Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. teilen und abgrenzen, Wege, Grenz- und Schutzwälle bauen, Zusammenkunftsorte,Märkte, Tempel herstellen. Zu all' dem werden die Glieder zeitweise oder in bestimmter Reihenfolge aufgeboten und gezwungen. Alle Arbeitsteilung, aller freie Tausch- und Marktverkehr im Innern vollzieht sich im Rahmen des staatlich festgestellten Rechtes und unter Einwirkung der öffentlichen Einrichtungen. Die Organe der Gebietskörper- schaften bestimmen, welche fremde Personen und Waren herein, welche einheimische hinaus dürfen. So wird die organisierte Gebietskörperschaft zu einem wichtigen Organe alles H. Spencer sagt, wo Menschen als Gruppen zusammen wirken, da führt der Er kann aus genossenschaftlichen und Gemeindeeinrichtungen, aus dem Gemeinde- Immer müssen bei höherer Kultur die Individuen, Familien, Unternehmungen Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. teilen und abgrenzen, Wege, Grenz- und Schutzwälle bauen, Zuſammenkunftsorte,Märkte, Tempel herſtellen. Zu all’ dem werden die Glieder zeitweiſe oder in beſtimmter Reihenfolge aufgeboten und gezwungen. Alle Arbeitsteilung, aller freie Tauſch- und Marktverkehr im Innern vollzieht ſich im Rahmen des ſtaatlich feſtgeſtellten Rechtes und unter Einwirkung der öffentlichen Einrichtungen. Die Organe der Gebietskörper- ſchaften beſtimmen, welche fremde Perſonen und Waren herein, welche einheimiſche hinaus dürfen. So wird die organiſierte Gebietskörperſchaft zu einem wichtigen Organe alles H. Spencer ſagt, wo Menſchen als Gruppen zuſammen wirken, da führt der Er kann aus genoſſenſchaftlichen und Gemeindeeinrichtungen, aus dem Gemeinde- Immer müſſen bei höherer Kultur die Individuen, Familien, Unternehmungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0296" n="280"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> teilen und abgrenzen, Wege, Grenz- und Schutzwälle bauen, Zuſammenkunftsorte,<lb/> Märkte, Tempel herſtellen. Zu all’ dem werden die Glieder zeitweiſe oder in beſtimmter<lb/> Reihenfolge aufgeboten und gezwungen. Alle Arbeitsteilung, aller freie Tauſch- und<lb/> Marktverkehr im Innern vollzieht ſich im Rahmen des ſtaatlich feſtgeſtellten Rechtes<lb/> und unter Einwirkung der öffentlichen Einrichtungen. Die Organe der Gebietskörper-<lb/> ſchaften beſtimmen, welche fremde Perſonen und Waren herein, welche einheimiſche<lb/> hinaus dürfen.</p><lb/> <p>So wird die organiſierte Gebietskörperſchaft zu einem wichtigen Organe alles<lb/> Wirtſchaftslebens; und ihre führende Spitze muß bald eine ſelbſtändige Sonderwirtſchaft<lb/> führen, über gewiſſe wirtſchaftliche Mittel und Arbeitskräfte verfügen können. Die Aus-<lb/> bildung einer ſolchen Finanzwirtſchaft, eines öffentlichen Haushaltes iſt nur die wirt-<lb/> ſchaftliche Seite der Entſtehung einer feſten politiſchen Spitze, einer befehlenden Zwangs-<lb/> gewalt der Gemeinde und des Staates.</p><lb/> <p>H. Spencer ſagt, wo Menſchen als Gruppen zuſammen wirken, da führt der<lb/> Klügſte, Tapferſte, Weiſeſte aus, was die Angeſehenen beſprochen und vorgeſchlagen, was<lb/> alle genehmigt haben. In jedem politiſchen Körper muß es ſo neben der führenden,<lb/> von einer Ariſtokratie oder von Beamten unterſtützten Spitze eine dieſen führenden Ele-<lb/> menten gegenüberſtehende, teils beſchließende, teils gehorchende Menge geben; jede ſociale<lb/> Gruppenbildung vereinigt ſo in ſich ein genoſſenſchaftliches Element und ein herrſchaft-<lb/> liches, welche auf eine irgendwie rechtlich geregelte Zuſammenwirkung beider durch<lb/> eine Verfaſſung hingewieſen ſind. Je kleiner und einfacher die ſocialen Gebilde und<lb/> Gebiete ſind, deſto mehr kann und wird der Schwerpunkt der Verfaſſung in den Rechten<lb/> aller Glieder liegen, deſto mehr genoſſenſchaftliche Färbung hat der ſocialpolitiſche<lb/> Körper. Je