Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. umfassenden Prozeß natürlicher Beeinflussung und eigentümlicher erblicher Entwickelungso weit differenziert worden, daß fast jede Rasse und jeder Stamm einzelne Fertigkeiten und Güter besaß, die dem anderen mangelten. Und je stabiler und unbiegsamer in Lebensweise und Sitte, je unfähiger zur Aneignung neuer Künste alle primitiven Rassen, ja selbst heute noch breite sociale Schichten unserer Kulturvölker sind, desto größeren Einfluß auf die langsam beginnende Arbeitsteilung mußten diese ethnischen Verschieden- heiten haben. Wie ein roter Faden geht es durch alle Kulturgeschichte hindurch, daß Fremde alle neuen Künste und Fortschritte bringen; noch heute rekrutieren sich bei dem Durcheinanderwohnen verschiedener Rassen immer wieder dieselben Berufe aus den ver- schiedenen ethnischen Elementen. -- Bei den folgenden Darlegungen wird die Schwierigkeit sein, die Arbeitsteilung Den Stoff gliedern wir nach gewissen in sich zusammenhängenden Teilen oder Die Arbeitsteilung auf jedem der von uns unterschiedenen Gebiete ist eine in sich Das erste wichtige Gebiet, das uns bei einer Scheidung der hieher gehörenden Er- Als ein zweites großes Gebiet der Arbeitsteilung stellt sich uns die Erhebung Das dritte Gebiet, das wir betrachten, betrifft die Scheidung der Gewerbe Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. umfaſſenden Prozeß natürlicher Beeinfluſſung und eigentümlicher erblicher Entwickelungſo weit differenziert worden, daß faſt jede Raſſe und jeder Stamm einzelne Fertigkeiten und Güter beſaß, die dem anderen mangelten. Und je ſtabiler und unbiegſamer in Lebensweiſe und Sitte, je unfähiger zur Aneignung neuer Künſte alle primitiven Raſſen, ja ſelbſt heute noch breite ſociale Schichten unſerer Kulturvölker ſind, deſto größeren Einfluß auf die langſam beginnende Arbeitsteilung mußten dieſe ethniſchen Verſchieden- heiten haben. Wie ein roter Faden geht es durch alle Kulturgeſchichte hindurch, daß Fremde alle neuen Künſte und Fortſchritte bringen; noch heute rekrutieren ſich bei dem Durcheinanderwohnen verſchiedener Raſſen immer wieder dieſelben Berufe aus den ver- ſchiedenen ethniſchen Elementen. — Bei den folgenden Darlegungen wird die Schwierigkeit ſein, die Arbeitsteilung Den Stoff gliedern wir nach gewiſſen in ſich zuſammenhängenden Teilen oder Die Arbeitsteilung auf jedem der von uns unterſchiedenen Gebiete iſt eine in ſich Das erſte wichtige Gebiet, das uns bei einer Scheidung der hieher gehörenden Er- Als ein zweites großes Gebiet der Arbeitsteilung ſtellt ſich uns die Erhebung Das dritte Gebiet, das wir betrachten, betrifft die Scheidung der Gewerbe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0344" n="328"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> umfaſſenden Prozeß natürlicher Beeinfluſſung und eigentümlicher erblicher Entwickelung<lb/> ſo weit differenziert worden, daß faſt jede Raſſe und jeder Stamm einzelne Fertigkeiten<lb/> und Güter beſaß, die dem anderen mangelten. Und je ſtabiler und unbiegſamer in<lb/> Lebensweiſe und Sitte, je unfähiger zur Aneignung neuer Künſte alle primitiven Raſſen,<lb/> ja ſelbſt heute noch breite ſociale Schichten unſerer Kulturvölker ſind, deſto größeren<lb/> Einfluß auf die langſam beginnende Arbeitsteilung mußten dieſe ethniſchen Verſchieden-<lb/> heiten haben. Wie ein roter Faden geht es durch alle Kulturgeſchichte hindurch, daß<lb/> Fremde alle neuen Künſte und Fortſchritte bringen; noch heute rekrutieren ſich bei dem<lb/> Durcheinanderwohnen verſchiedener Raſſen immer wieder dieſelben Berufe aus den ver-<lb/> ſchiedenen ethniſchen Elementen. —</p><lb/> <p>Bei den folgenden Darlegungen wird die Schwierigkeit ſein, die Arbeitsteilung<lb/> losgetrennt von ihren Urſachen und ihrer praktiſchen Ausgeſtaltung in der Geſellſchaft, von<lb/> den konventionellen Ordnungen und Inſtitutionen, in welchen ſie allein Leben gewinnt,<lb/> vorzuführen. Wollte man dieſe Scheidung nicht vornehmen, ſo würde dieſes Kapitel<lb/> die ganze volkswirtſchaftliche Organiſation und alle ihre Urſachen darlegen müſſen.<lb/> Eine iſolierende Unterſuchung der Arbeitsteilung iſt an ſich berechtigt, und es iſt angezeigt,<lb/> die anderweitig in dieſem Grundriß beſprochenen, aus der Arbeitsteilung hervorgehenden<lb/> Inſtitutionen (wie z. B. die Unternehmungsformen) nicht auch hier darzuſtellen. Immer<lb/> aber iſt der große weltgeſchichtliche Entwickelungsprozeß der Arbeitsteilung anſchaulich<lb/> nur zu geben mit Ausblicken auf Urſachen und Folgen, mit da und dort eingeſtreuten<lb/> kurzen Darlegungen der geſellſchaftlichen Einrichtungen, welche der Arbeitsteilung ihre<lb/> beſtimmte hiſtoriſch wechſelnde Form gaben.