Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. Maße wie früher allein oder in Genossenschaft sich eine Stellung in fremden Ländernzu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigstens teilweise, die Staatsgewalt ab. Selbst die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweise auf besondere Geschäfte und Organisationen, wie die öffentlichen Lagerhäuser, über; das Spekulieren, das Ein- und Verkaufen auf der Börse, durch den reisenden Commis, durch Korrespondenz trat in den Vordergrund der großen, das Ladengeschäft in den Vordergrund der kleinen Geschäfte. Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs- Allerdings zeigen die Handels-, Versicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs- Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hausierer, das Personal der Markthelfer, Packer, Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Maße wie früher allein oder in Genoſſenſchaft ſich eine Stellung in fremden Ländernzu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigſtens teilweiſe, die Staatsgewalt ab. Selbſt die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweiſe auf beſondere Geſchäfte und Organiſationen, wie die öffentlichen Lagerhäuſer, über; das Spekulieren, das Ein- und Verkaufen auf der Börſe, durch den reiſenden Commis, durch Korreſpondenz trat in den Vordergrund der großen, das Ladengeſchäft in den Vordergrund der kleinen Geſchäfte. Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs- Allerdings zeigen die Handels-, Verſicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs- Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hauſierer, das Perſonal der Markthelfer, Packer, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0352" n="336"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> Maße wie früher allein oder in Genoſſenſchaft ſich eine Stellung in fremden Ländern<lb/> zu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigſtens teilweiſe, die Staatsgewalt ab. Selbſt<lb/> die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweiſe auf beſondere Geſchäfte und<lb/> Organiſationen, wie die öffentlichen Lagerhäuſer, über; das Spekulieren, das Ein- und<lb/> Verkaufen auf der Börſe, durch den reiſenden Commis, durch Korreſpondenz trat in den<lb/> Vordergrund der großen, das Ladengeſchäft in den Vordergrund der kleinen Geſchäfte.</p><lb/> <p>Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs-<lb/> geſchäften und -organen, noch mit der Ausbildung der beſonderen Kredithändler, der<lb/> Banken iſt die neuere Arbeitsteilung im Handel und Verkehr erſchöpft, die Stellung<lb/> des neueren Händlertums charakteriſiert. Man wird ſagen können, vom 15. und<lb/> 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart habe der Handelsſtand erſt ſeine ſelbſtändige höhere<lb/> Ausbildung und Teilung erreicht, ſei er erſt der Beherrſcher und Organiſator der Volks-<lb/> wirtſchaft geworden. Erſt von da an hat die Gütercirkulation, der Abſatz, die inter-<lb/> lokale und internationale Teilung der Arbeit ſo zugenommen, daß ſie überall des<lb/> Handels und ſeiner Teilorgane bedurfte. Erſt jetzt entſtand für einzelne Handwerks-<lb/> waren ein Abſatz in die Ferne durch den Kaufmann; der Handel ſchuf die Hausinduſtrie,<lb/> wie er ſpäter hauptſächlich die Großunternehmung ins Leben rief. Wir werden unten<lb/> darauf zurückzukommen haben, daß die ganze Unternehmung weſentlich durch den Gewinn<lb/> auf dem Markte, durch den Handel und den Kaufmann entſtand. Die großen Meſſen<lb/> gehören der Zeit von 1500—1800, die größeren Börſen der von 1800—1900 an.