größer und komplizierter der Verband, das Gebiet, der Staat wird, je<lb/> kräftiger er nach außen auftreten, je mehr Aufgaben er nach innen übernehmen ſoll,<lb/> deſto ausgebildeter, ſelbſtändiger, mit größerer Zwangsgewalt ausgeſtattet müſſen die<lb/> oberſte Gewalt und ihre Organe ſein: ſie kann nur als herrſchaftliche, befehlende, mächtige<lb/> Organiſation ihre Funktion erfüllen. Das große Princip der Arbeitsteilung erzeugt<lb/> die Scheidung zwiſchen Befehlenden und Gehorchenden, Waffenführenden und Waffen-<lb/> unkundigen, geiſtig und mechaniſch Arbeitenden, und ſcheidet ſo zugleich Centrum und<lb/> Peripherie, Regierung und Volk in jedem ſocialen Körper. Aller öffentliche Haushalt<lb/> ſchließt ſich in ſeiner Ausbildung hieran an.</p><lb/> <p>Er kann aus genoſſenſchaftlichen und Gemeindeeinrichtungen, aus dem Gemeinde-<lb/> vermögen und einer Gemeindekaſſe, auch aus ſtändiſchen Einrichtungen hervorgehen oder<lb/> Elemente empfangen; aber auch ſie haben ſchon einen gewiſſen Zwangs- und herrſchaft-<lb/> lichen Charakter; häufiger entſpringt der Staatshaushalt aus dem Vermögen und der<lb/> Hauswirtſchaft von Fürſten und Königen, von Häuptlingen und Ariſtokratien. Meiſt<lb/> wird ſich die Staatsbildung an die Macht und den Beſitz von beſtimmten Kreiſen<lb/> anknüpfen, welche eine politiſche Herrſchaft begründen, welche die Geſamtintereſſen be-<lb/> greifen und vertreten, aber auch der Verſuchung des Mißbrauches unterliegen, in ihrer<lb/> Stellung bedroht, zuletzt wieder der Zuſtimmung und Billigung der Beherrſchten<lb/> bedürfen. In allem Staatsleben bleiben genoſſenſchaftliche Elemente, Rechte der Bürger,<lb/> Strömungen von unten nach oben. Aber eine feſte, ſelbſtändige Gewalt, die auf ererbtes<lb/> oder übertragenes Recht ſich ſtützt, in gewiſſer Rechtsſphäre herrſcht und verfügt, iſt in<lb/> jedem halbwegs ausgebildeten politiſchen Körper erſte Bedingung der Geſamtexiſtenz, vor<lb/> allem auch des geſunden wirtſchaftlichen Lebens. Eine komplizierte Verfaſſung ordnet die<lb/> Wechſelwirkung zwiſchen Peripherie und Centrum, Volk und Regierung, die wirtſchaftliche<lb/> Teilung der Funktionen zwiſchen beiden, die wirtſchaftlichen Forderungen der Staats-<lb/> gewalt an die einzelnen, die Leiſtungen derſelben an ſie.</p><lb/> <p>Immer müſſen bei höherer Kultur die Individuen, Familien, Unternehmungen<lb/> eine rechtlich genau beſtimmte freie Sphäre wirtſchaftlichen Handelns behalten. Die<lb/> Macht und Rechtsorganiſation des Ganzen hat dieſe Sphäre zu ſchützen, den einzelnen<lb/> ihr Eigentum und ihre freie Arbeitsbethätigung zu garantieren; eben hiedurch fördert<lb/> ſie Fleiß und Sparſamkeit, Handel und Verkehr, ſowie das wirtſchaftliche Gedeihen der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [280/0296]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
teilen und abgrenzen, Wege, Grenz- und Schutzwälle bauen, Zuſammenkunftsorte,
Märkte, Tempel herſtellen. Zu all’ dem werden die Glieder zeitweiſe oder in beſtimmter
Reihenfolge aufgeboten und gezwungen. Alle Arbeitsteilung, aller freie Tauſch- und
Marktverkehr im Innern vollzieht ſich im Rahmen des ſtaatlich feſtgeſtellten Rechtes
und unter Einwirkung der öffentlichen Einrichtungen. Die Organe der Gebietskörper-
ſchaften beſtimmen, welche fremde Perſonen und Waren herein, welche einheimiſche
hinaus dürfen.
So wird die organiſierte Gebietskörperſchaft zu einem wichtigen Organe alles
Wirtſchaftslebens; und ihre führende Spitze muß bald eine ſelbſtändige Sonderwirtſchaft
führen, über gewiſſe wirtſchaftliche Mittel und Arbeitskräfte verfügen können. Die Aus-
bildung einer ſolchen Finanzwirtſchaft, eines öffentlichen Haushaltes iſt nur die wirt-
ſchaftliche Seite der Entſtehung einer feſten politiſchen Spitze, einer befehlenden Zwangs-
gewalt der Gemeinde und des Staates.
