Die Gebiete der Arbeitsteilung. Die Entstehung der Priester.
und in den Gewerben. Wir fügen dem die Entstehung der Arbeitsteilung innerhalb der liberalen Berufe bei, die gleichsam die modernen Nachfolger der Priester, in gewissem Sinne auch der Häuptlinge und Krieger sind. Alle diese Teile der Arbeitsteilung gehören mehr der neueren Entwickelung an, stellen Vorgänge dar, die ebenfalls klassenbildend wirken, die vorhandenen drei Hauptgruppen, Aristokratie, Mittelstand, untere Klassen weiter scheiden, vielfach aber auch nur im Mittelstande Platz greifen.
Wir schließen endlich mit einigen Bemerkungen über die räumliche Arbeits- teilung und über die Versuche einer allgemeinen Beurteilung und zahlenmäßigen Erfassung der Arbeitsteilung, um dann die allgemeinen Ursachen und Folgen der Arbeits- teilung im Anschluß an diese Vorführung der Thatsachen zu erörtern.
114. Das Priester- und Kriegertum. Häuptlinge, Priester und Krieger sind die Berufsarten, die zuerst mit der Ausbildung der Stammesverfassung und des geistigen Lebens sich von der übrigen Menge abheben. Ihre Entstehung ist oft eine gleichzeitige; doch scheinen Zauberer und Priester da und dort vorhanden zu sein, wo besondere Krieger noch fehlen, die Häuptlinge noch wenig Bedeutung haben.
Auch bei sehr rohen Stämmen, ja wir können sagen bei den meisten, die man bis jetzt näher kennen gelernt hat, findet man Zauberer und Heilkünstler; in Nordasien sind sie unter dem Namen der Schamanen, in Amerika als Medizinmänner, in Afrika als Gangas, in der Südsee unter verschiedenen Namen bekannt. Ihre Thätigkeit entspringt, wie wir schon oben S. 46 sahen, dem Glauben, daß die Seele des Menschen nach dem Tode sich da oder dort in einem Gegenstande, einem Tiere, einem Steinbilde, einem Grabe niederlasse, dem Menschen Verderben bringe, wenn man ihr nicht opfere, daß überhaupt ein Heer von Geistern den Menschen umgebe und all' sein Glück oder Unglück beherrsche, daß alle Krankheit auf die Geister zurückzuführen sei, daß daher die Be- schwörung dieser Geister, ihre Versöhnung durch immer weiter sich steigernde Kultakte, Blutdarbringungen, Fasten, d. h. Enthaltungen zu ihren Gunsten, und Opfer aller Art das dringlichste Bedürfnis sei. Leute, in die scheinbar die Geister gefahren, wie Epi- leptische, Nervöse, mit Veitstanz Behaftete, Kränkliche, die sich nicht wie die gewöhnlichen Wilden ernähren können, haben sich wohl zuerst als die der Geister Kundigen und als Vermittler ihren Stammesgenossen angeboten; sie erziehen ihre Kinder oder andere Schüler abseits in der Einsamkeit, im Walde, unter allen möglichen Kasteiungen und Plagen zu ähnlichem Berufe. Und so entsteht eine Klasse von Zauberern, Priestern und Ärzten, welche, durch Zucht und Selbstbeherrschung gestählt, durch Kenntnisse und Übung aller Geisteskräfte den anderen überlegen, im Besitze von scheinbar wunder- kräftigen Fetischen, d. h. von den Geistern mit Zauberkraft ausgestatteten Gegenständen sich befinden; es sind Männer, welche mit Hülfe der ihnen zugänglichen Geister gegen Geschenke und Bezahlung unter allen möglichen Formeln, ekstatischen Erregungen, Be- schwörungen und Vermummungen, bei Feuerlicht und Musik die bösen Geister vertreiben, die Kranken heilen, Regen machen, die Bösewichter entdecken; daneben kundschaften sie die Feinde aus, tragen ihre Fetische in Kriegszügen als siegbringende Götter mit, leiten die Gottesurteile, werden so halb und halb die Richter und Polizeiorgane in ihrem Kreise, kurz erringen eine immer angesehenere, oft das ganze sociale Leben der Stämme beherrschende Stellung. Um die Grabdenkmäler der Häuptlinge, die zu Tempeln und Gotteshäusern werden, sammeln sich dann später die mit Land, Vieh und Sklaven, mit regelmäßigen Geschenken und Zehnten ausgestatteten Priesterscharen. Sie sind ursprünglich nach Geschlechts-, Lokal- und Gaukulten gespalten, oft auch nach den verschiedenen Krankheiten, die sie heilen können, nach den Fetischen und Geistern, über die sie ver- fügen, wie wir das in Afrika heute selbst bei recht niedrigstehenden Negern sehen. Aber aus der Gemeinsamkeit der Fetische, der Zauberformeln und der Lehre bilden sich größere Kultbünde und Genossenschaften. Und oft gerade im Zusammenhang mit großen natio- nalen und religiösen Fortschritten entsteht aus den Kämpfen der kleinen Priestergruppen ein einheitlich organisierter Bund der Priester des ganzen Volkes, der die freien Zauberer und die alten lokalen Priesterzünfte zu unterdrücken sucht. Wellhausen hat uns gezeigt, wie so der Bund der Leviten, um den Jehovakultus und die Priesterherrschaft zu befestigen,
Die Gebiete der Arbeitsteilung. Die Entſtehung der Prieſter.