</p><lb/> <p>Den Stoff gliedern wir nach gewiſſen in ſich zuſammenhängenden Teilen oder<lb/> Gebieten, innerhalb derſelben nach hiſtoriſcher Folge.</p><lb/> <p>Die Arbeitsteilung auf jedem der von uns unterſchiedenen Gebiete iſt eine in ſich<lb/> zuſammenhängende Kette von Erſcheinungen. Daneben hat jedes Volk für ſich ſeine<lb/> Geſchichte der Arbeitsteilung, die aber in ihren einzelnen Teilen der Geſamtentwickelung<lb/> der Menſchheit angehört. Wenn die verſchiedenen Völker im ganzen eine einheitliche<lb/> Entwickelungsreihe uns zeigen, ſo liegt es teils darin, daß immer wieder dieſelben<lb/> Urſachen ſelbſtändig zur ſelben Scheidung führten, teils darin, daß die Gepflogenheiten<lb/> einer älteren Arbeitsteilung häufig im Zuſammenhang mit einer gewiſſen Technik oder<lb/> mit gewiſſen Inſtitutionen auf die jüngeren Völker durch Nachahmung übergingen.</p><lb/> <p>Das erſte wichtige Gebiet, das uns bei einer Scheidung der hieher gehörenden Er-<lb/> ſcheinungen entgegentritt, iſt die <hi rendition="#g">Arbeitsteilung in der Familie</hi>, die zwiſchen Mann<lb/> und Frau, zwiſchen den dienenden Gliedern derſelben. Sie hat in der patriarchaliſchen<lb/> Großfamilie ihre Hauptausbildung erhalten, ſpielt aber heute noch eine erhebliche Rolle.<lb/> Für alle ſpätere und weitere Arbeitsteilung iſt vor allem die Thatſache wichtig, daß die vollen<lb/> Konſequenzen derſelben wohl für die Familienväter, nicht aber ebenſo für die Hausfrauen<lb/> und deren Gehülfinnen gezogen werden. Alle hauswirtſchaftliche Frauenthätigkeit iſt zwar<lb/> von der Produktion der Güter im großen heute getrennt, ſtellt jedoch in ſich die uni-<lb/> verſalſte Vielgeſtaltigkeit ungetrennter Arbeitsfunktionen dar. Ich muß mir verſagen,<lb/> auf dieſes ganze Gebiet hier nochmals einzugehen, da ich das Wichtigſte hierüber in<lb/> dem Kapitel über die Familienwirtſchaft geſagt habe.</p><lb/> <p>Als ein zweites großes Gebiet der Arbeitsteilung ſtellt ſich uns die Erhebung<lb/> der Prieſter, Krieger und Häuptlinge in der älteren Zeit, der Händler in der ſpäteren<lb/> über die Maſſe des übrigen Volkes dar. Ihr ſteht als Gegenſtück die Entſtehung einer<lb/> Schicht handarbeitender Kreiſe, der Sklaven, der Hörigen, der freien Lohnarbeiter gegen-<lb/> über. Es handelt ſich auf dieſem Gebiete um die Scheidung der höheren von der<lb/> niederen, der geiſtigen von der mechaniſchen Arbeit; es iſt das Stück Arbeitsteilung,<lb/> welches ariſtokratiſche, herrſchende Klaſſen und daneben untere, dienende, beherrſchte<lb/> erzeugt. Ich bezeichne ſie als die <hi rendition="#g">berufliche und ſociale Arbeitsteilung</hi>; ſie<lb/> iſt es zuerſt, welche die Scheidung in Stände und Klaſſen herbeiführt.</p><lb/> <p>Das dritte Gebiet, das wir betrachten, betrifft die <hi rendition="#g">Scheidung der Gewerbe<lb/> von der Haus- und Landwirtſchaft</hi>, ſowie die Arbeitsteilung in der letzteren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [328/0344]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
umfaſſenden Prozeß natürlicher Beeinfluſſung und eigentümlicher erblicher Entwickelung
ſo weit differenziert worden, daß faſt jede Raſſe und jeder Stamm einzelne Fertigkeiten
und Güter beſaß, die dem anderen mangelten. Und je ſtabiler und unbiegſamer in
Lebensweiſe und Sitte, je unfähiger zur Aneignung neuer Künſte alle primitiven Raſſen,
ja ſelbſt heute noch breite ſociale Schichten unſerer Kulturvölker ſind, deſto größeren
Einfluß auf die langſam beginnende Arbeitsteilung mußten dieſe ethniſchen Verſchieden-
heiten haben. Wie ein roter Faden geht es durch alle Kulturgeſchichte hindurch, daß
Fremde alle neuen Künſte und Fortſchritte bringen; noch heute rekrutieren ſich bei dem
Durcheinanderwohnen verſchiedener Raſſen immer wieder dieſelben Berufe aus den ver-
ſchiedenen ethniſchen Elementen. —
Bei den folgenden Darlegungen wird die Schwierigkeit ſein, die Arbeitsteilung
losgetrennt von ihren Urſachen und ihrer praktiſchen Ausgeſtaltung in der Geſellſchaft, von
den konventionellen Ordnungen und Inſtitutionen, in welchen ſie allein Leben gewinnt,
vorzuführen. Wollte man dieſe Scheidung nicht vornehmen, ſo würde dieſes Kapitel
die ganze volkswirtſchaftliche Organiſation und alle ihre Urſachen darlegen müſſen.