H. Spencer ſagt, wo Menſchen als Gruppen zuſammen wirken, da führt der
Klügſte, Tapferſte, Weiſeſte aus, was die Angeſehenen beſprochen und vorgeſchlagen, was
alle genehmigt haben. In jedem politiſchen Körper muß es ſo neben der führenden,
von einer Ariſtokratie oder von Beamten unterſtützten Spitze eine dieſen führenden Ele-
menten gegenüberſtehende, teils beſchließende, teils gehorchende Menge geben; jede ſociale
Gruppenbildung vereinigt ſo in ſich ein genoſſenſchaftliches Element und ein herrſchaft-
liches, welche auf eine irgendwie rechtlich geregelte Zuſammenwirkung beider durch
eine Verfaſſung hingewieſen ſind. Je kleiner und einfacher die ſocialen Gebilde und
Gebiete ſind, deſto mehr kann und wird der Schwerpunkt der Verfaſſung in den Rechten
aller Glieder liegen, deſto mehr genoſſenſchaftliche Färbung hat der ſocialpolitiſche
Körper. Je größer und komplizierter der Verband, das Gebiet, der Staat wird, je
kräftiger er nach außen auftreten, je mehr Aufgaben er nach innen übernehmen ſoll,
deſto ausgebildeter, ſelbſtändiger, mit größerer Zwangsgewalt ausgeſtattet müſſen die
oberſte Gewalt und ihre Organe ſein: ſie kann nur als herrſchaftliche, befehlende, mächtige
Organiſation ihre Funktion erfüllen. Das große Princip der Arbeitsteilung erzeugt
die Scheidung zwiſchen Befehlenden und Gehorchenden, Waffenführenden und Waffen-
unkundigen, geiſtig und mechaniſch Arbeitenden, und ſcheidet ſo zugleich Centrum und
Peripherie, Regierung und Volk in jedem ſocialen Körper. Aller öffentliche Haushalt
ſchließt ſich in ſeiner Ausbildung hieran an.
Er kann aus genoſſenſchaftlichen und Gemeindeeinrichtungen, aus dem Gemeinde-
vermögen und einer Gemeindekaſſe, auch aus ſtändiſchen Einrichtungen hervorgehen oder
Elemente empfangen; aber auch ſie haben ſchon einen gewiſſen Zwangs- und herrſchaft-
lichen Charakter; häufiger entſpringt der Staatshaushalt aus dem Vermögen und der
Hauswirtſchaft von Fürſten und Königen, von Häuptlingen und Ariſtokratien. Meiſt
wird ſich die Staatsbildung an die Macht und den Beſitz von beſtimmten Kreiſen
anknüpfen, welche eine politiſche Herrſchaft begründen, welche die Geſamtintereſſen be-
greifen und vertreten, aber auch der Verſuchung des Mißbrauches unterliegen, in ihrer
Stellung bedroht, zuletzt wieder der Zuſtimmung und Billigung der Beherrſchten
bedürfen. In allem Staatsleben bleiben genoſſenſchaftliche Elemente, Rechte der Bürger,
Strömungen von unten nach oben. Aber eine feſte, ſelbſtändige Gewalt, die auf ererbtes
oder übertragenes Recht ſich ſtützt, in gewiſſer Rechtsſphäre herrſcht und verfügt, iſt in
jedem halbwegs ausgebildeten politiſchen Körper erſte Bedingung der Geſamtexiſtenz, vor
allem auch des geſunden wirtſchaftlichen Lebens. Eine komplizierte Verfaſſung ordnet die
Wechſelwirkung zwiſchen Peripherie und Centrum, Volk und Regierung, die wirtſchaftliche
Teilung der Funktionen zwiſchen beiden, die wirtſchaftlichen Forderungen der Staats-
gewalt an die einzelnen, die Leiſtungen derſelben an ſie.
Immer müſſen bei höherer Kultur die Individuen, Familien, Unternehmungen
eine rechtlich genau beſtimmte freie Sphäre wirtſchaftlichen Handelns behalten. Die
Macht und Rechtsorganiſation des Ganzen hat dieſe Sphäre zu ſchützen, den einzelnen
ihr Eigentum und ihre freie Arbeitsbethätigung zu garantieren; eben hiedurch fördert
ſie Fleiß und Sparſamkeit, Handel und Verkehr, ſowie das wirtſchaftliche Gedeihen der
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