und in den Gewerben. Wir fügen dem die Entſtehung der Arbeitsteilung innerhalb der liberalen Berufe bei, die gleichſam die modernen Nachfolger der Prieſter, in gewiſſem Sinne auch der Häuptlinge und Krieger ſind. Alle dieſe Teile der Arbeitsteilung gehören mehr der neueren Entwickelung an, ſtellen Vorgänge dar, die ebenfalls klaſſenbildend wirken, die vorhandenen drei Hauptgruppen, Ariſtokratie, Mittelſtand, untere Klaſſen weiter ſcheiden, vielfach aber auch nur im Mittelſtande Platz greifen.
Wir ſchließen endlich mit einigen Bemerkungen über die räumliche Arbeits- teilung und über die Verſuche einer allgemeinen Beurteilung und zahlenmäßigen Erfaſſung der Arbeitsteilung, um dann die allgemeinen Urſachen und Folgen der Arbeits- teilung im Anſchluß an dieſe Vorführung der Thatſachen zu erörtern.
114. Das Prieſter- und Kriegertum. Häuptlinge, Prieſter und Krieger ſind die Berufsarten, die zuerſt mit der Ausbildung der Stammesverfaſſung und des geiſtigen Lebens ſich von der übrigen Menge abheben. Ihre Entſtehung iſt oft eine gleichzeitige; doch ſcheinen Zauberer und Prieſter da und dort vorhanden zu ſein, wo beſondere Krieger noch fehlen, die Häuptlinge noch wenig Bedeutung haben.
Auch bei ſehr rohen Stämmen, ja wir können ſagen bei den meiſten, die man bis jetzt näher kennen gelernt hat, findet man Zauberer und Heilkünſtler; in Nordaſien ſind ſie unter dem Namen der Schamanen, in Amerika als Medizinmänner, in Afrika als Gangas, in der Südſee unter verſchiedenen Namen bekannt. Ihre Thätigkeit entſpringt, wie wir ſchon oben S. 46 ſahen, dem Glauben, daß die Seele des Menſchen nach dem Tode ſich da oder dort in einem Gegenſtande, einem Tiere, einem Steinbilde, einem Grabe niederlaſſe, dem Menſchen Verderben bringe, wenn man ihr nicht opfere, daß überhaupt ein Heer von Geiſtern den Menſchen umgebe und all’ ſein Glück oder Unglück beherrſche, daß alle Krankheit auf die Geiſter zurückzuführen ſei, daß daher die Be- ſchwörung dieſer Geiſter, ihre Verſöhnung durch immer weiter ſich ſteigernde Kultakte, Blutdarbringungen, Faſten, d. h. Enthaltungen zu ihren Gunſten, und Opfer aller Art das dringlichſte Bedürfnis ſei. Leute, in die ſcheinbar die Geiſter gefahren, wie Epi- leptiſche, Nervöſe, mit Veitstanz Behaftete, Kränkliche, die ſich nicht wie die gewöhnlichen Wilden ernähren können, haben ſich wohl zuerſt als die der Geiſter Kundigen und als Vermittler ihren Stammesgenoſſen angeboten; ſie erziehen ihre Kinder oder andere Schüler abſeits in der Einſamkeit, im Walde, unter allen möglichen Kaſteiungen und Plagen zu ähnlichem Berufe. Und ſo entſteht eine Klaſſe von Zauberern, Prieſtern und Ärzten, welche, durch Zucht und Selbſtbeherrſchung geſtählt, durch Kenntniſſe und Übung aller Geiſteskräfte den anderen überlegen, im Beſitze von ſcheinbar wunder- kräftigen Fetiſchen, d. h. von den Geiſtern mit Zauberkraft ausgeſtatteten Gegenſtänden ſich befinden; es ſind Männer, welche