Eine iſolierende Unterſuchung der Arbeitsteilung iſt an ſich berechtigt, und es iſt angezeigt,
die anderweitig in dieſem Grundriß beſprochenen, aus der Arbeitsteilung hervorgehenden
Inſtitutionen (wie z. B. die Unternehmungsformen) nicht auch hier darzuſtellen. Immer
aber iſt der große weltgeſchichtliche Entwickelungsprozeß der Arbeitsteilung anſchaulich
nur zu geben mit Ausblicken auf Urſachen und Folgen, mit da und dort eingeſtreuten
kurzen Darlegungen der geſellſchaftlichen Einrichtungen, welche der Arbeitsteilung ihre
beſtimmte hiſtoriſch wechſelnde Form gaben.
Den Stoff gliedern wir nach gewiſſen in ſich zuſammenhängenden Teilen oder
Gebieten, innerhalb derſelben nach hiſtoriſcher Folge.
Die Arbeitsteilung auf jedem der von uns unterſchiedenen Gebiete iſt eine in ſich
zuſammenhängende Kette von Erſcheinungen. Daneben hat jedes Volk für ſich ſeine
Geſchichte der Arbeitsteilung, die aber in ihren einzelnen Teilen der Geſamtentwickelung
der Menſchheit angehört. Wenn die verſchiedenen Völker im ganzen eine einheitliche
Entwickelungsreihe uns zeigen, ſo liegt es teils darin, daß immer wieder dieſelben
Urſachen ſelbſtändig zur ſelben Scheidung führten, teils darin, daß die Gepflogenheiten
einer älteren Arbeitsteilung häufig im Zuſammenhang mit einer gewiſſen Technik oder
mit gewiſſen Inſtitutionen auf die jüngeren Völker durch Nachahmung übergingen.
Das erſte wichtige Gebiet, das uns bei einer Scheidung der hieher gehörenden Er-
ſcheinungen entgegentritt, iſt die Arbeitsteilung in der Familie, die zwiſchen Mann
und Frau, zwiſchen den dienenden Gliedern derſelben. Sie hat in der patriarchaliſchen
Großfamilie ihre Hauptausbildung erhalten, ſpielt aber heute noch eine erhebliche Rolle.
Für alle ſpätere und weitere Arbeitsteilung iſt vor allem die Thatſache wichtig, daß die vollen
Konſequenzen derſelben wohl für die Familienväter, nicht aber ebenſo für die Hausfrauen
und deren Gehülfinnen gezogen werden. Alle hauswirtſchaftliche Frauenthätigkeit iſt zwar
von der Produktion der Güter im großen heute getrennt, ſtellt jedoch in ſich die uni-
verſalſte Vielgeſtaltigkeit ungetrennter Arbeitsfunktionen dar. Ich muß mir verſagen,
auf dieſes ganze Gebiet hier nochmals einzugehen, da ich das Wichtigſte hierüber in
dem Kapitel über die Familienwirtſchaft geſagt habe.
Als ein zweites großes Gebiet der Arbeitsteilung ſtellt ſich uns die Erhebung
der Prieſter, Krieger und Häuptlinge in der älteren Zeit, der Händler in der ſpäteren
über die Maſſe des übrigen Volkes dar. Ihr ſteht als Gegenſtück die Entſtehung einer
Schicht handarbeitender Kreiſe, der Sklaven, der Hörigen, der freien Lohnarbeiter gegen-
über. Es handelt ſich auf dieſem Gebiete um die Scheidung der höheren von der
niederen, der geiſtigen von der mechaniſchen Arbeit; es iſt das Stück Arbeitsteilung,
welches ariſtokratiſche, herrſchende Klaſſen und daneben untere, dienende, beherrſchte
erzeugt. Ich bezeichne ſie als die berufliche und ſociale Arbeitsteilung; ſie
iſt es zuerſt, welche die Scheidung in Stände und Klaſſen herbeiführt.
Das dritte Gebiet, das wir betrachten, betrifft die Scheidung der Gewerbe
von der Haus- und Landwirtſchaft, ſowie die Arbeitsteilung in der letzteren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |