt möglichen Tieren verſchiedene wirtſchaftliche Lebensformen nach und nach erzeugte.
Wir wollen, ehe wir den Ackerbau beſprechen, nur ein Wort vorausſchicken über die
mongoliſch-aſiatiſchen Nomadenvölker und deren Wirtſchafts- und Lebensweiſe; ſie erſcheinen
in den Lehrbüchern, z. B. bei Schönberg, Roſcher, Ratzel, als die eigentlich typiſchen
der wandernden Viehzüchter, der ſogenannten Nomaden. Die Rinderhirten Afrikas ſind
keine eigentlichen Nomaden, in Amerika iſt das Rind und das Pferd erſt mit den
Europäern eingezogen.
79. Die mongoliſche Nomadenwirtſchaft. Die nomadiſchen Mongolen-
ſtämme ſind Bewohner der Steppe, der Hochgebirge, der Hochebenen, der unwirtſchaft-
lichen Striche zwiſchen dem Ackerlande. Sie beſaßen urſprünglich, wie erwähnt, über-
wiegend die leichtbeweglichen Ziegen und Schafe, erſt ſpäter kam Pferd und Kamel dazu;
das Rind haben nur einzelne weniger bewegliche Stämme, und nicht in großer Zahl. Ihr
periodiſches Wandern in den ihnen eigenen Gebieten, wie ihr raſches, ſtoßartiges Vor-
dringen in neue Länder iſt die Folge des kargen Bodens, auf dem ſie ſitzen. Das Rind-
vieh iſt für dieſen Boden und dieſes häufige, raſche Wandern nicht recht brauchbar.
Den Uralaltaiern erſchienen die Indogermanen mit ihrem Rindvieh trotz ihrer zeitweiſen
Wanderungen als ſeßhafte Stämme. Dieſe wandernde Nomadenwirtſchaft konnte nur
entſtehen, nachdem die Viehzucht überhaupt in begünſtigteren Ländern, bei Ackerbauern,
ſich ausgebildet hatte; ſie kann heute nur beſtehen in der Nähe von Völkern höherer,
anderer Kultur, welche gegen tieriſche Produkte Mehl, Thee, Waffen, Werkzeuge liefern;
teilweiſe freilich treiben die Nomaden auch etwas Hack- oder Ackerbau.
Ganz überwiegend leben ſie von ihrer Viehwirtſchaft. Sie trinken die Milch und
das Blut, ſie eſſen das Fleiſch der Tiere; das Menſchenfleiſch iſt hierdurch verdrängt;
aus den Häuten fertigen ſie Kleider, Zelte, Sattel und Riemen, allerlei Hausgeräte.
Ihre Ernährung ſteht meiſt weit über der der Jäger, auch über der vieler Hackbauern,
nicht über der der viehzüchtenden Ackerbauern. Immer iſt ſie wechſelvoll; der Nomade
muß im Ertragen von Hunger und Durſt geübt ſein. Je nach Regen und Witterung,
Viehkrankheit und guten Jahren nehmen die Herden raſch ab und raſch zu. Die Be-
völkerung iſt meiſt ſtabil, oft künſtlich beſchränkt. Neben der Pflege und Wartung der
Tiere haben manche der Stämme allerlei häusliche und gewerbliche Künſte gelernt: die
Filzbereitung und der Zeltbau ſtehen teilweiſe auf hoher Stufe. Aber im ganzen wird ihr
Leben dadurch nicht beeinflußt; es iſt Jahrhunderte hindurch und länger ſtabil geblieben.
Fleiß und Arbeitſamkeit ſind wenig ausgebildet. Der Nomade, ſagt Ratzel, führt im
ganzen doch ſchlechte Wirtſchaft; „er verliert Zeit, opfert Kraft in nutzloſen Bewegungen
und verwüſtet nützliche Dinge“; das Weideland wird nicht verbeſſert, nicht geſchont,
nicht für die Zukunft gepflegt. Der Hirte iſt faul.
Aber er macht durch ſeinen Herdenbeſitz und ſeine Weide- und Wanderzüge gewiſſe
Fortſchritte in der geſellſchaftlichen Organiſation, ſowie im Handel, in der Kapital- und
Eigentumsausbildung.
Nicht alle Viehzüchter wandern, nicht alle Hirten ſind Nomaden. Aber die mon-
goliſchen ſind überwiegend in Bewegung, da ihre Weidereviere ohne ſolche Wanderungen
zu karg ſind. Immer haben die Stämme und die Geſchlechter zunächſt gewiſſe, im ganzen
abgegrenzte Gebiete, innerhalb deren ſie je nach ihrer Abweidung, je nach Sommer und
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