mit Hülfe der ihnen zugänglichen Geiſter gegen Geſchenke und Bezahlung unter allen möglichen Formeln, ekſtatiſchen Erregungen, Be- ſchwörungen und Vermummungen, bei Feuerlicht und Muſik die böſen Geiſter vertreiben, die Kranken heilen, Regen machen, die Böſewichter entdecken; daneben kundſchaften ſie die Feinde aus, tragen ihre Fetiſche in Kriegszügen als ſiegbringende Götter mit, leiten die Gottesurteile, werden ſo halb und halb die Richter und Polizeiorgane in ihrem Kreiſe, kurz erringen eine immer angeſehenere, oft das ganze ſociale Leben der Stämme beherrſchende Stellung. Um die Grabdenkmäler der Häuptlinge, die zu Tempeln und Gotteshäuſern werden, ſammeln ſich dann ſpäter die mit Land, Vieh und Sklaven, mit regelmäßigen Geſchenken und Zehnten ausgeſtatteten Prieſterſcharen. Sie ſind urſprünglich nach Geſchlechts-, Lokal- und Gaukulten geſpalten, oft auch nach den verſchiedenen Krankheiten, die ſie heilen können, nach den Fetiſchen und Geiſtern, über die ſie ver- fügen, wie wir das in Afrika heute ſelbſt bei recht niedrigſtehenden Negern ſehen. Aber aus der Gemeinſamkeit der Fetiſche, der Zauberformeln und der Lehre bilden ſich größere Kultbünde und Genoſſenſchaften. Und oft gerade im Zuſammenhang mit großen natio- nalen und religiöſen Fortſchritten entſteht aus den Kämpfen der kleinen Prieſtergruppen ein einheitlich organiſierter Bund der Prieſter des ganzen Volkes, der die freien Zauberer und die alten lokalen Prieſterzünfte zu unterdrücken ſucht. Wellhauſen hat uns gezeigt, wie ſo der Bund der Leviten, um den Jehovakultus und die Prieſterherrſchaft zu befeſtigen,
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Die Gebiete der Arbeitsteilung. Die Entſtehung der Prieſter.
und in den Gewerben. Wir fügen dem die Entſtehung der Arbeitsteilung innerhalb
der liberalen Berufe bei, die gleichſam die modernen Nachfolger der Prieſter, in gewiſſem
Sinne auch der Häuptlinge und Krieger ſind. Alle dieſe Teile der Arbeitsteilung gehören
mehr der neueren Entwickelung an, ſtellen Vorgänge dar, die ebenfalls klaſſenbildend
wirken, die vorhandenen drei Hauptgruppen, Ariſtokratie, Mittelſtand, untere Klaſſen
weiter ſcheiden, vielfach aber auch nur im Mittelſtande Platz greifen.
Wir ſchließen endlich mit einigen Bemerkungen über die räumliche Arbeits-
teilung und über die Verſuche einer allgemeinen Beurteilung und zahlenmäßigen
Erfaſſung der Arbeitsteilung, um dann die allgemeinen Urſachen und Folgen der Arbeits-
teilung im Anſchluß an dieſe Vorführung der Thatſachen zu erörtern.
114. Das Prieſter- und Kriegertum. Häuptlinge, Prieſter und Krieger ſind
die Berufsarten, die zuerſt mit der Ausbildung der Stammesverfaſſung und des geiſtigen
Lebens ſich von der übrigen Menge abheben. Ihre Entſtehung iſt oft eine gleichzeitige;
doch ſcheinen Zauberer und Prieſter da und dort vorhanden zu ſein, wo beſondere Krieger
noch fehlen, die Häuptlinge noch wenig Bedeutung haben.