<lb/> Beide ſind Ergebniſſe des Handels. Die ganze privatwirtſchaftliche, ſpekulative Seite<lb/> der heutigen Volkswirtſchaft hängt am Handel, liegt in den Händen der Kaufleute, iſt<lb/> von der arbeitsteiligen Handels- und Verkehrsorganiſation abhängig, welche ſich immer<lb/> einflußreicher, komplizierter geſtaltet hat; ſie beherrſcht Induſtrie und Landwirtſchaft,<lb/> den großen Teil der wirtſchaftlichen Produktion und die Verteilungsgeſchäfte, welche die<lb/> Güter den einzelnen zuführen.</p><lb/> <p>Allerdings zeigen die Handels-, Verſicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs-<lb/> gewerbe in unſerer heutigen Berufs- und Gewerbeſtatiſtik entfernt nicht die Speciali-<lb/> ſierung wie die Induſtrie. Aber in der deutſchen Zählung von 1882 ſind doch für den<lb/> Handel mit Tieren 32, mit landwirtſchaftlichen Produkten 121, mit Brennmaterialien 33,<lb/> mit Metallen 51, mit Kolonial-, Eß- und Trinkwaren 121, mit Schnittwaren 126, mit<lb/> Kurz- und Galanteriewaren 51 Specialitäten von Geſchäften verzeichnet. Die Anpaſſung<lb/> der Verkaufsgeſchäfte an die Bedürfniſſe der verſchiedenen Klaſſen und Orte hat Magazine<lb/> und Läden jeder Art, von den kleinſten bis zu den Rieſenbazaren geſchaffen. Die ver-<lb/> ſchiedenſten Formen des Verkaufs ſtehen nebeneinander: Hauſierbetrieb, Wochen-, Jahr-<lb/> markts-, Markthallenverkauf, Auktionsgeſchäfte, Wander- und ſtehende ſtädtiſche Verkaufs-<lb/> lager. Die Linien zwiſchen Produktion und Konſumtion werden durch Makler, Agenten,<lb/> Kommiſſionäre, Groß- und Kleinhändler aller Art verlängert. Und ſo ſehr an vielen<lb/> Stellen die Zunahme und Verbeſſerung der Verkehrsmittel früher notwendige Mittel-<lb/> glieder des Handels ausmerzt, da und dort entſtehen wieder neue. Und jedenfalls iſt<lb/> die Macht und der Einfluß des Händlertums immer noch eher im Wachſen, ſo ver-<lb/> ſchiedenartig Stellung und Einfluß der Elemente ſind.</p><lb/> <p>Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hauſierer, das Perſonal der Markthelfer, Packer,<lb/> Träger, Dienſtmänner, das ſubalterne Perſonal aller Verkehrsanſtalten ſteht mit dem<lb/> gelernten und ungelernten Arbeiter auf einer Stufe, die kleinen Ladengeſchäfte mit<lb/> dem Handwerker, die großen Ladengeſchäfte rechnen zum höheren Mittelſtande; ihre<lb/> Tauſende von Commis und ſonſtigen Gehülfen gehören teils ihm, teils dem höheren<lb/> Arbeiterſtande an. Über all’ dem ſtehen die höhere Geſchäftswelt, die Großhändler, die<lb/> Direktoren und Leiter der Aktiengeſellſchaften, Kartelle, Banken und ähnlicher Geſchäfte;<lb/> ſie bilden die Spitze der kaufmänniſchen Welt. Sie werden nicht mehr Fürſten, wie<lb/> einſt die Medici oder heute noch glückliche arabiſche Händler in Afrika, aber ſie über-<lb/> ragen an Reichtum, Macht und Einfluß doch da und dort alle anderen Kreiſe der<lb/> Geſellſchaft, beherrſchen in einzelnen Staaten Regierung und Verwaltung nicht minder<lb/> als einſt in Karthago, Venedig und Florenz. Nur wo eine alte, ſtarke Monarchie, eine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [336/0352]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Maße wie früher allein oder in Genoſſenſchaft ſich eine Stellung in fremden Ländern
zu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigſtens teilweiſe, die Staatsgewalt ab. Selbſt
die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweiſe auf beſondere Geſchäfte und
Organiſationen, wie die öffentlichen Lagerhäuſer, über; das Spekulieren, das Ein- und
Verkaufen auf der Börſe, durch den reiſenden Commis, durch Korreſpondenz trat in den
Vordergrund der großen, das Ladengeſchäft in den Vordergrund der kleinen Geſchäfte.
Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs-
geſchäften und -organen, noch mit der Ausbildung der beſonderen Kredithändler, der
Banken iſt die neuere Arbeitsteilung im Handel und Verkehr erſchöpft, die Stellung
des neueren Händlertums charakteriſiert. Man wird ſagen können, vom 15. und
16. Jahrhundert bis zur Gegenwart habe der Handelsſtand erſt ſeine ſelbſtändige höhere
Ausbildung und Teilung erreicht, ſei er erſt der Beherrſcher und Organiſator der Volks-
wirtſchaft geworden. Erſt von da an hat die Gütercirkulation, der Abſatz, die inter-
lokale und internationale Teilung der Arbeit ſo zugenommen, daß ſie überall des
Handels und ſeiner Teilorgane bedurfte. Erſt jetzt entſtand für einzelne Handwerks-
waren ein Abſatz in die Ferne durch den Kaufmann; der Handel ſchuf die Hausinduſtrie,
wie er ſpäter hauptſächlich die Großunternehmung ins Leben rief. Wir werden unten
darauf zurückzukommen haben, daß die ganze Unternehmung weſentlich durch den Gewinn
auf dem Markte, durch den Handel und den Kaufmann entſtand. Die großen Meſſen
gehören der Zeit von 1500—1800, die größeren Börſen der von 1800—1900 an.
Beide ſind Ergebniſſe des Handels. Die ganze privatwirtſchaftliche, ſpekulative Seite
der heutigen Volkswirtſchaft hängt am Handel, liegt in den Händen der Kaufleute, iſt
von der arbeitsteiligen Handels- und Verkehrsorganiſation abhängig, welche ſich immer
einflußreicher, komplizierter geſtaltet hat; ſie beherrſcht Induſtrie und Landwirtſchaft,
den großen Teil der wirtſchaftlichen Produktion und die Verteilungsgeſchäfte, welche die
Güter den einzelnen zuführen.
Allerdings zeigen die Handels-, Verſicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs-
gewerbe in unſerer heutigen Berufs- und Gewerbeſtatiſtik entfernt nicht die Speciali-
ſierung wie die Induſtrie. Aber in der deutſchen Zählung von 1882 ſind doch für den
Handel mit Tieren 32, mit landwirtſchaftlichen Produkten 121, mit Brennmaterialien 33,
mit Metallen 51, mit Kolonial-, Eß- und Trinkwaren 121, mit Schnittwaren 126, mit
Kurz- und Galanteriewaren 51 Specialitäten von Geſchäften verzeichnet. Die Anpaſſung
der Verkaufsgeſchäfte an die Bedürfniſſe der verſchiedenen Klaſſen und Orte hat Magazine
und Läden jeder Art, von den kleinſten bis zu den Rieſenbazaren geſchaffen. Die ver-
ſchiedenſten Formen des Verkaufs ſtehen nebeneinander: Hauſierbetrieb, Wochen-, Jahr-
markts-, Markthallenverkauf, Auktionsgeſchäfte, Wander- und ſtehende ſtädtiſche Verkaufs-
lager. Die Linien zwiſchen Produktion und Konſumtion werden durch Makler, Agenten,
Kommiſſionäre, Groß- und Kleinhändler aller Art verlängert. Und ſo ſehr an vielen
Stellen die Zunahme und Verbeſſerung der Verkehrsmittel früher notwendige Mittel-
glieder des Handels ausmerzt, da und dort entſtehen wieder neue. Und jedenfalls iſt
die Macht und der Einfluß des Händlertums immer noch eher im Wachſen, ſo ver-
ſchiedenartig Stellung und Einfluß der Elemente ſind.
Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hauſierer, das Perſonal der Markthelfer, Packer,
Träger, Dienſtmänner, das ſubalterne Perſonal aller Verkehrsanſtalten ſteht mit dem
gelernten und ungelernten Arbeiter auf einer Stufe, die kleinen Ladengeſchäfte mit
dem Handwerker, die großen Ladengeſchäfte rechnen zum höheren Mittelſtande; ihre
Tauſende von Commis und ſonſtigen Gehülfen gehören teils ihm, teils dem höheren
Arbeiterſtande an. Über all’ dem ſtehen die höhere Geſchäftswelt, die Großhändler, die
Direktoren und Leiter der Aktiengeſellſchaften, Kartelle, Banken und ähnlicher Geſchäfte;
ſie bilden die Spitze der kaufmänniſchen Welt. Sie werden nicht mehr Fürſten, wie
einſt die Medici oder heute noch glückliche arabiſche Händler in Afrika, aber ſie über-
ragen an Reichtum, Macht und Einfluß doch da und dort alle anderen Kreiſe der
Geſellſchaft, beherrſchen in einzelnen Staaten Regierung und Verwaltung nicht minder
als einſt in Karthago, Venedig und Florenz. Nur wo eine alte, ſtarke Monarchie, eine
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