Auch bei ſehr rohen Stämmen, ja wir können ſagen bei den meiſten, die man bis
jetzt näher kennen gelernt hat, findet man Zauberer und Heilkünſtler; in Nordaſien ſind
ſie unter dem Namen der Schamanen, in Amerika als Medizinmänner, in Afrika als
Gangas, in der Südſee unter verſchiedenen Namen bekannt. Ihre Thätigkeit entſpringt,
wie wir ſchon oben S. 46 ſahen, dem Glauben, daß die Seele des Menſchen nach dem
Tode ſich da oder dort in einem Gegenſtande, einem Tiere, einem Steinbilde, einem
Grabe niederlaſſe, dem Menſchen Verderben bringe, wenn man ihr nicht opfere, daß
überhaupt ein Heer von Geiſtern den Menſchen umgebe und all’ ſein Glück oder Unglück
beherrſche, daß alle Krankheit auf die Geiſter zurückzuführen ſei, daß daher die Be-
ſchwörung dieſer Geiſter, ihre Verſöhnung durch immer weiter ſich ſteigernde Kultakte,
Blutdarbringungen, Faſten, d. h. Enthaltungen zu ihren Gunſten, und Opfer aller Art
das dringlichſte Bedürfnis ſei. Leute, in die ſcheinbar die Geiſter gefahren, wie Epi-
leptiſche, Nervöſe, mit Veitstanz Behaftete, Kränkliche, die ſich nicht wie die gewöhnlichen
Wilden ernähren können, haben ſich wohl zuerſt als die der Geiſter Kundigen und als
Vermittler ihren Stammesgenoſſen angeboten; ſie erziehen ihre Kinder oder andere
Schüler abſeits in der Einſamkeit, im Walde, unter allen möglichen Kaſteiungen und
Plagen zu ähnlichem Berufe. Und ſo entſteht eine Klaſſe von Zauberern, Prieſtern
und Ärzten, welche, durch Zucht und Selbſtbeherrſchung geſtählt, durch Kenntniſſe und
Übung aller Geiſteskräfte den anderen überlegen, im Beſitze von ſcheinbar wunder-
kräftigen Fetiſchen, d. h. von den Geiſtern mit Zauberkraft ausgeſtatteten Gegenſtänden
ſich befinden; es ſind Männer, welche mit Hülfe der ihnen zugänglichen Geiſter gegen
Geſchenke und Bezahlung unter allen möglichen Formeln, ekſtatiſchen Erregungen, Be-
ſchwörungen und Vermummungen, bei Feuerlicht und Muſik die böſen Geiſter vertreiben,
die Kranken heilen, Regen machen, die Böſewichter entdecken; daneben kundſchaften ſie
die Feinde aus, tragen ihre Fetiſche in Kriegszügen als ſiegbringende Götter mit, leiten
die Gottesurteile, werden ſo halb und halb die Richter und Polizeiorgane in ihrem
Kreiſe, kurz erringen eine immer angeſehenere, oft das ganze ſociale Leben der Stämme
beherrſchende Stellung. Um die Grabdenkmäler der Häuptlinge, die zu Tempeln und
Gotteshäuſern werden, ſammeln ſich dann ſpäter die mit Land, Vieh und Sklaven, mit
regelmäßigen Geſchenken und Zehnten ausgeſtatteten Prieſterſcharen. Sie ſind urſprünglich
nach Geſchlechts-, Lokal- und Gaukulten geſpalten, oft auch nach den verſchiedenen
Krankheiten, die ſie heilen können, nach den Fetiſchen und Geiſtern, über die ſie ver-
fügen, wie wir das in Afrika heute ſelbſt bei recht niedrigſtehenden Negern ſehen. Aber
aus der Gemeinſamkeit der Fetiſche, der Zauberformeln und der Lehre bilden ſich größere
Kultbünde und Genoſſenſchaften. Und oft gerade im Zuſammenhang mit großen natio-
nalen und religiöſen Fortſchritten entſteht aus den Kämpfen der kleinen Prieſtergruppen
ein einheitlich organiſierter Bund der Prieſter des ganzen Volkes, der die freien Zauberer
und die alten lokalen Prieſterzünfte zu unterdrücken ſucht. Wellhauſen hat uns gezeigt,
wie ſo der Bund der Leviten, um den Jehovakultus und die Prieſterherrſchaft zu befeſtigen,
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/345>, abgerufen am 17.07.2024.
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